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Manchmal stehen Denkmale auch an der richtigen Stelle. Das berühmte Hermannsdenkmal ist
entgegen der derzeit vorherrschenden Lehrmeinung ein aussichtsreiches Beispiel dafür!
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Über den Umgang der Amtsarchäologie mit einem Sondengänger – Ein exemplarischer Fall?
Eines Abends rief mich ein Herr Claus-Dieter Stelter aus Bad Driburg an. Er stellte sich
mir als ein leidenschaftlicher, aber von den Bodendenkmalbehörden in höchstem Maße frustrierter
und an der Nase herumgeführter Sondengänger vor. Dabei hatte er vor knapp einem Jahr einen
Glücksfund gemacht, der von den Amtsarchäologen sowohl in den lokalen als auch in den Fachmedien
im höchsten Maße gefeiert wurde. Ihm selber habe der Fund – außer dass er als Finder benannt
wurde – aber wenig Glück gebracht, denn vor einem Monat hätte man ihm die Verlängerung seiner
Grabungserlaubnis verweigert. Auf mich sei er aufmerksam geworden, weil ich mich in zwei Leserbriefen an das
Mindener
Tageblatt
kritisch zur Berichterstattung des Landschaftsverbandes
Westfalen Lippe (LWL) - Archäologie für Westfalen über den angeblichen Fund eines strategisch
bedeutsamen Römerlagers in Barkhausen geäußert hätte. Darin hatte ich dem Vize-Chefarchäologen
des LWL Dr. Daniel Bérenger vorgeworfen, dass er sich trotz dünner Befundlage mit abenteuerlichen
Spekulationen über die Infrastruktur der Varusschlacht ins öffentliche Rampenlicht gerückt hätte1).
Und dieser Dr. Bérenger, der auch Leiter der für Herrn Stelter bzw. den Kreis Höxter fachlich
zuständigen Außenstelle Bielefeld sei, würde ihn regelrecht mobben.
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Links: Zustand des Bronzesiegels beim Fund durch den
Sondengänger Claus-Dieter Stelter. Mitte: Das
Siegel datiert ins 16. Jahrhundert und zeigt den Benediktinerabt
Jodocus Rosa unter einem Baldachin sitzend im vollem Ornat.
Rechts: Der Abdruck des gereinigten Siegelstempels
ist auch über 400 Jahre später noch gut lesbar. (Fotos: Stelter u. LWL)
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Die Geschichte, die mir Herr Stelter erzählte, interessierte mich, zumal besagter Dr. Bérenger
darin wieder eine unrühmliche Hauptrolle spielte. Ich bat ihn daher, mir sämtliche Informationen
inklusive des Schriftverkehrs mit den Denkmalbehörden zu übersenden. Ferner sagte ich ihm zu,
dass ich bei nächster Gelegenheit über seinen Fall auf meiner Website berichten würde. Was Herr
Stelter da erlebt hatte, schien mir nicht nur exemplarisch für das häufig von Misstrauen und
Realitätsverlusten geprägte Verhältnis der Amtsarchäologen zu Sondengängern zu sein, sondern
noch darüber hinaus zu gehen. Wenn seine Geschichte einer Prüfung standhielt, dann wurden hier
einem zwar etwas aufmüpfigen aber beherzten Sondengänger, der sein Hobby legal ausüben möchte,
amtlicherseits höchst bürokratische Wackersteine in den Weg gelegt. Da Herr Stelter – in
seinem Arbeitsleben – einen ›Knochenjob‹ ausübt und weder die Zeit noch den Faible
hat, seine ärgerlichen Erfahrungen mit den für Bodenfunde zuständigen Behörden in einer
Geschichte aufzubereiten, begrüßte er meinen Vorschlag2). Ich hatte seinen Anruf
schon fast vergessen als ich Anfang November 2012 einen reichlich mit Informationsmaterial
gefüllten Brief im DIN A4-Format vom ihm erhielt.
Wie ich dem beigefügten Schriftverkehr entnehmen konnte, hatte Herr Stelter an den Kreis Höxter
in seiner Funktion als Obere Denkmalbehörde am 28.08.2011 einen Antrag auf Grabungserlaubnis
gemäß § 13 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (DSchG NRW)
gestellt3). Nachdem die Außenstelle Bielefeld des LWL - Archäologie für Westfalen - diesem
Antrag gemäß § 21 Abs. 4 DSchG (Benehmenherstellung) zugestimmt hatte, erhielt Herr Stelter mit
Schreiben vom 19.09.2011 die beantragte Grabungserlaubnis unter folgenden Auflagen:
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Die Erlaubnis gilt nur für das Gebiet der Städte Bad Driburg und Nieheim im Kreis Höxter
und zwar nur für das Ackerland sowie für Bodenaushub aus Baustellen. In Wald- und Wiesengelände
gilt die Erlaubnis nicht. Sie gilt auch nur in enger Zusammenarbeit und Absprache mit der
Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen, die für die Betreuung der Archäologie
im Regierungsbezirk Detmold zuständig ist. Die zur Begehung vorgesehenen Flächen sind mit
entsprechendem Kartenausschnitt der LWL-Archäologie für Westfalen /Außenstelle
Bielefeld (Am Stadtholz 24a, 33609 Bielefeld, Tel. 0251 591-8961, Fax: 0251 591-8989,
lwl-archaeolologie-bielefeld@lwl.org) im Vorfeld präzis anzuzeigen – und zwar mindestens
eine Woche im Voraus, damit das Vorhandensein von Bodendenkmäler oder von denkmalpflegerischen
Planungen geprüft und dahingehend relevante Flächen von der Erlaubnis ausgenommen werden können.
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Die Erlaubnis betrifft allein die Arbeit mit der Metallsonde und keine anderen Ausgrabungen.
Die durch die Sonde entdeckten Funde dürfen allein der Humusschicht und nicht dem darunter
liegenden anstehenden Boden entnommen werden, d. h. Schürfungen dürfen im Ackerland nur bis
zur Pflugsohle gehen.
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Die bei der Sondenarbeit möglicherweise entdeckten Befunde, wie z. B. Mauern. Gräben oder
Verfärbungen, sind unverzüglich der Unteren Denkmalbehörde (Stadt/Gemeinde) und/oder der
LWL-Archäologie für Westfalen /Außenstelle Bielefeld zu melden. Die Fundstelle muss bis
zur Begutachtung durch das Amt für Bodendenkmalpflege in unverändertem Zustand bleiben.
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Die bei der Sondenarbeit gemachten Funde sind spätestens halbjährlich mit einer Kartierung
ihrer Fundstellen dem Amt für Bodendenkmalpflege zu melden. Die Funde sind zur wissenschaftlichen
Bearbeitung für Iängstens ein halbes Jahr dem Amt für Bodendenkmalpflege zu überlassen (§ 16 Abs.4 DSchG).
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Die Erlaubnis gilt für einen Zeitraum von einem Jahr. Sie kann verlängert werden. Spätestens
nach Ablauf eines Jahres ist der Oberen Denkmalbehörde ein Bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht,
welche Flächen tatsächlich begangen wurden und welche Fundmeldungen an den LWL oder an die
zuständige Untere Denkmalbehörde abgegeben wurden. Die Abgabe des Berichtes ist Voraussetzung
für eine ggf. beantragte Verlängerung der Genehmigung.
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Die Erlaubnis ist bei Sondeneinsätzen ständig mitzuführen.
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Für den Fall der Nichtbeachtung von Auflagen kann die Erlaubnis widerrufen werden.
Hinweis
Diese Erlaubnis ersetzt nicht die unabhängig davon einzuholende Genehmigung des Grundeigentümers.
Eine Durchschrift dieser Erlaubnis hat der LWL – Archäologie für Westfalen – in Bielefeld sowie die
Bürgermeister der Städte Bad Driburg und Nieheim als untere Denkmalbehörde zur Kenntnis erhalten.«
Es folgen die Erläuterung der Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 100,- Euro nach § 9 Abs. 1 Gebührengesetz,
eine Rechtsbehelfsbelehrung und Hinweise der Verwaltung…
Man könnte glauben, Herr Stelter habe nicht eine Erlaubnis zum Führen und Einsetzen einer Metallsonde,
sondern einer Handfeuerwaffe beantragt. Dass dieser Vergleich nicht überzogen ist, bekräftigt der
Vize-Chefarchäologe des LWL Bérenger (2002) in einer
Denkschrift,
in der er sich kritisch mit dem
Einsatz von Metalldetektoren durch Sondengänger auseinandersetzt: »Die Bodendenkmalpflege, deren
Aufgabe es ist, die Bodendenkmäler zu schützen, muss alles versuchen, um den wachsenden Einsatz
von Metalldetektoren durch Dritte zu verhindern. (…) Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann
eine zwingende Anzeige von Erwerb und Besitz von Metalldetektoren, einen ›Waffenschein‹ für
Metallsondengänger einzuführen.«4) Dieser professionelle ›Herzenswunsch‹ bestätigt
einmal mehr, dass das Handeln von Bürokraten der Gefahr unterliegt, sich von den Erfordernissen
der Alltagswelt zu lösen und eine eigene irreale Welt zu erschaffen. Eine Welt, die ihren Niederschlag
in einer umfassend dokumentierten Aktenlage findet und deren Logik sich dem gesunden Menschenverstand
der betroffenen Bürger weitestgehend verschließt. Soll in diesem Fall heißen, die reichlich mit Auflagen
bewehrte Genehmigung ist praxisfern, sinnentleert und für einen Sondengänger voller Fallstricke. Die Auflagen
spiegeln nicht die tatsächliche Gefährdungslage für Bodendenkmäler wider und ihr den Sondengänger
entmündigender Umfang steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Genehmigung. Bevor ich der
Geschichte nachgehe, weshalb Herrn Stelter die Verlängerung seiner Grabungserlaubnis verweigert wird,
soll zunächst die in Pkt. 1 angeführte fachlich und inhaltlich heikelste Auflage näher betrachtet werden.
Dort heißt es, dass die Erlaubnis nur für Ackerland sowie für Bodenaushub aus Baustellen und ausdrücklich
nicht in Wald- und Wiesengelände gilt. Zudem dürfen die Schürfungen nur bis zur Pflugsohle gehen. Hinter
dieser massiven Beschneidung des Handlungsspielraumes eines Sondengängers stecken die Thesen, dass
Bodendenkmale am Besten im Boden aufgehoben sind und die an Paranoia grenzende Angst der Amtsarchäologen,
dass Sondengänger Fundzusammenhänge zerstören: »Unabhängig von seiner wirklichen Motivation zerstört der
Schatzsucher grundsätzlich den Fundzusammenhang und damit den größten Teil der Aussagetätigkeit des Fundes.
Das muss immer wieder und in aller Deutlichkeit gesagt werden.« (Bérenger 2002). Mit dieser Tatsachenbehauptung,
die von altbackenen Amtsarchäologen wie eine Beschwörungsformel runtergebetet wird, begründen die Denkmalschützer,
warum sie so ein zwiespältiges Verhältnis zu Sondengängern haben und sie entweder als Raubgräber
kriminalisieren oder im Fall ihrer Legalisierung an der kurzen Leine halten. Aber ist diese Leitmaxime
in der heutigen Zeit für den Fund und die Erhaltung von Bodendenkmälern wirklich noch zeitgemäß und
sinnvoll? Und gibt es nicht Akteure, die in viel größerem Umfang Fundzusammenhänge zerstören und zwar
ohne dass die Amtsarchäologen eine rechtliche Handhabe dagegen hätten oder von der Personalkapazität
her in der Lage wären, ihre gesetzlichen Eingriffsmöglichkeiten auszuschöpfen? Hören wir dazu die Stimmen
von zwei renommierten Kennern des (Boden-)Denkmalschutzes, die nicht – wie große Teile der
Amtsarchäologie – ihre Zeit damit vergeuden, ihre Vorurteile gegen Sondengänger zu pflegen.
Der Historiker und Journalist Dieter Kapff (1989) diagnostizierte in seinem Artikel »Gefährdung von
Bodendenkmalen durch Umwelteinflüsse«: »Was schon seit geraumer Zeit an Bauwerken festzustellen
ist, daß nämlich der saure Regen die Denkmale zerstört, gilt mittlerweile auch für Bodenfunde. Vergleiche
mit Funden von vor 30 Jahren belegen, daß an gleicher Stelle getätigte Funde heute wesentlich schlechter
erhalten sind. Bronze von Waffen, Schmuck und Beschlägen blüht aus, Eisen korrodiert und läßt sich kaum
noch konservieren. Nicht nur der saure Regen macht den Bodendenkmälern zu schaffen – übermäßiges Düngen
mit Mineralien oder natürlichem Dünger sowie das Streuen von Kalk im Wald (gegen Einflüsse des sauren
Regens) bringen Belastungen mit sich, deren Auswirkung erst dann erkennbar wird, wenn die Bodendenkmale
ans Tageslicht gehoben werden.« Und der Sachverständige für Management und Recht des Denkmalschutzes
Dr. Dieter Martin (2001) stellte in einer Abhandlung über Denkmalrecht einführend massive Vollzugsdefizite
fest: »Die drei Buchstaben ICE stehen für das größte in diesen Jahren in Deutschland verwirklichte
technische Projekt, dem allerdings zumindest in einigen Regionen vorgeworfen wird, ohne Chance auf deren
Bergung über Tausende von archäologischen Fundstätten hinwegzugehen und damit Geschichtszeugnisse spurlos
zu beseitigen. Ebenfalls scheinbar ohne Gefahr zu laufen, in die Schranken eines Gesetzes gewiesen zu werden,
können andernorts Denkmäler durch Hoch- und Tiefbaumaßnahmen gefährdet, durch Unterlassen des Unterhalts dem
Verfall preisgegeben oder sogar bei Nacht und Nebel abgebrochen werden, ohne dass Behörden dies unterbinden
oder zumindest von den Sanktionsmöglichkeiten der Straf- und Bußgeldvorschriften Gebrauch machen.«
Hier bestätigen Experten, was auch dem Laien einleuchtet: Die wirklichen Gefährdungen für Bodendenkmäler
gehen nicht von Sondengängern, sondern vom übermäßigen Düngen, Großprojekten des Bundes wie Bahntrassen
oder Autobahnen und anderen Tiefbaumaßnahmen wie Versorgungsleitungen aus. Hinzu kommen Vollzugsdefizite
der Denkmalbehörden beim Siedlungsbau, der regelmäßig zum Verlust von archäologischen Denkmälern führt.
Es klingt daher geradezu absurd, wenn der Amtsärchäologe Bérenger die gesetzliche Erfassung aller Eigentümer
einer Metallsonde als vordringliche Aufgabe sieht, um ihre Zahl klein und übersichtlich zu halten und sie
über die Rechtslage zu belehren. Damit verhindert er weder die schleichende chemische Korrosion von
Metallfunden durch die intensive landwirtschaftliche Düngung noch deren unmittelbare Zerstörung durch
Tiefpflug- und Drainagemaßnahmen5). Das gleiche gilt für das archäologische Zerstörungswerk
von siedlungsbedingten Tiefbaumaßnahmen. Wenn der behördliche Denkmalschutz es mit seiner gesetzlichen
Aufgabe, Bodendenkmäler zu schützen, wirklich ernst meint, dann ist es höchste Zeit, Metallsuchgeräte als
archäologisches Hilfsmittel zu rehabilitieren. Statt die Besitzer von Metalldetektoren pauschal als (potenzielle)
Raubgräber zu verunglimpfen, sollte die kooperative Zusammenarbeit mit ihnen gesucht werden. In der intensiv
genutzten Kulturlandschaft zerstören Sondengänger keine Fundzusammenhänge, sondern machen durch ihre Funde
frühzeitig auf potenzielle Bodendenkmale aufmerksam und zwar auch dort, wo Amtsarchäologen aufgrund ihrer
wissenschaftlichen Scheuklappen gar keine vermuten. Ohne Frage gibt es auch bei Sondengängern schwarze
Schafe, allerdings genauso wie bei Amtsarchäologen. – Nicht wahr Herr Bérenger?
Kommen wir zurück zum konkreten Fall von Herrn Stelter. Der hatte Ende Dezember 2011, nur wenige Monate
nachdem er die Grabungserlaubnis erhalten hatte, auf einem brachgefallenen Acker ein ovales 4 x 6 cm großes,
goldig glänzendes Metallsiegel gefunden. Da er es nicht so recht einordnen konnte, stellte er es in
einschlägige Sondengänger-Foren zur Begutachtung ein. Dort war man sich einig, dass es sich um einen
außergewöhnlich interessanten Fund handelt und empfahl ihm, das Siegel dem Stadtarchäologen von Paderborn
Dr. Sven Spiong vorzulegen. Herr Stelter hat ihm darauf hin per Mail umgehend Fotos, Koordinaten, Uhrzeit,
Luftfeuchtigkeit, Bodenbeschaffenheit und Fundtiefe des Objektes zugesandt. (Etwas ironischer Originalton
Stelter: ›Wie es sich für einen Lizenzsondler gehört.‹). Für Dr. Spiong war der Fund so brisant, dass er
ihn persönlich an der Baustelle, an der Herr Stelter gerade tätig war, abgeholt hat. Zugleich sicherte er
ihm zu, dass er sich um alle Förmlichkeiten, wie Fundmeldung etc. kümmern würde, denn laut Grabungserlaubnis
war der LWL bzw. die Obere Denkmalbehörde der Ansprechpartner von Herrn Stelter. Nach intensiven Recherchen
eines Historikers stellte sich heraus, dass es sich bei dem ovalen Metallstück um einen über vierhundert Jahre
alten Siegelstempel des Abtes Jodocus Rosa handelt, der dem Benediktinerkloster Abdinghof in Paderborn
von 1582 bis 1598 vorstand. Es konnte sogar eine Originalurkunde ausfindig gemacht werden, die mit dem
Bronzestempel gesiegelt wurde. Der Landschaftsverband widmete dem neuentdeckten Siegel mit Datum vom 19.01.2012
eine eigene Pressemitteilung, in der es von Dr. Spiong als »verspätetes Weihnachtsgeschenk« bezeichnete wurde.
Ferner wurde es umgehend zusammen mit der zugehörigen Urkunde im Museum in der Kaiserpfalz ausgestellt.
Herr Stelter, der das Siegel dem LWL geschenkt hatte (»dieses Objekt zählt nicht zu den Sachen meiner Begierde«),
wurde zwar in der Pressemitteilung als glücklicher Finder erwähnt, hörte oder sah aber nie mehr etwas von
dem wertvollen Siegel. Er bekam weder ein Dankesschreiben für seine großzügige Schenkung noch ein Freikarte
fürs Museum, was ja wohl das Mindeste als Anerkennung gewesen wäre. Im Gegenteil als er am 25.08.2012 eine
Verlängerung seiner Grabungserlaubnis beantragte, teilte ihm die Obere Denkmalbehörde mit Schreiben
vom 24.09.2012 mit, dass sie beabsichtige, seinem Antrag nicht zu entsprechen. Wörtlich heißt es in dem
Schreiben:
»Zur Begründung beziehe ich mich auf die fachliche Stellungnahme des Landschaftsverbandes
Westfalen-Lippe (LWL) – Archäologie für Westfalen – im Rahmen der nach § 21 DSchG NRW
erforderlichen Benehmensherstellung.Demnach sind der LWL und die Stadtarchäologie Paderborn
nach gegenseitiger Rücksprache darüber einig, dass sie die Auflagen der ihnen erteilten
Genehmigung nicht beachten. Insbesondere deshalb, weil sie trotz Untersagung Schürfungen
auf Wiesen und in Wäldern vornehmen, wo es keinen Pflughorizont als Schutzschicht für die
darunterliegenden archäologischen Schichten gibt. Dadurch werden Bodendenkmäler und die
Erhaltung von Quellen für die Forschung gefährdet, was eine Erlaubniserteilung
ausschließt (vgl. § 13 Abs. 2 DSchG NRW).
Darüber hinaus haben Sie ein Paderborner Siegel des 16. Jahrhunderts (Fundort Bad Driburg)
dem Museum in der Kaiserpfalz für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt. Diese und etwaige
andere Funde wurden entgegen der Auflage Nr. 4. Ihrer Genehmigung vom 19.09.2011 dem LWL
nicht gemeldet. Außerdem haben Sie mir entgegen der Auflage Nr. 5 keinen schriftlichen Bericht
vorgelegt, aus dem hervorgehet, welche Flächen tatsächlich begangen wurden und welche
Fundmeldungen an den LWL oder an die zuständige Untere Denkmalbehörde abgeben wurden.
Die Abgabe dieses Berichts ist Voraussetzung für eine Verlängerung der Genehmigung.
Die vom LWL geschilderten Handlungsweisen zeigen deutlich, dass Sie nicht gewillt sind,
gesetzliche Vorschriften zu beachten und verantwortungsvoll mit Denkmalsfunden umzugehen.«
In seinem Antwortschreiben vom 30.09.2012 räumte Herr Stelter ein, dass er die Behörden nicht
termingerecht über die Ergebnisse seiner Sondierungsaktivitäten informiert hat und bittet,
dies mit seiner beruflichen Anspannung als LKW-Fahrer im Tiefbau zu entschuldigen. Er habe
aber das Versäumte nachgeholt und gegenüber dem LWL Besserung versprochen, da er großen Wert
auf eine Zusammenarbeit mit der Fachbehörde lege. Er hätte als Entschuldigung hinzufügen können,
dass die Auflagen der Grabungserlaubnis so bürokratisch und praxisfremd formuliert sind, dass
es auch einem Sondengänger, der in einer Verwaltung arbeitet und mit der Behördensprache vertraut
ist, kaum gelingen würde, alle Auflagen auf Anhieb korrekt zu erfüllen. Erinnern wir uns: Zur
Begehung vorgesehene Flächen sind eine Woche im Vorfeld mit entsprechenden Kartenausschnitt
der LWL-Archäologie für Westfalen/Außenstelle Bielefeld präzis anzuzeigen, bei Sondierarbeiten
entdeckte Befunde wie Mauern, Gräben oder Verfärbungen sind unverzüglich der Unteren
Denkmalbehörde (Stadt/Gemeinde) und/oder dem LWL zu melden, die bei Sondierarbeiten gemachten
Funde sind halbjährlich inklusive Fundstelle dem LWL zu melden und dann ist der Oberen
Denkmalbehörde/Kreis Höxter noch jährlich ein Bericht über die tatsächlich begangenen Flächen
und die gemachten Fundmeldungen vorzulegen. Bei einem durchschnittlich aktiven Sondengänger
kommen auf diese Weise, um den gesamten meldetechnischen Vorgang korrekt abzuarbeiten, schnell
ein Dutzend Schreiben an drei verschiedene Behörden zusammen. Bei soviel Bürokratie können
auch einem gewissenhaften Sondengänger Fehler unterlaufen und schlimmer noch der Freizeitspaß
am Sondeln gründlich vergehen6).
Doch schauen wir uns die beiden gravierendsten Verstöße, die Herrn Stelter vorgeworfen werden,
einmal näher an: Vom LWL wird er beschuldigt, er nehme trotz Untersagung durch die Auflagen
der Genehmigung, auch Schürfungen auf Wiesen und in Wäldern vor, wo es keinen Pflughorizont
als Schutzschicht für die darunterliegenden archäologischen Schichten gibt. Herr Stelter hat
dazu klargestellt, dass – sollte sich diese Unterstellung auf den Fundort des Siegels
beziehen – hier ganz klar ein Missverständnis vorliegt. Die ›Wiese‹ sei nämlich definitiv
nach Aussagen von ansässigen Landwirten ein brachliegender Acker. Hier wird ein grundsätzliches
Problem bezüglich der in der Grabungserlaubnis verwendeten Begriffe Wiese und Wald deutlich.
Diese aus der Umgangssprache stammenden Begriffe verlieren in der modernen Kulturlandschaft
zunehmend an Bestimmtheit und bodendenkmalpflegerischen Orientierungswert. Was ist eine Wiese?
Dauergrünland lautete einmal die relativ eindeutige Antwort. Aber zählen auch brachgefallene oder
wiederbegrünte Ackerflächen und regelmäßig gepflügte und eingesäte Vielschnittwiesen dazu? Im
Übrigen ist so gut wie jede Grünlandfläche schon mal, im Rahmen eines Pflegeumbruches oder um
Ortsstein zu beseitigen, unter den Pflug genommen oder gegrubbert worden. Mit anderen Worten:
In der modernen, zunehmend intensiver genutzten Kulturlandschaft handelt es sich bei der in
Grabungserlaubnissen vielzitierten unberührten Bodenschicht unter der Grasnarbe mehr und mehr
um ein archäologisches Phantom.
Genauso gut kann man fragen: Was ist ein Wald? Sind mit Pioniergehölzen besiedelte verbrachte
Ackerflächen auch Wald im Sinne der Grabungserlaubnis? Oder gelten die gesetzlichen Definitionen
für Wald? Nach dem Landesforstgesetz NRW zählen auch Wallhecken als Wald. Nach dem Bundeswaldgesetz
zählen sogar Waldwege oder Wildäcker mit zum Wald und darunter ist der Boden alles andere als
gewachsen. Weiter könnte man fragen, wie steht es um die vielen Aufforstungen auf ehemaligen
Ackerflächen, die in den letzten 30 Jahren im Zuge von Ausgleichsmaßnahmen oder Renaturierungen
angelegt wurden? Und überhaupt, wo heute Wälder sind, waren noch vor weniger als hundert Jahren
vielfach Heide- oder extensiv genutzte Ackerflächen. Sollten nicht gerade die Bodendenkmalschützer
wissen, dass die Landschaft nicht in Stein gemeißelt ist? Und dies trifft in besonderem Maße auf
die oberen 15 bis maximal 40, für Sondengänger relevanten Zentimeter zu, die – glaubt man den
Amtsarchäologen – so wichtig ja sakrosankt für archäologische Fundzusammenhänge sein sollen.
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Links: Der Paderborner Stadtarchäologe Dr. Sven Spiong präsentiert das
gereinigte Siegel des Abtes Jodocus Rosa. Rechts: Der Historiker Hermann Josef Schmalor,
Direktor des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, spürte eine Urkunde
auf, die der Abt vor 427 Jahren mit dem Stempel gesiegelt hatte. Ein Teil des Abdrucks
ist noch erhalten geblieben. (Fotos: LWL)
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Der zweite gravierende Vorwurf, der ihm gemacht wird, lautet, dass er das Paderborner Siegel
des 16. Jahrhunderts zwar dem Museum in der Kaiserpfalz für eine Ausstellung zur Verfügung
gestellt habe, diese und etwaige andere Funde aber dem nicht dem LWL gemeldet wurden. Dieser
Vorwurf ist so absurd, dass man ihn nur mit dem Bildbruch »Das schlägt dem Fass die Krone
ins Gesicht!« kommentieren kann. Aber der Reihe nach: Der Stadtarchäologe von Paderborn
Dr. Spiong, der organisatorisch dem LWL zugeordnet ist, hat das Siegel schon wenige Tage
nach seinem Fund von Herrn Stelter in Empfang genommen und im Gegenzug zugesichert, sich
um alle Formalitäten (Fundmeldung etc.) zu kümmern. Nachdem es von einem Historiker als
Siegel des Abtes Jodocus Rosa identifiziert werden konnte, wurde es im Museum in der
Kaiserpfalz (ebenfalls eine Einrichtung des LWL) der Öffentlichkeit präsentiert. Parallel
dazu wurde vom LWL eine »Frisch vom Feld in die Vitrine« übertitelte Pressemittelung herausgegeben,
die mit dem gereinigten Siegel, der Urkunde mit Siegelabdruck, dem Stadtarchäologen Dr. Sven Spiong,
dem Historiker Dr. Hermann Schmalor und dem Museumsleiter Dr. Kroker bebildert war. Es fehlten
der Finder Herr Stelter, der nur namentlich erwähnt wurde, und sein Ansprechpartner in Sachen
Grabungserlaubnis der LWL-Archäologe Dr. Daniel Bérenger. Liegt hier das Motiv für den absurden
Vorwurf, dass Herr Stelter den LWL nicht über den Fund des Siegels informiert hat? Hätte er nämlich
den laut Genehmigung vorgegebenen Meldeweg eingehalten, dann hätte sich womöglich statt eines
Dr. Spiong ein Dr. Bérenger mit dem Fund des Siegels in der Pressemitteilung
schmücken können7).
Nachdem Herr Stelter mit Schreiben vom 30.09.2012 der LWL-Archäologie für Westfalen/Außenstelle Bielefeld
seine Fundmeldung gemäß Grabungserlaubnis nachgereicht hatte, erhielt er am 05.10.2012 eine relativ
freundliche und sachliche, in Teilen aber auch anmaßend irritierende Antwort von Herrn Dr. Bérenger.
Deren Wortlaut möchte ich dem Leser nicht vorenthalten:
»Ihre Funde sind hier gut angekommen. Danke, und gehen heute an Sie zurück. Unter den
normalen Metallfunden ist nichts, was archäologisch von Belang wäre. Bei den Münzen gibt
es welche, die älter als 1871 und damit numismatisch relevant sind. Da wir aber zur
Zeit keinen Numismatiker haben und ich von der Materie keine Ahnung habe, bekommen Sie
die Münzen sofort zurück aber mit der Bitte, sie erneut vorzulegen, wenn ein Numismatiker
da ist, der sie beurteilen und auswerten kann.
Der künftige Numismatiker und jeder Restaurator, der ihre Münzen zu Gesicht bekommt,
wird über Ihre brutale Reinigung schimpfen. Bitte nur mit Wasser von der Erde befreien
aber sonst nichts unternehmen, was die Substanz angreift!
Die Auflage 4 von Ihrer Sucherlaubnis vom 19.09.2011 hatten Sie nicht beachtet.
Sie ist jetzt nachträglich in etwa erfüllt. Sollten Sie einen Bericht an die Obere
Denkmalbehörde geschickt haben, so bitte ich um eine Kopie. Außerdem möchte ich von
Ihnen eine schriftliche Erklärung, dass Sie sich zukünftig an den Auflagen
Ihrer Sucherlaubnis halten werden und insbesondere niemals in Wald- und Weideland
schürfen werden. Erst dann wird man über eine neue Erlaubnis sprechen können.
Die Koordinaten, die Sie mir angegeben haben, sind Längen- und Breitengrad, mit
denen wir nicht arbeiten können, und nicht Gauß-Krüger-Koordinaten, die wir erwartet
haben. In diesem Fall ist es nicht wichtig, weil sie jeweils einen Kartenausschnitt
beigelegt haben. Aber sollten Sie einen wichtigen Fund entdecken, reicht die Angabe
einer riesigen Ackerfläche als Fundstelle überhaupt nicht. Wichtige Funde müssen
individuelle kartiert werden und zwar mit einer Ungenauigkeit, die nicht mehr
als 5 m betragen darf. Dies kann Ihr GPS-Gerät jederzeit gewährleisten.«
Der informativ belehrende Teil dieses Schreibens (Reinigung von Münzen, Kartierung
von Funden) zeigt, dass ein Schulungsangebot für Sondengänger den Amtsarchäologen
viel Schreibarbeit ersparen könnte (vgl. hierzu Anm. 6). Da könnte man z. B. diskutieren,
woran man einen »wichtigen Fund« im Feld erkennt und warum er auf 5 m genau kartiert
werden soll, wo doch laut Grabungserlaubnis nur in einem Horizont gesucht werden darf,
in dem Pflugarbeiten Metallstücke quer über den Acker geschoben und aus jeglichem
Fundzusammenhang herausgerissen haben. Zudem zeigt das Eingeständnis, dass beim LWL
gerade kein Numismatiker verfügbar ist, dass es wohl personelle Engpässe gibt und
verspätete Fundmeldungen nicht zwangsläufig zu Erkenntnisverlusten führen. Kommen
wir nun zum anmaßend irritierenden Teil des Schreibens. Der besteht in der Forderung,
dass Herr Stelter eine schriftliche Erklärung abgeben soll, sich zukünftig an die
Auflagen der Sucherlaubnis zu halten und insbesondere niemals in Wald- und Weideland
zu schürfen. Diese Erklärung soll – wie mir Herr Stelter mitteilte – sogar notariell
beglaubigt werden, um von Herrn Bérenger akzeptiert zu werden. Angesichts solcher
Behördenwillkür möchte man kommentieren: Hier feiert der Amtsschimmel fröhliche
Urständ und schießt mit Kanonen auf Spatzen. In der Bundesrepublik Deutschland
sind in den letzten Jahrzehnten im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft
mehrere Hunderttausend Hektar Wiesen tiefgepflügt und in Äcker umgewandelt und
eine große Zahl von Bodendenkmalen unkartiert zerstört worden. Dieser Zerstörungsfeldzug
hat auch den Zuständigkeitsbereich der LWL - Außenstelle Bielefeld nicht verschont.
Fragt sich, von wie vielen Landwirten Herr Bérenger in all den langen Jahren seiner
Diensttätigkeit eine notarielle Erklärung verlangt hat, niemals Wiesen umzupflügen?
Sollte die Antwort ›größer als Null‹ lauten, werde ich darüber berichten.
Herr Stelter sieht keinen vernünftigen Grund, weshalb er die an Nötigung grenzende notarielle
Unterlassenerklärung abgeben soll, zumal sie für ihn neben der Gebühr für die Grabungserlaubnis
mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Dr. Bérenger weigert sich deshalb, sein fachliches
Einverständnis für die Verlängerung der Grabungserlaubnis zu geben. Die Obere Denkmalbehörde
hat Herrn Stelter auf Nachfrage mitgeteilt, dass von ihrer Seite der Verlängerung nichts im
Wege steht, man aber ohne das OK des LWL-Archäologie für Westfalen nichts machen könne. Diese
Auskunft ist nicht korrekt, denn laut Denkmalschutzgesetz NRW muss die Genehmigungsbehörde
ihre Entscheidung nicht im Einvernehmen, sondern nur im Benehmen mit der Fachstelle treffen.
D. h., sie kann sich aus sachlichen Gründen über die Bedenken der zu beteiligenden Stelle
hinwegsetzen. Offenbar fällt es dem zuständigen Sachbearbeiter schwer, seinen gesetzlichen
Ermessensspielraum auszuschöpfen und sich über die haarsträubende Forderung Bérengers
hinwegzusetzen. Ich vermute, dass er sich den Vize-Chefarchäologen des LWL, der als
archäologisches Urgestein gilt, nicht zum Feind machen möchte. Dazu passt die neuste
Entwicklung, denn der zuständige Sachbearbeiter hat angekündigt, sich für die Verlängerung
der Genehmigung Beistand von höherer Stelle zu suchen. Nach der ausführlichen Darstellung
dieser Behördenposse sollen abschließend noch einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis
von Sondengängern und Amtsarchäologen angefügt werden.
Der Archäologe André Schöllen hat in der erstmals 1986 veröffentlichten Denkschrift »Vom
besonnenen Umgang mit Metalldetektoren« festgestellt, dass moderne Baumaßnahmen und eine
intensive Landwirtschaft wesentlich mehr Kulturgüter schädigen als das Detektorhobby.
Zudem seien unterbesetzte Bodendenkmalpflegeämter ihrer gesetzlichen Aufgabe kaum gewachsen
und dringend auf die Mithilfe von Privatleuten angewiesen. Statt Sondengänger mit
Strafanzeigen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen zu drohen, sollten die zuständigen
Denkmalbehörden gütlich auf sie zu gehen und die freiwilligen Helfer in ihrer Arbeit
einbinden. Die Zeit sei gekommen, um gegen Pauschal(vor)urteile gegen Metalldetektoren
und ihre Benutzer anzukämpfen und um das Metallsuchgerät als archäologisches Hilfsmittel
zu rehabilitieren8). Berufsarchäologen seien mehr denn je gefordert, umzudenken
und Hobbysucher als Partner statt als Kriminelle zu betrachten9). In NRW bestehen besonders
gute gesetzliche Voraussetzungen für die Einbindung von Sondengängern in die Arbeit der
Berufsarchäologen, denn hier gibt es im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern kein
Schatzregal. Die Funde gehören nicht automatisch dem Staat, sondern zu 50 % dem Finder
und 50 % dem Grundstückseigentümer10). Sie werden nur zur Bestimmung für längstens ein
halbes Jahr dem zuständigen Amt für Bodendenkmalpflege überlassen. Bei sehr interessanten
Stücken werden Finder und Grundstückseigentümer gefragt, ob sie die Stücke verkaufen oder
zur Leihgabe einem Museum überlassen möchten. Die Sondengänger haben also keinen Grund, ihre
Funde zu verheimlichen, es sei denn, sie möchten einen potenziellen Erlös nicht mit dem
Grundbesitzer teilen.
Die Amtsarchäologen sollten Sondengänger daher nicht mit Paragraphen gespickten Merkblättern
einschüchtern und sie als lästiges Anhängsel betrachten, das es möglich kurz zu halten gilt.
Ein eindrückliches Beispiel, wie man Sondengänger verschreckt und in die Illegalität treibt,
ist die bereits zitierte Denkschrift
von Bérenger (2002) über den Umgang mit Metallsondengängern.
Darin heißt es, die Bodendenkmalpflege muss alles versuchen, um den Einsatz von Metalldetektoren
durch Dritte zu verhindern und eine Meldepflicht für Metalldetektoren fordern. Zudem sollen darin
Sondengänger eingeschüchtert werden: »Schatzsucher von OWL und Umgebung merkt Euch das und lasst
endlich die alte Wallburg in Ruhe! Einer von Euch ist übrigens erwischt worden und wird zur
Verantwortung gezogen.« Solche Formulierungen mögen rechtlich einwandfrei sein, aber nicht
alles was rechtens ist, ist auch gut für die Sache, in diesem Fall den Schutz von Bodendenkmalen.
Bérenger hängt immer noch der alten Auffassung an, dass Objekte, die Jahrhunderte im Boden überlebt
haben, eine beschleunigte Vernichtung durch Raubgrabungen droht. Tatsächlich bekommen in der intensiv
genutzten Kulturlandschaft die ›Spaßgrabungen‹ der Sondengänger zunehmend den Charakter von
Rettungsgrabungen. Die Amtsarchäologen tun daher gut daran, Sondengänger nicht zu vergraulen
und sie kooperativ und auf Augenhöhe in ihre Arbeit einzubinden. Ich könnte mir gut vorstellen,
dass ein Ombudsmann, der in Konfliktfällen zwischen Denkmalbehörden und Sondengängern vermittelt,
für beide Seiten sehr hilfreich wäre.
Nachbemerkung
Während man in Deutschland den Eindruck hat, dass die Denkmalpfleger einen Fund lieber im Boden
verrotten lassen, als dass ihn ein Metallsondengänger findet, geht man in England ziemlich entspannt
mit dem Volkssport Schatzsuche um11): Dort haben sich die Schatzsucher in einer landesweiten
Organisation zusammengeschlossen, die von der Regierung anerkannt ist. Fast 95 % aller Altertumsfunde
gehen inzwischen auf das Konto von Hobbyarchäologen. Außer in archäologisch abgegrenzten Bereichen
ist die Schatzsuche überall erlaubt. Natürlich gibt es in England auch Raubgräber, die sich heimlich
über archäologische Fundstätten hermachen, aber die gibt es trotz strenger Gesetzgebung auch in
Deutschland. In England hat man die Schatzsuche liberalisiert, weil die größten Gefahren für Bodenfunde
nicht von Sondengängern ausgehen, sondern vom Pflug und den in der Intensivlandwirtschaft verwendeten
Chemikalien. Kein Wunder, dass in England heute drei Mal soviel römische Goldstücke gefunden werden
wie im restlichen Europa. In Deutschland sind Ausgrabungen von Hobbyschatzsuchern der Albtraum fast
eines jeden Archäologen und werden als Diebstahl am Kulturerbe der Gesellschaft betrachtet. Dabei
wird immer wieder das Zauberwort ›Zerstörung des Fundzusammenhanges‹ ins Gefecht geworfen. Das ist
aber nur vorgeschoben, denn tatsächlich wachen die Archäologen eifersüchtig über ihr unterirdisches
Reich und zwar obwohl, sie wissen, dass die Zeit gegen sie und ihre sakrosankten ›Fundzusammenhänge‹
arbeitet. Jeder archäologisch interessierte Laie weiß, dass unsere intensiv genutzten Böden nicht mit
den Verhältnissen in Pompeji vergleichbar sind, wo nicht geborgene Funde auch noch für spätere
Archäologengenerationen erhalten bleiben. Wenn sich die deutsche Archäologenschaft weithin dieser
Realität verschließt, muss man vermuten, dass sie am Gollum-Syndrom leidet:
›Garstige kleine Raubgräber! Böse, tückisch falsch! Sie haben uns den Schatz gestohlen!‹
Anmerkungen
1) U. a. hatte ich moniert, dass Bérenger seine weitgehenden Aussagen über das
Sommerlager des Varus aus der Befindlichkeit seines Körpers (»Ich spüre das in meinen Knochen«)
statt aus der (äußert dünnen) Befundlage herleitete. Bekanntlich lösten sich Bérengers
kundige Spekulationen (»hier war vermutlich die Kommandantur des Varus…«) vollständig
in heiße Luft auf. Aus dem Sensationsfund des Sommerlagers des Varus wurde ein römisches
Marschlager, das dem zeitweiligen Aufenthalt von römischen Legionären diente.
2) Herr Stelter arbeitet nicht in einem warmen Büro mit einer geregelten
Arbeitszeit, sondern ist LKW-Fahrer in einer Tiefbaufirma. Und das ist nicht nur ein
Knochenjob, sondern oft auch ein Zehnstundentag, weil LKW-Fahrer als Materialanlieferer
und -abfahrer am Morgen oft die ersten und am Abend die letzten Mitarbeiter auf einer
Baustelle sind. Ohne Frage sollten solche hart arbeitenden Stützen der Gesellschaft von
Mitarbeitern einer dem Gemeinwohl verpflichteten Behörde mit Nachsicht behandelt werden,
soweit sie nur fahrlässig und nicht vorsätzlich gegen eine reichlich mit Auflagen bewehrte
Genehmigung verstoßen und keinen erkennbaren Schaden angerichtet haben.
3) Ob Herr Stelter – wie vermutlich viele andere Sondengänger – schon vor diesem
Antrag in Feld, Wald und Wiese gesondelt, oder ob er nur im Sandkasten seines Sohnes nach
Cent-Münzen oder in seinem Garten nach einem verlorenen Ohrring gesucht hat, ist in diesem
Zusammenhang irrelevant. Von Interesse ist hier nur, dass Herr Stelter mit seinem Antrag
dokumentiert hat, sein Hobby legal auszuüben und mit den Behörden zu kooperieren.
4) Eine gesetzlich verankerte Anzeigepflicht des Erwerbs und des Besitzes von
Metalldetektoren würde laut Bérenger (2002) »die Zahl der hinzukommenden Metalldetektoren
einschränken, die Bodendenkmalpflege zumindest theoretisch (Zeit- und Personalintensität!)
in die Lage versetzen, sämtliche Schatzsucher zu kennen, mit ihnen in Kontakt zu treten,
um sie über die Rechtslage zu belehren, und bei Verstößen gegen das Denkmalschutzgesetz
(Raubgrabungen) den Kreis der in Frage kommenden Täter klein und übersichtlich halten.«
Was Bérenger als »rechtlichen Regelungsbedarf« zum Nutzen des Schutzes von Bodendenkmalen
bezeichnet, ist wohl eher ein klassischer Fall von Überregulierung. Im Klartext: Hier
sollen ohne Not Bürgerrechte zugunsten des Kontrollwahns eines Bürokraten eingeschränkt
werden, der eifersüchtig über sein Hoheitsgebiet wacht.
5) Die Zerstörungen beschränken sich nicht auf landwirtschaftliche Nutzflächen.
Eine moderne PS-strotzende Holzerntemaschine kann –
wie von mir selbst beobachtet – bei
Durchforstungen durchnässte Waldböden in weit über 50 cm Tiefe verwüsten.
6) Um die Zusammenarbeit zu optimieren und entbürokratisieren, werden z. B. von
der niedersächsischen Landesarchäologie Schulungen zur Theorie und Praxis der Zusammenarbeit
zwischen Sondengängern und Denkmalbehörden angeboten.
7) Nach meinen Eindruck liegt hier der Hase im Pfeffer: Auf dem Rücken eines
arglosen Sondengängers werden berufliche Eitelkeiten ausgetragen! Auch der Stadtarchäologe
Dr. Spiong macht dabei kein gutes Bild, denn der hatte bei der Übergabe des
Siegels (und zweier Silbermünzen) zugesichert, sich um die Formalitäten zu kümmern.
Ich sehe keinen Grund, an den Angaben von Herrn Stelter zu zweifeln: Sie sind plausibel,
er hat sie auch der Genehmigungsbehörde gegenüber gemacht und sie sind bisher unwidersprochen.
8) Schöllen kritisiert, dass altbackene Archäologen den Einsatz von
Metalldetektoren in archäologischen Grabungen ablehnen. Für ihn sind sie genauso
untragbar wie Chirurgen, die den Einsatz von Computertomographen ablehnen. Die Praxis
zeige, dass selbst bei gewissenhaft ausgeführten Ausgrabungen bis zu 90 % aller im Boden
enthaltenen Metallgegenstände auf den Abraumhalden landen.
9) Schöllen vertritt in seinem Beitrag in etwa die gleiche Position, wie in
meinem vorliegenden Beitrag. Angesichts der stark steigenden Zahl von Sondengängern (und Raubgräbern)
sieht er die Situation allerdings heute etwas skeptischer, plädiert aber weiterhin für eine Zusammenarbeit.
10) Herr Stelter hat das wertvolle Siegel, das er auf einem brachliegenden Feld
gefunden hatte, dem LWL großzügig als Geschenk überlassen. Stellt sich die Frage, ob auch der
Eigentümer des Feldes mit dieser Schenkung einverstanden ist und über den Fund informiert wurde?
Dies ist nicht die Aufgabe von Herrn Stelter, denn Herr Dr. Spiong hatte ihm bei der Übergabe
zugesichert, sich um alle Formalitäten zu kümmern. Versäumt ein Finder, einen Eigentümer über
einen Fund zu informieren, spricht das Strafgesetzbuch von Fundunterschlagung. Dem LWL wird
die Gesetzeslage bestens bekannt sein, es irritiert allerdings, dass der Eigentümer des Feldes
nirgends erwähnt wird.
11) Vgl. zum Folgenden den ausgesprochen informativen Artikel »Schatzjagd auf
dem Acker – Mit Metalldetektoren spüren Hobbyarchäologen in England Unmengen historischer
Relikte auf – Preziosen für die Wissenschaft« von Reiner Luyken. – In:
ZEIT-ONLINE vom 16.04.2010.
G.M., 05.01.2013
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- Dr. Daniel Bérenger
Dr. Daniel Bérenger arbeitet seit über 35 Jahren in der LWL-Archäologie für
Westfalen/ Außenstelle in Bielefeld. Seit 1996 ist er auch ihr Leiter und
seit 2002 der Vize-Chefarchäologe des LWL. Er gilt als Experte für die
Ur- und Frühgeschichte Ostwestfalens. Laut Pressmitteilung des LWL vom 10.07.02
zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum machen ihm in seinem Arbeitsalltag
vor allem jene Metallsondengänger zu schaffen, die die ›Spielregeln‹ aus
dem Denkmalschutzgesetz nicht respektieren und sich selbst als Schatzsucher
bezeichnen. Umgekehrt ist es allerdings genauso, denn so mancher Metallsondengänger,
der zunächst mit ihm zusammengearbeitet hatte, hat die Kooperation später wieder aufgekündigt.
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Spektakulärer Fund eines Römerlagers im falschen Jahrhundert
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Fund des fast 5 Meter breiten und 2 Meter tiefen Wehrgrabens, dem
charakteristischen Baumerkmal römischer Militäranlagen, im August 2011. (Foto: Oskar Neubauer)
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Auf einem Pressgespräch am 25.10.2011 gaben die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
den sensationellen Fund eines Römerlagers an der Lippe bekannt. Die Entdeckung wurde ohne Umschweife
als »Jahrhundertfund« bezeichnet, nachdem Westfalens Archäologen letztmalig 1968 in
Anreppen
auf ein Römerlager gestoßen waren oder genauer gesagt von engagierten Heimatkundlern gestoßen wurden.
Bereits 1890 war in der naheliegenden Lippe ein augusteischer Legionärshelm aus Bronze gefunden worden.
Seitdem hätten die Archäologen vergeblich nach weiteren Indizien für den Standort eines Römerlagers gesucht.
Die LWL-Chefarchäologin und Grabungsleiterin Bettina Tremmel betonte, dass das jetzt entdeckte knapp 6 Hektar
große »kleine aber feine Lager« die Lücke zwischen den bereits entdeckten Lagern in Haltern am See und
Bergkamen-Oberaden schließe.1)
Von dem winterfesten Lager aus hätten die Römer den nahgelegenen Flussübergang kontrolliert und »damit
eine der wichtigsten logistischen Landmarken der römischen Eroberer«. Der LWL-Direktor Wolfgang
Kirsch sprach von der »Suche nach einem Puzzle-Stück« und einem »Sensationsfund für die Römerforschung
in Westfalen«. Eine solche Konzentration von Superlativen legt den Verdacht nahe, dass die LWL-Archäologen
über irgendetwas hinwegtäuschen möchten. Schauen wir uns die Fundumstände des Lagers und die Fundberichterstattung
einmal näher an.
Die LWL-Archäologen vergessen zwar nicht zu erwähnen, dass der Entdeckung des Lagers Münz- und Keramikfunde
eines ehrenamtlichen Sondengängers vorausgingen, lassen aber keinen Zweifel daran, dass sie selber es
waren, die die über 100 Jahre andauernde Suche nach dem Römerlager erfolgreich beendet haben und
der Fund vorrangig ein Verdienst der Amtsarchäologie ist. Folglich heißt in der Einladung zum Pressegespräch
lapidar: »Wissenschaftler des LWL haben ein römisches Militärlager an der Lippe entdeckt.« Eine
ausgesprochen forsche Darstellung vor dem Hintergrund der Fundgeschichte.
Der Hobbyarchäologe André Eibisch hatte zwar mit Erlaubnis des LWL aber auf eigene Initiative
und in seiner Freizeit jahrelang systematisch Felder im Raum Olfen nach römischen Artefakten abgesucht.
Im Frühjahr 2009 entdeckte er dann (zusammen mit seinem ebenfalls archäologisch interessierten Eltern)
auf einem frisch umgepflügten Acker, den er aufgrund seiner Lage auf einer Anhöhe und der Nähe zur
Lippe schon lange als Standort für ein Römerlager in Verdacht hatte, eine rote Tonscherbe und drei
Kupfermünzen, die das Bildnis des Augustus trugen.
Die Funde wurden von Eibisch umgehend den Archäologen des Landschaftsverbandes übergeben. Von
denen wurden sie sofort als typische Gebrauchskeramik und Münzen römischer Legionäre erkannt. Aus
unerfindlichen Gründen wurde aber erst zwei Jahre später die Maschenerie in Gang gesetzt, die letztlich
zum Fund des Lagers führte. Im Sommer 2011 wurde von Luftbildarchäologen der Ruhr-Universität Bochum
eine Befliegung des Areals durchgeführt. Dabei wurden in einem Getreidefeld linienhafte Schattierungen
entdeckt, die als Umgrenzung eines Römerlagers interpretiert wurden.
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Luftbildaufnahme, auf der im oberen Bereich die Lippe und südlich des linken Wäldchens das Feld
zu sehen ist, auf dem linienhafte Strukturen entdeckt wurden, die als Teil der Umgrenzung des
Römerlagers interpretiert wurden. (Foto: LWL / B. Song)
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Ferner wurde auf einem Areal eine magnetische Prospektion durchgeführt, um im Erdreich verborgene
Bauwerke aufzuspüren, die Störungen im natürlichen Erdmagnetfeld verursachen. Darüber hinaus wurde
das Areal wochenlang von Sondengängern gründlich abgesucht. Dabei wurde weitere römische Keramik,
über 100 Münzen und Gewandspangen gefunden. Aus gut unterrichteten Quellen wurde mir zugetragen,
dass sämtliche Metallfunde von ehrenamtlichen Sondergängern gemacht wurden, während die Amtsarchäologen
nur eine Fischsaucen-Schüssel... gefunden hätten. Dem LWL war dieser erfolgreiche
Einsatz der Sondengänger keine Erwähnung wert.
Im August 2011 rückte dann schweres Gerät an, mit dem auf dem Areal eine 13 m lange und 2,5 m tiefe
Probegrabung durchgeführt wurde, bei der ein Spitzgraben angeschnitten und Reste einer Holzerdemauer
gefunden wurden. Spitzgräben sind v-förmig eingetiefte Wehrgräben, die typisch für römische
Militärlager sind2). Der Hobbyarchäologe Eibisch, der ja bereits in 2009 die entscheidenden
Funde gemacht hatte, die in 2011 den Anstoß für die zuvor geschilderten Untersuchungen gegeben hatten,
kommentierte die zweijährige Verzögerung sichtlich irritiert: »Mich wundert, dass es nicht schon eher gefunden wurde.«
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Angeschnittener Spitzgraben des Römerlagers Olfen (Foto: LWL / D. Jaszczurok)
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Ohne Frage bedarf es einer gewissen Selbstüberhöhung und -illusionierung, um den Fund des Römerlagers
als erfolgreichen Abschluss einer mehr als hundertjährigen Suche der Amtsarchäologie und nicht als
krönenden Abschluss der beharrlichen Suche eines ehrenamtlichen Sondengängers zu bezeichnen.
Wie schon in Anreppen, waren es aber auch in Olfen nicht die zuständigen Experten, sondern engagierte
Heimatkundler, die den Anstoß für die Lagerfunde gaben. Auch weiterhin bleibt es eines der großen
Rätsel der westfälischen Römerforschung, warum die Amtsarchäologen den Lückenschluss der Lagerkette an
der Lippe so zögerlich angehen.3)
Dazu passt eine Randbemerkung, die ich zufällig in dem Werk »…gesichert von Türmen geschützt vom
Schwert…Die Lösung aller großen Rätsel aus der Römerzeit in Germanien« des ambitionierten Privatgelehrten
Rainer Friebe (1999) gefunden habe4):
»Bei Nachforschungen (...) ergab sich 1980, daß im Raum der Stadt Olfen ein Römerlager existiert
haben muß. Dem damaligen Stadtdirektor von Olfen, Herrn Voß, wurde die vermutete Lage des Römerlagers
am 22.7.1980 mitgeteilt. Er sandte eine Beschreibung mit Datum 22.8.1980 zur Auswertung an das
Landesmuseum für Vor-und Frühgeschichte Münster. Von dort kam am 15.12.1980 die Nachricht,
daß u. a. ›wegen der Topographie‹ des benannten Areals eine Probegrabung für nicht erfolgversprechend
gehalten wird. Gleichwohl vertrete ich nach wie vor die Ansicht, daß es bei Olfen eine
Römerlager gab.«5)
Auch diese Geschichte ist ein Indiz dafür, dass die Landesarchäologie in Sachen Römerlagerforschung
nicht sehr beweglich ist. Mir liegen keine Informationen darüber vor, ob Friebe das Römerlager damals
dort vermutete, wo es jetzt gefunden wurde. Trotzdem hätte der jetzt bejubelte »Jahrhundertfund«
bei zielgerichteter engagierter Suche schon im letzten Jahrhundert gemacht werden müssen. Von
einem »Jahrhundertfund« zu sprechen, halte ich auch deshalb für unangebracht, weil
das 21. Jahrhundert erst gerade begonnen hat.
Wollen wir hoffen, dass sich die Amtsarchäologen mit diesem Fund nicht zufrieden geben und nun
systematisch nach weiteren Lagern an der Lippe z. B. in Hamm, Lippborg, Lippstadt oder Paderborn-Neuhaus
suchen.
Anmerkungen
1) Diese Aussage ist so nicht korrekt, denn bei dem Lager handelt es sich um ein befestigtes
Standlager mit rund 1000 Mann Besatzung. Deshalb fehlt im Raum Olfen immer noch ein erheblich
größeres Marschlager, das die Lücke zwischen Haltern und Oberaden schließt. Hinzu kommt, dass
das Lager nach Aussagen des LWL-Chefarchäologen nur von 11 bis 7 vor Chr. bei Vorstößen des
Feldherrn Drusus genutzt wurde, während der Feldzüge des Tiberius und Varus also gar nicht
als Versorgungs- und Verteidigungsbasis gedient hat.
2) Seltsam ist, dass der LWL noch Ende September 2011 als schon sicher war, dass
ein Römerlager gefunden wurde, Anfragen der Presse mit der ausweichenden Bemerkung
beantwortete »Wir können noch nichts Genaues sagen, aber die Scherben sehen römisch aus«.
Es besteht kein Zweifel, dass zu diesem Zeitpunkt schon das Pressegespräch in Vorbereitung war,
auf dem kaum vier Wochen später der »Jahrhundertfund« bejubelt wurde.
3) Neben dem Fund des Legionärshelms in der nahegelegenen Lippe, gab es noch einen
weiteren gewichtigen Grund systematisch nach einem Römerlager in Olfen zu fahnden. Bereits 1960
hatte Kurt Tackenberg (1899-1992), der damalige Doyen der Ur- und Frühgeschichtsforschung,
die Theorie entwickelt, dass es an der Lippe Lagerketten gegeben haben muss, deren ›Glieder‹ einen
Tagesmarsch von einander entfernt lagen. Es lag also auf der Hand, dass es in Olfen in der Mitte
zwischen dem 1838 bzw. 1905 entdecken Lagern in Haltern und Oberaden liegt, ein weiteres Lager
geben musste.
4) Der nicht gerade bescheidende Titel von Friebes Werk zeigt, dass er in Sachen
Selbsteingenommenheit den Amtsarchäologen in nichts nachsteht. Gleichwohl ist sein Werk empfehlenswert,
in dem er für die Suche nach dem Ort der Varusschlacht eine auf den erst Blick irritierende, aber
durchaus plausible und gut dokumentierte Lösung anbietet.
5) Die Probegrabung wurde abgelehnt, obwohl der damalige Stadtdirektor von Olfen außerordentlich
hilfsbereit und interessiert war und seinerzeit angeboten hatte, die Sondiergrabungen selbst zu bezahlen.
G.M., 27.11.2011
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Mit schwarzen Pfeilspitzen markierte Luftbild-Konturen des Römerlagers "Am Kaninchenberg" in
Olfen-Sülsen. Auch zweitausend Jahre nach seinem Bau zeichnet sich der Umriss des Lagers als
helle Linie in einem noch grünen Getreidefeld ab.
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Warum Varus nicht zur Ruhe kommt – Über die Erkenntnisse und Funde eines begeisterten Hobbyarchäologen
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K. H. Denecke (rechts) im Gespräch mit Dr. H. Leiermann1)
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Am 26.11.2009 verstarb K. H. Denecke. Er kam gebürtig aus Halle an der Saale, war gelernter
Zimmermann und arbeitete später als Polier. Denecke hatte zwei Hobbys: Angeln und die Erforschung
der römischen Geschichte an der Lippe. Diese beiden Interessen verknüpften sich an den
idyllischen Waldseen
in Lippstadt-Rebbeke, wo er Mitglied in einem Angelverein war, auf eigentümliche Weise.
Die Waldseen sind Baggerseen, die durch Aussandungen und -kiesungen der Niederterrasse der Lippe
entstanden sind. Westlich der Waldseen befand sich ein mit Kiefern, Eichen und Birken bewachsenes
Binnendünengelände, von dem heute nur noch klägliche Reste vorhanden sind. An der Stelle, wo sich
einst die höchste, im Volksmund Myberg genannte Düne befand, steht heute eine Tischtennisplatte.
Hier vermutete Denecke das Grab des Varus. Um dies zu begründen, bediente er sich allerdings – wie
ich später herausfand – Indizien, die aus den Mantinghauser Bergen, einem heute noch erhaltenen
großflächigerem Dünengelände einige Kilometer östlich der Waldseen stammen.
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Topographische Karte (1897, 1: 25.000) von Rebbeke (Blatt Lippstadt) und
Mantinghausen (Blatt Delbrück) ergänzt durch einige in diesem Beitrag relevante Ortsangaben.
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Die Mantinghauser Berge (»Mantger Biärge«) bestehen aus kuppenförmigen Dünenzügen. Sie
sind Teil einer die Niederterrasse des nördlichen Lippeufers begleitenden, ehemals ausgedehnten
Hügellandschaft. Aufgrund ihrer Form und ihrer Lage sollen die Dünen in einer langandauernden
Trockenperiode entstanden sein, bei der südwestliche Winde von der Lippe abgelagerte Auensande
zu Kuppen aufgeweht haben. Lange Zeit hatte man geglaubt, dass diese Dünen in der Nacheiszeit
zwischen 9.000 bis 3.000 v. Chr. entstanden sind. Doch dann fand man an der Basis einer dieser
Dünen eine Tonscherbe, die zu einem Gefäß gehörte, das aus der Zeit um Christi Geburt stammte.
Die (oder ein Teil dieser) Dünenlandschaft war offenbar erst vor weniger als zweitausend Jahren
entstanden. Von den Dünen sind heute nur noch Reste vorhanden, da sie nach der Aufteilung der
Allmende im 19. Jahrhundert der Bodenkultur zum Opfer fielen oder später abgetragen wurden,
weil der feine Sand beste Verwendung im Baugewerbe fand.
Als erster hat der preußische Hauptmann Ludwig Hölzermann die Mantinghauser Berge archäologisch
untersucht. Seine heimatkundlichen Studien wurden 1878 vom Verein für Geschichte und Altertumskunde
Westfalen veröffentlicht und tragen den langen Titel »Lokaluntersuchungen, die Kriege der Römer und
Franken sowie die Befestigungen der Germanen, Sachsen und des späteren Mittelalter betreffend«.
Hölzermann sah in wallähnlichen Teilen der Mantinghauser Sandberge die Reste von künstlichen
Befestigungen eines germanischen Lagers. Von den Wällen sind heute nur noch Reste südlich der
alten Landstraße Mantinghausen-Boke erhalten. Sie trägt heute den Namen »Alte Römerstraße« und
führt aus Richtung Lippstadt kommend zum Römerlager Anreppen. Auf alten Flurkarten nannte man
die Straße »Hellweg«. Offenbar war sie mindestens so bedeutend wie ihre weiter nördlich verlaufende
mittelalterliche Parallele (Soest-Paderborn), die heute Hellweg genannt wird.
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Das Gemeindewappen von Mantinghausen enthält eine Urne als Sinnbild für Gräberfunde
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Die Alte Römerstraße in Mantinghausen war in provinzialrömischer Zeit Teil einer bedeutenden West-Ost-Verbindung
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Die heute noch vorhandene höchste Erhebung der Mantger Biärge heißt im Volksmund »De Galgenknapp«. Die Sage will
wissen, dass dieser Hügel das Grab eines römischen Heerführers birgt. Der Archäologe Tönsmeier (1968) glaubt, dass
die vielen Urnenfunde zur Entstehung dieser Sage beigetragen haben. Tatsächlich befand sich im Bereich der
Mantinghauser Berge ein weitläufiges, in der älteren Eisen- und Bronzezeit belegtes Hügelgräberfeld, dessen
Zentrum Anfang der 1960er Jahre einem großflächigen gewerblichen Sandabbau zum Opfer fiel. Nach Grothmann (1996 )
waren bei einer 1977 vom Westfälischen Museum für Archäologie durchgeführten Inventarisation noch 28 große und
kleinere Grabhügel auszumachen. Insgesamt soll das Gräberfeld über 10 ha groß gewesen sein. Etwa die Hälfte
davon wurde im Rahmen von Aussandungen unbeobachtet zerstört, weil der verantwortliche Unternehmer seiner
Meldepflicht beim Auftreten archäologischer Funde nicht nachgekommen war2).
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Die Mantger Biärge sind mit Kiefern, Eichen und Birken bestandene, bis zu acht Meter hohe Dünenkuppen
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Die höchste De Galgenknapp genannte Erhebung ist durch einen weißen Granitstein markiert
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Im Verlauf der 1960/61 vom Westfälischen Museum für Archäologie durchgeführten Notgrabungen wurden rund
90 Gräber freigelegt. Aufgrund der durchschnittlichen Belegungsdichte wurde für die gesamte Nekropole
eine ursprüngliche Zahl von bis zu 800 Gräbern errechnet. Die Grabhügel waren durch einen umlaufenden
Kreisgraben und Pfostensetzungen markiert. Die gefundenen Urnen enthielten neben Brandbestattungsresten
auch Schmuckfragmente. Ein Kreisgraben bezog sich laut Grothmann nicht auf eine Bestattung, sondern nur
auf eine zentrale Pfostensetzung. Vermutlich handelte es sich hierbei um einen sogenannten Kenotaph.
Das war ein einfaches Grabmal zum Andenken an eine verstorbene Person, deren Gebeine nicht aufgefunden
werden konnten. Der römische Glaube gebot, die Geister der Toten durch diese Fiktion zu besänftigen.
Bei der Weihe wurde der Verstorbene eingeladen, in dem leeren Grab eine Wohnung zu nehmen.
Nach diesem knappen Ausflug in die morphologische und archäologische Geschichte der Mantger Biärge
kehren wir wieder zu Denecke zurück. Der nahm alle Indizien (Germanisches Lager, Alte Römerstraße,
Sage über einen begrabenen römischen Feldherrn sowie Fund eines Kenotaphs) und verschmolz sie im Myberg,
ein Name, von dem er glaubte, dass er sich von ›Mythosberg‹ ableitete. Denecke vermutete, dass der in
Richtung Aliso flüchtende Varus sich im Bereich der heutigen Waldseen in eine Sackgasse manövriert hatte.
Wegen der starken Regenfälle, von denen in alten Quellen berichtet wird, hätte ihm ausufernde Lippe den
Rückzug versperrte. Als seine Lage aussichtslos war, beging er bekanntlich Selbstmord. Seine Leiche
wurde (bis auf den Kopf, der via dem Markomannenkönig Marbod in Rom landete) von den wütenden Germanen
zerfetzt. Der römische Feldherr Germanicus konnte Varus bei seinem einige Jahre später durchgeführten
Vergeltungsfeldzug daher – wenn überhaupt – nur symbolisch beerdigen.
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Wo sich früher der Myberg befand, steht heute eine Tischtennisplatte.
Der Name der Düne hat sich in einer nahegelegenen Straße überliefert.
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An der Stelle des nach dem 2. Weltkrieg zur Bausandgewinnung abgetragenen Mybergs steht heute
eine Tischtennisplatte. Deshalb kann Varus’ Seele – so die Pointe meiner Geschichte – nicht zur
Ruhe kommen, wann immer dort jemand Tischtennis spielt. Allerdings haben meine Nachforschungen
ergeben, dass dort nicht der römische Feldherr Varus, sondern ein Herr My nicht zur Ruhe kommt.
Der wurde zwar nicht in der Düne beerdigt, soll aber – wie mir ein Anlieger der Mybergstraße
berichtete – früher in einer armseligen Hütte in der Düne gelebt haben. Denecke war ein begeisterter
Römerforscher, der in sehr vielen Archiven gestöbert und dort z. T. schwer zugängliche Literatur
gesammelt hatte. Im Kontakt zu anderen Hobbyarchäologen oder ehrenamtlichen Heimatforschern war
er eher zurückhaltend. Wenn er sich aber erst mal eine Idee in den Kopf gesetzt hatte, nahm er
es – wie viele andere Forscher auch – mit der räumlichen und zeitlichen Verortung der Indizien
nicht so genau.
Das will ich ihm hier nicht anlasten, auch wenn mir manche seiner Ideen Kopfzerbrechen bereitet
haben. Erstens ist es völlig normal, wenn eine neue Hypothese mit möglichst vielen (auch zweifelhaften)
Indizien ausstaffiert wird, damit sie überhaupt Aussicht hat, gehört zu werden. Und Zweitens wird
eine solche Überdehnung von Indizien bei der Verortung und Rekonstruktion der Varusschlacht von
hauptamtlicher Seite im viel größeren Maßstab durchgeführt. In Kalkriese wird z. B. ein zufällig
gut erhaltener nachrangiger Kampfplatz aus provinzialrömischer Zeit entgegen aller Logik der
Quellen- und Befundlage zum Ort der Varusschlacht verklärt. Und diese Geschichtsklitterung
geschieht – kaum übersehbar – aus kommerziellen Gründen unter wohlwollender Duldung und/oder
Mitarbeit der Denkmalbehörden und archäologischen Forschung3). Dagegen erscheint mir Denecke
als ein umsichtiger Hobbyarchäologe. Dass er seine Hypothesen nicht als letztgültige Wahrheiten
betrachtete, zeigt schon der Titel seiner folgenden Geschichte:
»Die Forelle vom ›Myberg‹ hat mir eine Sage erzählt...
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Denecke war nicht nur ein begeisterter, sondern wie man hier sieht auch erfolgreicher Angler
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Ja, ich werde dir erzählen, was sich die Eichen auf dem ›Myberg‹ zugeraunt haben. Als Drusus
auszog, um das Reich der Römer bis zur Elbe auszudehnen, zog er hier vorbei: Er besiegte viele
Stämme der Germanen und gelangte bis zur Elbe. Auf dem Rückweg kam er an der Lippe in schwerste
Bedrängnis. In seinem Rücken befanden sich die Cherusker, vor ihm standen die Brukterer. Das
Moor dazwischen war nicht zu überwinden. Im Süden lauerten die Marser. Drusus konnte die Lippe
nicht überqueren. Seine Lage war ausweglos. Aber als er sich schließlich dem Kampfe stellte,
blieb er Sieger. Später legt er am Ort der Schlacht ein Kastell an – dort wo Lippe und Elison
zusammentrafen: Aliso, Brukterer, Marser und Cherusker hatten an jener Stelle eine gemeinsame
Grenze. Das Land westlich von Aliso baute Drusus zu einer Versorgungsstation aus. Zur Sicherung
wurde von ihm ein zweites Kastell angelegt. Den Raum zwischen den Kastellen nutzte er als Sommerlager.
Als Drusus sich nach einem weiteren Feldzug zur Elbe bei einem Reitunfall an der Saale schwer
verletzte, brachte man ihn nach Aliso, wo er starb. Ihm zu Ehren wurde nicht weit von dort
der Drususaltar errichtet. Nun verfügten die Römer über einen gut ausgebauten Stützpunkt. Aber
um sicher zur Elbe vorzustoßen zu können, benötigten sie eine weitere Versorgungsstation. Zur
größeren Sicherheit Alisos wurde das Lager Anreppen vorgeschoben. Das südliche Einfallstor wurde
durch eine weitere Römerstation, Kneblinghausen abgesichert. Erst dann besetzte man das Gebiet
an der Porta Westfalica. Dort war wieder fruchtbarerer Boden. Der uralte Wanderweg zwischen dem
Moor und dem Wiehengebirge wurde gesperrt. Das Gebiet Hartum Loccum befand sich in römischer Hand.
Nun waren die Germanen in diesem betroffenen Landstrich zu Zugeständnissen bereit und wollten mit
den Römern in Frieden leben. Zwei Fürstensöhne der Cherusker – Arminius und Flavius – wurden bei
den Römern ausgebildet, beide nahmen an einigen ihrer Kriegszüge teil und wurden schließlich
römische Bürger. Vier Jahre herrschte ein trügerischer Frieden. Als Quintilus Varus seinen
Stützpunkt an der Weser inspizierte, baten ihn die Germanen, ihnen zur Verstärkung und zur
Sicherung vor räuberischen Überfällen Truppenteile zu überlassen. Varus kam diesem Wunsch nach.
Dann zog sich Varus in sein Sommerlager bei Aliso zurück. Als er dort Hof hielt, wurde ihm durch
Boten übermittelt, fremde unbekannte Stämme würden die Grenzen bedrohen. Trotz aller Warnungen
verließ Varus mit drei Legionen das Lager. Zum Schutz der gesamten Anlagen hatte er zwei Legionen
unter Führung von Asprenas zurückgelassen. Arminius begleitete Varus ein Stück des Weges. Später
trennte er sich von ihm unter dem Vorwand, er wolle seine Truppen schneller zusammenziehen. Und
damit begann das Verhängnis. Varus stolperte blind in eine Falle. Man hatte ihn zur Weser gelockt.
Um schneller zum Brennpunkt des Geschehens vorstoßen zu können, benutzte er die alten Sommerwege der
Germanen, den in Friedenzeiten noch nicht gut ausgebauten zweiten Römerweg. Von Aliso aus nördlich
am ›Delbrücker Rücken‹ vorbei in Richtung Augustdorf. Dann weiter zur Pivitzheide. Dort wird Varus
der Weg verstellt. Gleichzeitig wird der Pass bei Augustdorf gesperrt.
Varus war eingeschlossen. Er kam nicht vorwärts und nicht rückwärts. Die Reiterei flieht. Trotz
aller Verwirrung gelingt es den Römern, an einem Berg ein Lager aufzuschlagen. Varus ist gezwungen,
die Wagen und alle überflüssigen Dinge zu verbrennen. Noch gibt es einen geordneten Rückzug: die
Flucht in Richtung Lippe. Doch nun beginnt ein Leidensweg. Ohne jede Möglichkeit sich zur Wehr zu
setzen, ohne Aussicht, diesem Schicksal entrinnen zu können. Ja, Varus hat zwar ein Land beherrscht,
aber er hat es nicht gekannt.«
(07.08.06, Ende des ersten Teil)
Den zweiten Teil der Geschichte hat Denecke nie geschrieben. Sie hätte sicherlich von Aliso, dem Ziel
von Varus’ heilloser Flucht gehandelt. Denecke vermutete den Standort des Römerlagers Aliso nicht auf
dem Großen Kamp oder dem Heerfeld in Liesborn-Suderlage, sondern im Bereich des heutigen HELLA-Nordwerks
in Lippstadt-Cappel. Da der Standort für alle Zeiten überbaut ist, konnte Denecke, der auch ein fleißiger
Sondengänger war, Indizien für seine Hypothese nur im Umfeld des Werkes sammeln. Im Laufe der Zeit hatte
er eine ansehnliche Zahl von Metallfunden gemacht. Die Funde wurden 2005 von der Außenstelle Olpe
des Westfälischen Museums für Archäologie begutachtet. Da sie vorwiegend aus stark korrodierten Eisen bestanden,
konnten sie nicht sicher angesprochen werden und wurden überwiegend neuzeitlich eingeschätzt. Um sie
genauer anzusprechen, hätten sie allerdings sie geröntgt werden müssen, wofür aber aufgrund noch
abzuarbeitender Prioritätenlisten die Kapazitäten fehlten.
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Von Denecke bei Sondengängen gemachte Metallfunde. Viele dieser Funde identifizierte er
als Ausrüstungsgegenstände römischer Legionäre.
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Wenn es Denecke gelungen wäre, einen Leitfund zu machen, also z. B. eine römische Münze oder römische Keramik,
dann hätten seine Eisenfunde sicherlich einen bedeutenderen Stellenwert gehabt und wären vom Amt für Bodendenkmalpflege
intensiver unter die Lupe genommen worden. Mir gegenüber hat er immer wieder betont, dass es einen solchen
Leitfund geben würden, nämlich einen römischen Ring, der bei Feldarbeiten von einem Bauern gefunden worden
wäre und im Archiv des Westfälischen Landesmuseum für Archäologie lagern würde.
Ein Fundstück war für Denecke
von besonderer Bedeutung (siehe hierzu auch die folgende Abbildung). Es hat einen massiven Rumpf, der nach vorne
spitz und nach hinten flach und leicht nach oben gebogen zulief. Denecke hielt es für ein durchschlagkräftiges
römisches Geschoss, das zur Stabilisierung seiner Flugbahn an seinem hinteren Ende ein Leitwerk besaß.
Er war davon überzeugt, dass es aufgrund seiner Fernwirkung zur Verteidigung von Aliso vor anstürmenden
Germanen abgeschossen worden war.
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Handelt es sich bei diesen Funden, um in der Literatur bisher nicht beschriebene römische Geschosse? 4)
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Wir wollen und können hier nicht entscheiden, ob die in der Abbildung dargestellten Fundstücke in
Zusammenhang mit dem berühmten Römerlager »Aliso« stehen. Zumal Schoppe (2009), der sich auch mit
Denecke beraten hat, plausible Indizien dafür zusammengetragen hat, dass es vermutlich zwei Kastelle
mit dem Namen Aliso gegeben hat. Ein frühes von Drusus 11 v. Chr. in Lippstadt-Cappel an der Mündung
der Glenne in die Lippe zum Schutz des dortigen Hafen und der bedeutenden Heerstraßen gebautes
Kastell (Aliso I) und ein späteres von Tiberius 4/5 n. Chr. am oberen Lippelauf bei Paderborn-Elsen
den Cheruskern direkt vor die Stirn errichtetes Lager (Aliso II). Die Frage, die hier von Interesse
ist, lautet, ob es sich bei den Fundstücken um ein bisher in der Literatur nicht beschriebenes römisches
Geschoss handelt. Bevor die hauptamtlichen Archäologen darüber ein abschließendes, vermutlich negatives
Urteil fällen, sollte ein Ballistiker hinzugezogen werden, der zunächst einmal prüft, ob ein solcher
Geschosstyp eine kalkulierbare Flugbahn hat.
Anmerkungen
1)Am 10.03.2007 bei der Eröffnung der Ausstellung »1. VARUS JAHR« im Wiehager Kunsthaus
in Schieder Schwalenberg. Die Ausstellung war von dem Essener Architekten Dr. Horst Leiermann organisiert
worden. Er zeigte darin anhand von antik-heidnischen Fresken,
die im Westwerk des Klosters Corvey gefunden
wurden, dass Corvey nicht auf karolingische, sondern römische Ursprünge zurückgeht.
2)Der Unternehmer behauptete, er habe von der Meldepflicht nichts gewusst. Eine Ausrede, die
man bei Bodenfunden immer wieder hört und wohl eher wirtschaftlich begründet als wahr ist. Die Unternehmen
fürchten, dass es durch die archäologische Sicherung von Funden zu kostenintensive Verzögerungen kommt.
Allerdings liegt in diesem Fall auch ein Fehlverhalten der öffentlichen Stellen vor, denn großflächige
Abgrabungen bedürfen einer behördlichen Genehmigung. Und dass es in Mantinghauser Bergen ein Gräberfeld
gab, war allgemein bekannt.
3) Aufgrund der Quellenlage zweifelt z. B. kaum ein ernstzunehmender Archäologe daran,
dass Aliso an der Lippe gelegen hat. Wenn die Varusschlacht in Kalkriese im Osnabrücker Land stattgefunden
hätte, hätten sich die Überlebenden fast 100 km durch feindliches germanisches Gebiet flüchten müssen,
um das sichere Lager Aliso zu erreichen. Ein schlicht undurchführbares Unterfangen. Eine eindrucksvolle
Abrechnung mit Kalkriese als vermeintlichen Ort der Varusschlacht
findet sich in Schoppe (2009) im Kapitel: »Geschichtsklitterung in Kalkriese – Archäologie auf Abwegen«
4) Das hellere Stück ganz links auf der Abbildung ist ein ähnlicher Fund, der von Eugen Teigeler
in der Nähe eines anderen vermuteten Lagerstandorts gemacht wurde. Herr Teigeler ist ein Nachfahre der
Familie Teigeler, deren Mitglieder über viele Jahrhunderte als Ziegelmeister der Cappeler Kloster – bzw.
Stiftsziegelei in Liesborn-Suderlage tätig waren und in unmittelbarer Nähe der Ziegelöfen wohnte.
Die Familie verdankt dem ausgeübten Beruf ihren Namen (Teigeler = Ziegler). Herr Teigeler erforscht
seit über 35 Jahren in Zusammenarbeit mit dem Museum für Archäologie in Münster die Geschichte
und die Produktpalette der sog. Cappelschen Ziegelei.
Literatur
Grothmann, Detlef (1996): 750 Jahre Stadt Salzkotten. Geschichte einer westfälischen Stadt. – Stadt Salzkotten
Hölzermann, Ludwig (1878): Lokaluntersuchungen der Kriege der Römer und Franken sowie der Befestigungsmanieren
der Germanen, Sachsen und des späten Mittelalters betreffend. – Herausgegeben von dem Vereine für Geschichte
und Altertumskunde Westfalens. – Münster
Hückelheim, Karl-Heinz (2003): Das Lippedorf Mantinghausen. – Paderborn
Lotze, Franz (1949): Das Alter der Dünen bei Mantinghausen an der oberen Lippe.– In: Natur
und Heimat, Jg. 9, H. 3, 19-26. – Münster
Schoppe, Siegfried (2009): Varusschlacht, Bd. II. – Norderstedt
Teigeler, Eugen (2000): Die ›Cappelsche Ziegelei‹ in der Liesborner Bauernschaft Suderlage.– In:
Westfalen - Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Mitteilungen des Vereins für Geschichte
und Altertumskunde Westfalens, des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, des
LWL-Amts für Denkmalpflege in Westfalen und des LWL-Museums für Archäologie. Bd. 78, 393-406
Tönsmeyer, Josef (1968): Das Lippeamt Boke. – Amtsverwaltung Salzkotten-Boke
G.M., 10.09.2011
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Römerlager bei Lippstadt
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Abb. 1: Bisher bekannte Römerlager an der Lippe: 5: Dorsten-Holsterhausen, 6: Haltern, 7: Oberaden, 8: Lünen-Beckinghausen, 9: Anreppen, 2: Xanten Vetetra (Rhein)
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Schon seit langem ist bekannt, dass die Römer entlang der Lippe Lagerketten hatten, die aus Etappen- oder Standlagern
bestanden. Ausgehend vom Rhein sind bekannt Holsterhausen, Haltern, Beckinghausen/Oberaden und Anreppen. Da eine
römische Legion mit schwerem Gepäck eine durchschnittliche Tagesstrecke von 20 bis 25 km zurücklegte, war dies auch
der maximale Abstand zwischen den Lagern. Schon bei oberflächlicher Betrachtung sticht ins Auge, dass zwischen den
bekannten Lagern Oberaden und Anreppen eine ca. 80 km große Lücke klafft. Und es drängt sich die Frage auf, warum
die Amtsarchäologen sich nicht schon längst daran gemacht haben, diese Lücke zu schließen - zumal sie heute über
moderne Methoden der Fernerkundung verfügen, und in den vorhandenen Lücken gezielt nach Lagerstandorten suchen könnten.
Vielleicht sollten sich die Amtsarchäologen ein Beispiel an ihren Vorgängern, also den Altertumsforschern des 19. und
frühen 20. Jahrhunderts nehmen. Die waren viel aufgeschlossener dafür, Indizien für neue Lagerstandorte zusammenzutragen
und zwar Indizien von hohem Wert, weil die Landschaft damals noch nicht so intensiv bewirtschaftet war und noch viel
mehr Spuren römischer Besiedlung wie Straßen, Lagerwälle oder Gebrauchsgegenstände enthielt.
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Abb. 2: Vermutete Römerlagerstandorte westlich von Lippstadt: I: Lager auf dem Heerfeld gegenüber
der Einmündung der Gieseler in die Lippe, II: Lager auf dem großen Kamp an der Einmündung der Glenne in die
Lippe, III: Lagerstandort in Lippstadt-Cappel, IV: Trapezförmiger Altarm der Lippe, möglicher Hafenstandort für
das Lager auf dem Heerfeld.
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Abb. 3: Englische Luftaufnahme (1945) vom Lippealtarm vor dem Heerfeld (linker Bildrand, Mitte), der Einmündung
der Gieseler (linker Bildrand, unten) und der Glenne (rechter Bildrand, oben) in die Lippe sowie Gut Nomekenhof
(oberer Bildrand, Mitte). Deutlich ist die regelmäßige Trapezform des Altarms zu erkennen, von der nur schwer vorstellbar
ist, dass sie ohne menschliche Bearbeitung durch natürliches Mäandrieren entstanden ist.
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Wie so oft ist es engagierten Hobby-Archäologen zu verdanken, dass die Erkenntnisse dieser Altertumsforscher
nicht völlig in Vergessenheit geraten sind. In Zusammenhang mit dem hier anstehenden Thema möchte ich den inzwischen
verstorbenen Oberstudienrat Rolf Bökemeyer nennen. Bökemeyer (2004) vermutete westlich von Lippstadt-Cappel in der
Nähe der Einmündung der Glenne in die Lippe drei Lager, die zusammen mit den Standlagern Anreppen und
Paderborn-Neuhaus den berühmten Winterlagerstandort 4/5. Chr. des aus vier Legionen bestehenden Tiberiusheeres
mitten im freien Germanien gebildet haben sollen. Kommen wir zunächst zu dem Kleinsten der Lager, das auf der
Karte mit römisch II beschrieben ist und nördlich des Gutes Schulte-Nomke (heute Nomekenhof) auf dem
großen Kamp liegt. Über dieses direkt an der Mündung von Glenne und Lippe gelegene Lager wurde bereits 1838 von
Oberstleutnant F. W. Schmidt in seinen Tagebuchnotizen berichtet. Sie wurden posthum 1859 in
der »Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde« veröffentlicht. In den von seinem Bruder,
dem königlichen Mayor D. E. Schmidt, herausgegebenen Tagebuchnotizen heißt es:
»In dem westlichen Mündungswinkel der Glenne liegt der zu Schulte Nomke gehörige große Kamp und alte
Garten, der im Osten durch die Glenne, im Süden durch die Lippe, um im Norden und Westen durch einen
breiten, aus der Glenne abgeleiteten und jetzt aus Wiesen bestehenden, sumpfigen Graben, ›die Stroth‹
genannt, begrenzt wird, so dass der große (grote) Kamp und alte Garten ein über die ganze Umgegend
erhobenes und rings von Wasser und Sumpf umgebendes Viereck von ca. 30 Magdeburger Morgen [~ 8 ha] bildet.
Von den Quellen bis zur Mündung der Lippe findet sich kein Terrainpunkt, der für eine militärische
Position, wie sie Drusus gegen die Cherusker und Sucamber brauchte, geeigneter gewesen. (...) Im
Übrigen ist außer ein paar römischen Münzen, einer bleiernden Schleuderkugel, einer großen Camée,
den Kopf Maecenas darstellend, und den römischen Altertümern, die bei Schiffbarmachung der Lippe an
der Glenne-Mündung gefunden worden sind, so viel ich habe ermitteln können, in den letzten Jahren hier
nichts entdeckt worden, was jedoch nicht wundern darf, da Schulte Nomke ein uralter sächsischer Hof
und die Gegend um den selben seit Jahrhunderten kultiviert ist.«
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Abb. 4: Preußische Uraufnahme 1839; Die Ackerfläche der »große Kamp« liegt auf dieser Karte nördlich des Ortes Hellinghausen bzw. der Flurbezeichnung »Im Mersch«
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Ergänzend ist in den LIESBORNER SPUREN (1998) herausgegeben von Wilhelm Grabe et al. zur Fundsituation
Folgendes zu lesen: »Im Mündungsgebiet von Glenne und Lippe wird ein Römerlager vermutet. So berichtet
Franz Darpe von dem Fund einer Kamee (geschnittener Stein mit erhaben gearbeiteter Darstellung) und
römischen Ziegeln. Die Kamee soll das Bild des römischen Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa
(63-12 vor Christus) getragen haben. Pater Ferdinand Tyrell aus dem letzten Liesborner Konvent schreibt
über den Fund einer römischen Amphore (großer bauchiger Krug aus gebranntem Ton mit engem Hals und zwei
Henkeln für Wein, Öl usw.) in der Nähe der Glennemündung. Im Oktober 1980 fand ich auf einem Erdhaufen,
dessen Material von einem Bagger aus der Lippe in der Nähe des Nomekenhofes ausgebaggert war, eine größere
Topfscherbe, die nach Aussage des damaligen Grabungsleiters in Xanten und Alfred Zeischka (...) aus der
römischen Kaiserzeit stammt.« In »Die römischen Militärstrassen an der Lippe und das Castell Aliso« ist
der Autor Prof. Dr. J. Schneider (1878) davon überzeugt, dass sich im Mündungsgebiet von Glenne und Lippe
nicht nur ein Marschlager, sondern ein dauerhaft befestigtes Kastell befunden hat:
»In dem westlichen Winkel, welchen beide Flüsse mit einander bilden, liegt die Befestigung auf dem
sogenannten grossen Kamp, einer vielseitig erhöhten Ackerfläche, welche grösstenteils von Sümpfen
umschlossen ist. (...) Auch die künstliche Umfestigung scheint eine sehr bedeutende gewesen zu sein,
wie aus der ansehnlichen Breite der noch vorhandenen Gräben hervorgeht, bestand jedoch nur aus Erd- und
Holzwerk, wie alle römischen Befestigungen in Westfalen, wo bis jetzt nicht die geringste Spur römischen
Mauerwerk nachgewiesen ist. In den Marschlagern werden, bei dem jedesmaligen nur kurzen Aufenthalte der
Truppen, keine römischern Alterthümer, nicht einmal ein Spur von Ziegeln gefunden; dagegen fand ich auf
dem grossen Kamp Fragmente von römischen Ziegeln und außerdem kamen früher römische Münzen und andere
daselbst zum Vorschein. Aus allem dem geht hervor, dass auf dem grossen Kamp bei Schulte Nomke nicht ein
gewöhnliches Etappenlager, sondern ein für den längeren Aufenthalt der Truppen bestimmte Befestigung, ein
Castell, gestanden hat, welches sich durch seine wohlgewählte, geschützte Lage und starke Umfestigung vor
allen übrigen auszeichnet (...).«
Für Oberstleutnant F. W. Schmidt und Prof. Dr. J. Schneider besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei
dem Lager auf dem großen Kamp nicht um irgendein Kastell, sondern um das berühmte Aliso gehandelt hat, also
das einzige Römerlager, das die Germanen nach der vernichtenden Niederlage der römischen Legionen in der
Varusschlacht nicht erobern konnten. Schneider resümiert. »Wer nach diesen Darlegungen das Castell Aliso
nicht selbst zu finden weiss, für den wird es überflüssig sein, noch besonders darauf hinzuweisen.«1) Schmidt
vermutet, dass sich der Name Aliso von dem Namen des Baches ›Liese‹ ableitet, der der Glenne aus Richtung
Liesborn kommend zufließt: »Gegen die gewöhnliche Annahme versicherte dem Verf. ein Bauer, dass man den Fluß
bis zur Mündung ›Liese‹ und ›Glenne‹ nenne.« Im Übrigen zeigt sich die außergewöhnliche Bedeutung des Lagers
darin, dass einige römische Militärstraßen auf das Lager zu laufen. So setzt sich die südlich der Lippe
gelegene Römerstraße ab Hellinghausen nicht nach Osten in Richtung Lippstadt fort, sondern sie gabelt
sich in nördlich und süd-östlich verlaufende Trassen. Der nördliche Seitenarm verlief
als »krummer Ellbogen« (Nordhoff 1898) auf die Lippe zu und überquerte diese in Höhe des ehemaligen
Kastells auf dem großen Kamp2).
Kommen wir nun zu dem großen Lager, das auf Bökemeyers Karte mit römisch I bezeichnet worden ist. Es handelt
sich ein großes Geländeplateau, das gemäß des anliegenden Hofes Haus Heerfeld einst das ›Heerfeld‹ eines großen
römischen Heeres gewesen sein könnte. Schon Anfang der 1980er Jahre hatte Bökemeyer auf dem Plateau ein großes
Römerlager vermutet, als er nach dem berühmten Winterlager des Tiberiusheeres an der Mündung der
Lulia (»ad caput luliae«) suchte. Von Friederich Wilhelm Dustmann wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass die
gegenüber dem Heerfeld am südlichen Ufer in die Lippe mündende Gieseler, zwei Zuflüsse mit dem
Namen »Güller« und »Gülle« besitzt und dass es möglich sei, dass in römischer Zeit die Gülle dem ganzen
Flusssystem seinen Namen gegeben habe. Die sprachliche Ableitung des römischen Namen »lulia« aus dem
germanischen »Gulia« und daraus wieder zur heutigen »Gülle« erschiene logisch. Nach der Befliegung mit einem
Kleinflugzeug und der Auswertung einer Luftaufnahme von dem Plateau kam Bökemeyer zu folgendem Ergebnis:
»Quer über das helle Ackergelände zogen sich parallel drei dunkle breite Streifen und davor ein
weiterer breiter Streifen, der sich schließlich im stumpfen Winkel von den anderen parallelen
Streifen entfernte. Nach Besichtigung war eine leichte Senke in dem sonst absolut ebenen Acker
festzustellen, so als ob dort einst ein Graben oder Bachlauf gewesen wäre, wo der Boden nach dem
Verfüllen sich leicht gesenkt hätte. Als Erklärung bietet sich an, dass der östlich von diesem
Gelände heute noch künstlich abgelenkte Baagebach hier einst eine weitere Ablenkung gehabt haben
könnte. Dann wäre eine etwa 20 ha große Fläche im Norden, Westen und Süden vom Baagebach umgrenzt
und geschützt worden. Im Osten dagegen hätte sich die Lippe bzw. ein trapezförmig ausgebildeter
Seitenarm der Lippe schützend angeschlossen. Nur Schutz durch einen natürlich entstandenen Seitenarm
der Lippe? Der Seitenarm schließt so präzise trapezförmig mit Ecken an das Plateaugelände an, dass
es schwer fällt, hier einen manuellen Einfluss auszuschließen, der diesem Seitenarm eine Hafenfunktion
gab. Was soll aber ein Hafen in völlig menschenleerer Gegend einzig mit zwei Bauernhöfen weit und breit?«
Bökemeyer folgert: »Wenn denn der Seitenarm einstmals ein Hafen gewesen sein sollte, dann konnte er
einst nur einen großen Menschenmenge gedient haben, z. B. einigen der vier oder allen Legionen des
Tiberius samt Hilfstruppen und Troß, vielleicht für 30000 bis 40000 Menschen. Hierhin konnte der
Nachschub vom Niederrhein aus über die Lippe herantransportiert werden.« Mit Blick auf die hier
bereits angeführten Indizien für ein Römerlager im nahegelegenen Winkel zwischen Lippe und Glenne
verstärken sich für Bökemeyer die Indizien für ein Lagerzentrum westlich von Cappel/Lippstadt.
Bökemeyer ist jedoch nicht der einzige Hobbyarchäologe, der sich mit der Untersuchung des Heerfeldes
als Lagerstandort beschäftigt hat. Mit einem Methoden-Mix aus Luftbildauswertung, Sondenbegehung und
Flurnamenforschung aber auch unter Hinzuziehung der sog. Radiaesthesie und der Geomantie versucht der
Diplom-Ingenieur Bernd Rehfuß aus Unna seit 2004 Indizien für die frühere römische Präsenz bei Lippstadt
zu finden. In seinem Schreiben vom 20.12.2010, das er einigen für die Erkundung der römischen Geschichte
im Raum Lippstadt zuständigen Amtsarchäologen und interessierten Hobbyarchäologen zugeleitet hat, berichtet
Rehfuß:
»Die ›Saison‹ 2010 bestand aus drei halben Tagen vor Ort und einer Befliegung am 20.07.2010.
Gegen 17.00 Uhr gelang ein m. E. sensationelles Schrägluftbild mit einer speziellen Infrarotkamera, welche
den unterschiedlichen Chlorophyllgehalt der Vegetation herausfiltert. Was ich bereits seit einiger Zeit
vermutete, scheint sich auf dem Bild zu bestätigen. Ging ich bislang von nur einem Lager aus, scheinen
sich aber zwei Lager (je ca. 8-11ha) schräg zu überlagern, was ja in Anlehnung an den
Kreskenhof-Lagerkomplex
in Dorsten vorstellbar ist. Das interessante aber ist die sehr geradlinige Spur quer durch den Acker, die
bislang auf keinem anderen Luftbild zu erkennen war. Diese Spur möchte ich bis auf weiteres als römische
Straße ansprechen. Der Verlauf ist parallel zur mutmaßlichen Lagerumwehrung von Fläche A.« Rehfuß befragte
auch den Eigentümer der Ackerfläche, der sich noch an alte Wall- und Grabenstrukturen erinnern konnte, bevor
diese Ende der 1950er Jahre eingeebnet wurden. Zudem weist er auf ein Bleistück hin, das 2008 auf einem
unmittelbar hinter dem Baagebach gelegenen Flurstück mit dem seltenen altüberlieferten Namen »Arena«3)
gefunden wurde.
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Abb. 5a und 5b: Schrägluftbild mit einer speziellen Infrarotkamera, welche den
unterschiedlichen Chlorophyllgehalt der Vegetation herausfiltert. Relativ deutlich sind die Umrisse von
zwei sich partiell überschneidenden Lagern sowie die Spur einer Straße zu erkennen. Auf dem unteren
Luftbild ist die Umrandung von Lager A ›rosa‹, von Lager B ›grün‹ und der Verlauf der Straße ›blau‹
gekennzeichnet.
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Bis auf die Vermutung, dass es auf dem Heerfeld früher einmal ein Römerlager gab, ist Rehfuß bezüglich
weitergehender Interpretationen des Standortes und des Standortumfeldes erheblich zurückhaltender als
Bökemeyer. Man liest bei Rehfuß keine Aussagen welche Legionen dort gelagert haben können oder gar
Namensnennungen wie »ad caput lulia«. Ob die Gieseler nun früher die lulia war oder in früheren Zeiten
Gülle oder Gulia hieß, sind nach seiner Meinung zwar zulässige, aber höchst spekulative Vermutungen.
Ebenso spekulativ ist für Rehfuß auch der von Bökemeyer als künstlich ergrabener Römerhafen
identifizierte »trapezförmige Lippealtarm«: »Hier reicht ein Blick auf die
Le Coq-Karte von 1805
bereits aus, um zu erkennen, dass die Lippe seinerzeit ausgeprägt S-förmig verlief. Verfüllte Altarme
sind noch heute aus der Luft sehr gut auszumachen. Die Lippebegradigung erfolgte in diesem Bereich Ende
des 19. Jahrhunderts. Wenn sich aber in knapp 200 Jahren diese Stelle so immens verändert hat, dann ist
wahrscheinlich, dass weitere 1800 Jahre früher der Lippeverlauf dort noch ganz anders ausgesehen hat.
Ob das ›Trapez‹ nun römischen Ursprungs ist oder nicht, kann ich daher nicht beurteilen. Ein Lippehafen
in diesem Umfeld ist allerdings nicht grundsätzlich auszuschließen.«
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Abb. 6: Auf der Le Coq-Karte von 1805 verläuft die Lippe östlich der Einmündung der Gieseler eher S- als trapezförmig, was aber einen römischen Lippehafen in diesem Bereich nicht ausschließt.
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Rehfuß scheut sich noch das zylindrische
Bleistück
aus 2008 einen Leitfund für ein Römerlager zu
nennen, weil dessen Verwendungszweck derzeit nicht bekannt ist4). Allerdings führt es in Zusammenhang
mit dem Beitrag »Hypothesen zum Verlauf römerzeitlicher Wege aus dem Bergbaurevier des Briloner
Raums in den Lippe-Hellweg-Raum« von Horst Braukmann (2010) auf eine neue Spur. Die Römer hatten
bekanntlich einen großen Bedarf an Blei z. B. für Schleuderkugeln, Wasserleitungen oder Dachbedeckungen.
Aufgrund von römerzeitlichen Bleibarrenfunden vor der südfranzösischen Küste, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit aus dem östlichen Sauerland stammen, geht man heute davon aus, dass der Bleibergbau
dort in der römischen Okkupationszeit von 12 v. Chr. bis 9 n. Chr. initiiert wurde. Das große
Gewicht der hergestellten Bleibarren (60 kg) lässt vermuten, dass sie auf dem kürzesten Weg aus
dem Briloner Raum zur Verschiffung an die Lippe gebracht wurden5). Der kürzeste Weg vom Römerlager
Kneblinghausen, das an der Haupterschließungsachse römerzeitlicher Metalltransporte liegt und
vermutlich die Funktion eines Sicherungslagers gehabt haben könnte, ging in Richtung Lippstadt.
Braukmann konnte durch Auswertung alter Kartenwerke einen römerzeitlichen Weg rekonstruieren,
der von Kneblinghausen, über Oestereiden, Westernkotten nach Lippstadt-Hellinghausen führte6).
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Abb. 7) 1: Wahrscheinlicher Standort von Römerlagern mit vermuteter Hafenanlage bei Lippstadt; 10: Römerlager Kneblinghausen, das möglicherweise (auch) eine Sicherungsfunktion für Bleitransporte aus dem Briloner Raum in Richtung Lippe hatte.
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Bökemeyers suggestive Frage, was eine Hafenanlage westlich von Lippstadt in völlig menschenleerer
Gegend soll, außer ein großes Römerlager zu versorgen, könnte nach dieser Argumentation noch eine
weitere Antwort haben: Sie diente dem Abtransport von Bleibarren aus dem Briloner Raum auf der
Lippe Richtung Rhein! Wie geht es nun weiter mit dem Römerlager oder den Römerlagern bei
Lippstadt? Unabhängig davon, ob die Amtsarchäologie das Heerfeld zukünftig als potenziellen oder
wahrscheinlichen Römerlagerstandort einstuft und näher unter die Lupe nimmt, kündigte Rehfuß für
2011 weitere Feldforschungen sowie geophysikalische Bodenmessungen mittels Radar und weitere
Befliegungen an. Parallele ›Luftunterstützung‹ hat er bereits bei einem Fachmann für
Luftbildarchäologie erbeten. Ich darf den interessierten Lesern versprechen, dass ich über
Ergebnisse auf meiner Website berichten werde. Endgültige Klarheit kann allerdings nur erzielt
werden, wenn Grabungen durchgeführt werden und dabei z. B. die typisch römischen die
Lagerumwehrungen begleitenden Spitzgräben gefunden werden.
Anmerkungen
1) Bezeichnend ist, dass von den Altertumsforschern des 19. Jahrhunderts nicht diskutiert wird, ob auf
dem großen Kamp ein Lager war, sondern nur, ob es sich um das berühmte Aliso handelte. Ich folge
bezüglich dieser Frage der Argumentation von dem Altertumsforscher Paul Höfer (1888), der plausible
Gründe dafür anführte, dass Aliso am Zusammenfluss von Lippe und Alme im heutigen Paderborn-Neuhaus
lag. Ein Lagerstandort, der von Bökemeyer (2004) detailliert verifiziert, aber von der Amtsarchäologie
bisher nicht anerkannt wird.
2) Der südöstliche Seitenarm, von dem später noch die Rede sein wird, lief über Bad Westernkotten,
Oestereiden, Kneblinghausen auf den Briloner Raum zu.
3) Der Begriff »Arena« bezeichnet einen antiken Veranstaltungsort, der ursprünglich aus einem ebenen,
mit Sand bedeckten Platz für Wettkämpfe mit kultischer Bedeutung bestand. Für Rehfuß ist es nicht
ausgeschlossen, dass sich im Umfeld seiner vermuteten Lagerposition sogar ein kleines Amphitheater
befand. Für dessen Position liegen bereits Hinweise vor.
4) Rehfuß hat bei genehmigten Sondenbegehungen neben dem Bleistück auch zahlreiche Eisenfunde
gemacht. Er bemerkt: »Neben dem üblichen neuzeitlichen Schrott wurden (...) viele handgeschmiedete
Kopfnägel in allen Formen und Größen gefunden, wie man sie 1:1 im Museum Oberaden bewundern kann.«
5)Von großer Bedeutung ist hier, dass Rehfuß neben dem bislang undefinierten Bleistück aus 2008
bei einer genehmigten Sondenbegehung in 2010 ein weiterer Bleifund gelang. Diesmal handelte es sich
um ein daumengroßes, kantiges Stück. Ein Bleifachmann hat diesen Fund als abgebrochenes Stück
eines Bleibarrens (!) angesprochen. Bleiisotopenuntersuchungen sollen nun weitere Aussagen über
das Abbaugebiet bringen.
6) Da der Weg ab Westernkotten entlang der Gieseler verlief, ist nicht auszuschließen, dass die
Römer zum Transport Richtung Lippe nicht nur den Land-, sondern auch den Wasserweg nutzten.
Literatur
Bökemeyer, Rolf (2004): Römer an Lippe und Weser.– Neue Entdeckungen um die Varusschlacht im Teutoburger Wald. – Höxter
Braukmann, Horst (2010): Hypothesen zum Verlauf römerzeitlicher Wege aus dem Bergbaurevier des
Briloner Raums in den Lippe-Hellweg-Raum. – In: Zeitschrift des Sauerländer Heimatbundes, 1/2010
Grabe, Wilhelm, Keller, D. Kipp, B. & Schmale, W. (1998, Hg.): LIESBORNER SPUREN. – Liesborn
Höfer, Paul (1888): Die Varusschlacht. Ihr Verlauf und ihr Schauplatz. – Neu herausgegeben 2009 von Helmut Förster, Gerhard Kroos & Andreas Otte. – Münster
Hölzermann, Ludwig (1878): Lokaluntersuchungen der Kriege der Römer und Franken sowie der Befestigungsmanieren
der Germanen, Sachsen und des späten Mittelalters betreffend. – Herausgegeben von dem Vereine für Geschichte
und Altertumskunde Westfalens. – Münster
Nordhoff, J. B. (1898): Römerstraßen und das Delbrücker Land. – Münster
Schmidt, D. E. (1859, Hg.): Zusammenstellung derjenigen Tagebuchnotizen, welche der König. Preuß. Oberstleutnant
und Abteilungs-Chef im großen Generalstabe F. W. Schmidt über seine in den Jahren 1838, 39, 40 und 41 in
Westfalen ausgeführten Lokaluntersuchungen, und überhaupt über seine daselbst angestellten antiq-historischen
Forschungen aufgezeichnet hat. – In: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Bd. XX. – Münster
Schneider, J. (1878): Die römischen Militärstraßen an der Lippe und das Castell Aliso. – Düsseldorf
Danksagung
Ich danke den engagierten Experten vor Ort Herrn Eugen Teigeler, Wadersloh-Liesborn, und
Herrn Bernd Rehfuß, Unna, für ihre Unterstützung bei der Beschaffung der Literatur und für
informative Gespräche.
G.M., 01.04.2011
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Eines der großen Rätsel am Vorgehen der Amtsarchäologen in Westfalen besteht darin, warum sie es den Hobbyarchäologen
überlassen, die offensichtlichen Lücken in der Römerlagerkette an der Lippe zu schließen und warum sie deren Befunde
und Erkenntnisse mit großer Skepsis betrachten.
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Das geplatzte Interview zum 2000-jährigen Jubiläum der Varuskatastrophe
Vorbemerkung
Das nachfolgende Interview ist unschwer als eine Spitze gegen die verantwortlichen Denkmalpfleger im Kreis Lippe
zu erkennen. Die haben trotz plausibler archäologischen Befunde- und historischer Quellen, die für einen Standort
der Varusschlacht in Ostwestfalen-Lippe sprechen*), nicht einmal versucht, den Kalkriesern anlässlich des
2000-jährigen Jubiläums der Varuskatastrophe den Ort des Geschehens streitig zu machen. Stattdessen begnügen sie
sich damit, zu beleuchten, wie die Varusschlacht zu einem nationalen Mythos und Arminius zu einem Nationalhelden wurde.
Der nationale Mythos hat bekanntlich im Hermannsdenkmal seinen imposantesten baulichen Niederschlag gefunden. Es würde
mich nicht wundern, wenn die Kalkrieser aufgrund ihrer guten Erfahrungen, mit der Bereitschaft der lippischen
Denkmalpfleger ihr Tafelsilber zu verscherbeln, bei nächster Gelegenheit auch noch die Umsetzung des Hermannsdenkmals
fordern. Gewiss werden die Lipper sich auch in diesem Fall verständig zeigen und den Kalkriesern sogar noch helfen, das
Denkmal in Kisten zu verpacken. Da können wir uns schon fast denken, was Herr Leiermann bei seinem geplatzten Interview
darüber herausgefunden hat, wie man in Walhall so über die Lipper denkt:
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Das geplatzte Interview
von Dr. Horst Leiermann
»Ich hatte mir das so schön ausgedacht.
2009, zum 2000-jährigen Jubiläum der Hermannsschlacht ein Interview mit Hermann.
Das schien auch alles zu klappen. Ich bekam von Hermanns Vorzimmer einen Termin,
vom Flugplatz Oerlinghausen/Teutoburger Wald eine Kuriermaschine nach Walhall
und wurde dort gleich von einem schneidigen Ordonanz-Offizier empfangen.
Denn Sekretärinnen hatte Tusnelda verboten, seit sie einmal Hermann mit einer
Sekretärin auf dem Schoss erwischt hatte. Und dass Hermann, vor allem wenn er
etwas getrunken hatte, zu Übergriffen neigt, wusste sie aus eigener Erfahrung.
Der Offizier ließ sich von mir die Ausweispapiere zeigen und als ich, etwas
überrascht über die Formalitäten, fragte, ob ich jetzt auch noch eine Leibesvisitation
nach Waffen über mich ergehen lassen müsste, winkte er ab.
Hier in Walhall sind wir unsterblich erklärte er, da kann nichts mehr passieren.
Er holte einen Fragebogen, Alter, Beruf, Adresse und er war ganz leutselig bis er
auf das Wort ›Lippe‹ in meiner Adresse stieß, da wurde er erst einmal etwas komisch.
Aus Lippe, fragte er. Ich nickte.
Schon schlecht! Und dann ging es los: Was wir uns eigentlich dächten? Ob wir uns denn
nicht schämten, jetzt hier auch noch bei Hermann anzuklopfen?
Wieso, sagte ich. Wo wir doch Hermann das Riesendenkmal gebaut haben.
Vor 150 Jahren, gut und schön, da hätten wir hier antanzen können. Aber heute?
Nichts hätten wir zur Hermannschlacht zu bieten.
Da sollten wir uns doch erst einmal ein Beispiel an Niedersachsen nehmen. Kalkriese, da
sei die Schlacht zwar nicht gewesen, aber was die daraus gemacht hätten. Ein Riesenmuseum.
Und wir?
Wir haben doch keine Funde stotterte ich
Keine Funde? Die Römische Urne in Lügde!
Da liegt doch ein Germane begraben. Der hat sich die Urne von einer Reise an den Rhein mitgebracht.
Der Offizier grinste.
Schon einmal einen Touristen gesehen, der sich von einer Reise einen Sarg mit nach Hause bringt?
Nein, musste ich zugeben. Aber vielleicht hat er sich die Urne im Versandhandel schicken lassen.
Damals war Quelle doch noch nicht Pleite.
Der Offizier schüttelte den Kopf.
Schon mal was von dem römischen Mosaik in Corvey**) gesehen?
Natürlich, sagte ich. Aber Corvey liegt doch gar nicht in Lippe.
Ob ich in Lippe zur Schule gegangen sei?
Ich nickte.
Ob ich nie gehört habe, dass die Schwalenberger Grafen die Vorgänger des Hauses Lippe gewesen seien?
Und außerdem noch die Vögte von Corvey. Und ob ich eigentlich in der Schule immer geschlafen hätte?
Und wo in Lippe ich eigentlich wohnte?
In Schwalenberg murmelte ich kleinlaut.
Er holte tief Atem.
Auch das noch!
Also, sagte er. Römisches Mosaik in Corvey. Daran ist nicht zu rütteln.
Aber das ist doch Zweitverwendung.
Zweitverwendung? Ob ich schon mal Fliesen abgeschlagen hätte?
Habe ich, trumpfte ich auf. Ich bin Architekt, ich habe Baupraxis.
Gut, sagte der Offizier und ob ich schon jemals eine Fliese unzerbrochen vom Untergrund abgespitzt hätte?
Das nicht. Die sind immer zerbrochen. Mit eklig scharfen Kanten. Messerscharf.
Die Hände haben mir geblutet. Denn damals trug man noch keine Handschuhe.
Eben, sagte der Offizier.
Und außerdem, die römische Therme in Tom Roden. Mit PRAEFURNIUM. Das sind ortsfeste Spuren.
Immobilien. Nicht lose Münzen oder Waffen wie in Kalkriese.
Aber, wandte ich ein. Fußbodenheizung hatten auch die Zisterzienser.
Und ein PRAEFURNIUM gehört oft zu einer Fußbodenheizung.
Der Offizier stöhnte:
Erstens siedeln Zisterzienser in der Einsamkeit und nicht neben reichen Benediktinern.
(Ehrlich gesagt, hatte ich das schon im Studium von Karl Gruber gelernt, aber ich
hielt lieber den Mund.)
Und Zweitens gibt es ein PRAEFURNIUM im Mittelalter überhaupt nicht. Damals heizte man
im Kloster nur einen einzigen Raum, die Wärmestube. Und die Feuerung war im Keller,
damit die Wärme im Haus blieb. Bei römischen Thermen, den Schwitzbädern für die Legionäre
im Sommer bei den Vorstößen nach Germanien, waren PRAEFURNIEN sinnvoll, damit die Heizer
in der Hitze nicht umkamen. Und froh waren, im Freien, von außen zu heizen.
Schon mal ein mittelalterliches PRAEFURNIUM gesehen? fragte der Offizier
Nein, musste ich zugeben.
Schon mal einen Menschen getroffen, der eines gesehen hat?
Das nicht. Aber Fachleute haben mir gesagt, sie wollten dem doch noch einmal nachgehen.
Dann viel Spaß, sagte der Offizier.
Und außerdem, die römischen Wandbilder im Westwerk in Corvey.
Das sind nur Kopien, trumpfte ich auf. Ganz hohe Fachleute haben das gesagt. Mit Titeln und so.
Nackte Eroten? Im Kloster? fragte der Offizier.
Na ja, meinte ich, Mönche, ganz ohne Frauen da hört man doch so allerlei.
So so, sagte der Offizier, ein nackter junger Mann mit einem glitschigen Delphin zwischen
die Schenkel gepresst - und eine heidnische Dame oben ohne.
Mönche sind auch Männer, wandte ich ein. Und ohne Freundin und nach einigen Glas Wein…
Langsam, langsam, sagte der Offizier. Wir sind ja erwachsen…Und wir früher hatten auch
unsere Tussis. Und die waren gar nicht zickig. Aber so schöne Nacktheit konnten wir
damals nicht an die Wand malen.
Wir haben sie uns damals ganz genau angesehen. Und uns von den Überlebenden der drei Legionen
des Varus ganz genau erklären lassen. Die ganze Geschichte mit Amor. Und der Schaumgeburt
der Venus, das Wasser ist uns im Munde zusammen gelaufen.
Zugegeben, wir hatten ja auch so unsere gewagten Sagen. Wie Brunhilde ihren Gunter in der Hochzeitsnacht
gebunden hat und an einem Nagel aufgehangen, weil sie partout den Siegfried haben wollte. Der dann auch,
im Schutze der Tarnkappe dem Gunter beispringen musste.
Aber malen konnten wir die Geschichten nicht. Und dass fromme Mönche sich solche Sachen mit heidnischen
barbusigen Damen in ihre Kirche gemalt hätten? Wenn schon dann heimlich. Irgendwo in einem dunklen Winkel.
Und ob ich eigentlich einmal die Benediktiner gefragt hätte, ob die das gemalt hätten?
Habe ich, sagte ich, aber die sagen, sie waren das nicht.
Also, sagte der Offizier, und jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen.
Dass Lippe nichts römisches 2009 zu bieten hat, ist schon schlimm genug. Aber dass sie
dann auch noch ein Ausstellung über den Mythos der Hermannsschlacht aufmachen, da wäre
dem Hermann der Kragen geplatzt. Mythos? Märchen? hätte er gedröhnt und seinen 10 Liter-Humpen voll
Detmolder Pils so auf den Tisch gehauen, dass er zerbrach und die Brühe über Tisch und Boden
lief und 21 Mann seiner Leibgarde die Schweinerei schnell aufwischten, weil Thusnelda in solchen
Sachen ganz eklig sein kann. Mythos? schrie Hermann, mein Sieg soll ein Märchen sein?
Seien Sie froh, dass ich Sie von Hermann fern gehalten habe. Wenn der ›Lippe‹ gehört hätte, das wäre schief ausgelaufen.
Ich schwieg etwas betreten.
Hören Sie zu, sagte begütigend der Offizier. Es ist ja noch gar nichts passiert.
Fliegen Sie erst mal wieder nach Hause und machen ihre Schularbeiten. Und dann,
fügte er hinzu, können Sie ja noch einmal vorsprechen. Beim nächsten Jubiläum … in 1.000 Jahren …«***)
Nachbemerkung
Hermanns Zorn über die Lipper ist zweifellos berechtigt. Es ist allerdings mildernd zu berücksichtigen, dass die
lippischen Denkmalpfleger, die Misere nicht alleine zu verantworten haben. Wo es um viel Geld und Prestige geht,
positionieren sich einflussreiche Interessenverbände: Die umtriebige »Varusschlacht im Osnabrücker Land gGmbH«
hat von der EU über 2 Millionen Euro Fördermittel für die Errichtung eines Besucherzentrums eingeworben.
Die Universität Osnabrück hat von der Volkswagenstiftung über 700 Tausend Euro für die wissenschaftliche
Aufarbeitung der Funde erhalten. Und die Landesregierung Niedersachsens wird nicht müde, sich in ihren
Broschüren der Kalkrieser Errungenschaften zu rühmen. Schon um die potenten Förderer und Spender nicht
zu brüskieren, kann das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchungen doch nur lauten, dass Kalkriese
der Ort der Varusschlacht selber ist und nicht eines Kampfplatzes, der archäologisch zwar außergewöhnlich
gut konserviert aber historisch von nachrangiger Bedeutung ist. Nun macht es aber einen großen Unterschied,
ob man sich als williges oder eigenwilliges Rad im Getriebe der großen Verteilungskämpfe präsentiert.
Niemand hätte die lippischen Denkmalpfleger daran hindern können, die gravierenden archäologischen und
historischen Schwachstellen, die mit einer Verortung der Varuskatastrophe in Kalkriese verbunden sind,
öffentlich zu diskutieren. Zudem hätten die Lipper den nationalen Mythos auch auf archäologisch relevante
Weise beleuchten können, in dem sie der Frage nachgegangen wären, wie sich der nationalen Mythos und seine
Inkarnation im Hermannsdenkmal auf die wissenschaftliche Standortsuche der Schlacht ausgewirkt hat.
Das ›deutscheste‹ aller Denkmale, im ›deutschesten‹ aller Wälder ist für die Parteigänger einer eher
linken Weltschauung bekanntlich mehr ein Schand- als ein Ehrenmal. Für diese Leute symbolisiert es
als Relikt aus wilhelminischer Zeit den Hort und Ursprung allen Bösen, nämlich die Nation. Erst vor
wenigen Jahren hat die »Junge Linke« (gegen Nation und Kapital) anlässlich seines 150-jährigen Jubiläums
eine Kampfschrift mit dem Titel »Das Hermannsdenkmal kann, muß und wird gesprengt werden! Den Mythos
angreifen- Die Sache treffen!« publiziert. Was liegt da näher als die Vermutung, dass eine Generation
von Archäologen, die maßgeblich von der 68-Bewegung, also der Hauptblütezeit linker Phantasien, geprägt
wurde, die Verlagerung des Schlachtortes von Lippe nach Kalkriese mit einem gewissen intellektuellem
Wohlgefühl vorgenommen oder doch zumindest begleitet hat. Denn, für wen schon die Existenz des
Hermannsdenkmals als nationales Symbol schwer erträglich ist, für den muss es schier unerträglich
sein, wenn es archäologisch auch noch an der richtigen Stelle stehen sollte. Wer also – wie die
lippischen Denkmalpfleger – den nationalen Mythos der Varusschlacht unter Auslassung der archäologischen
Befunde und historischen Quellen, die für einen Schlachtstandort in Ostwestfalen-Lippe sprechen,
thematisiert, übersieht einen gewichtigen Punkt. Und der lautet, dass Denkmale manchmal auch an der
richtigen Stelle stehen. In diesem Punkt ist Hermann zu recht sauer auf die Lipper, zumal er nach
der reibungslosen Entsorgung des Schlachtortes aus Lippe befürchten muss, dass auch noch sein irdisches
Denkmal nach Kalkriese entsorgt wird.
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- Dr. Horst Leiermann
Dr. Horst Leiermann ist Architekt und Hobbyarchäologe. Durch originelle Aktionen (die eine gewisse Verwandtschaft
mit den Happenings der 1960er Jahre nicht verleugnen können) gelingt es ihm wieder, die hauptamtlichen Denkmalpfleger und
zuständigen Archäologen aus der Reserve zu locken. In 2005 verblüffte er die Denkmalpfleger in Detmold damit, in dem er
direkt gegenüber vom Eingang des lippischen Landesmuseums Plakattafeln platzierte, auf denen er über »Tiberius in Lippe« informierte.
Leiermann ist Autor der Gelbbücher. Das sind in typisch lockerer (Architekten-)Skizzenbuch-Manier zusammengestellte
Materialsammlungen zur Präsenz der Römer in Germanien.
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Anmerkungen
*) Schlüter, Wolfgang & Lippek, Wolfgang (2008): »Die Schlacht – Plausible Gründe zur Varuskatastrophe in Ostwestfalen-Lippe«. – Bielefeld
**) Aufgrund der unübersehbar großen Zahl römischer Elemente in der Klosterkirche Corvey haben sich die zuständigen
Denkmalpfleger auf die Sprachregelung geeinigt, dass die karolingischen Bauherrn in das Römertum geradezu vernarrt
waren. Die Karolinger hätten angeblich ganze Tempel und Villen abreißen lassen, um sie als Spolien in ihren Gebäuden
wiederzuwenden. Doch damit nicht genug, die Benediktiner der Karolingerzeit hätten sogar mediterrane Handwerker anreisen
lassen, die noch in antiken Kunstfertigkeiten kundig waren. Im Ergebnis sei die erste Klosterkirche ein fast detailgetreuer
Nachbau einer römischen Halle geworden. Die Denkmalpfleger räumen allerdings ein, dass eine so farben- und sinnenfroh
gestaltete Kirche im Europa der karolingischen Kaiser einmalig ist. Fürwahr eine abenteuerliche Konstruktion, hinter der
sich unsere Denkmalpfleger da verschanzt haben. Selbst das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« hat im Artikel »Mönche als
Mythenmaler« vom 11.08.2008 ausführlich darüber berichtet, dass heidnische Bilder eines der ältesten Gotteshäuser
Deutschlands schmücken. Darin kommt neben Leiermann auch der verantwortliche Ausgräber Uwe Lobbedey zu Wort. Eine
Faktizität vortäuschend, die längst nicht mehr gegeben ist, meint der spöttisch bemerken zu müssen: »Wenn Corvey römisch ist, dann
muss es auch Ufos geben«. Tatsächlich sitzt er mit seiner Kathederlehre längst in einem Ufo, das sich mit
Überlichtgeschwindigkeit von der Indizienlage entfernt.
***) Berücksichtigt man die Phantomzeitthese von Heribert Illig kann das nächste vierstellige Jubiläum der Varuskatastrophe
schon in 297 Jahren gefeiert werden. Dann sind genau zwei chronologiebereinigte Jahrtausende seit der Schlacht vergangen.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man in Walhall nicht um die These von den drei überflüssigen Jahrhunderten im frühen
Mittelalter weiß. Hermanns Ordonanz-Offizier hat hier wohl Rücksicht auf Leiermann genommen, der sich (noch) nicht für
diese These begeistern kann.
G.M., 23.08.09
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- Illias-Fries in Corvey
Fragment eines antik-heidnischen Frieses, der eine Szene aus Homers Illias zeigt, im Westwerk des Klosters Corvey.
Odysseus steht auf dem Schwanz der Skylla und stößt einem Skyllahund eine Lanze in den Rachen. Nach offizieller
Lehrmeinung ist die Darstellung nicht antik, sondern karolingisch: Das »grausame Meer« sei für Mönche der
Karolingerzeit ein »Sinnbild für die Versuchungen der Welt« gewesen. Ein von Leiermann angefragter Benediktiner
distanzierte sich von der Unterstellung, seine Vorgänger hätten anstößige antike Motive
(wie auch die pornographieverdächtige ›Schaumgeburt der Venus‹) in einer Klosterkirche dargestellt.
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Die Wahrheit über die Varuskatastrophe
Die Varusschlacht war – nach allem was wir aus den historischen Quellen wissen – keine Feld-, sondern ein Abnutzungsschlacht,
die sich über mehrere Tage und Kilometer hinzog. Zu den perfidesten Techniken, mit denen das germanische Heer die römischen
Legionen demoralisierte, zählte die List, speziell ausgebildete Kämpfer (»special forces«) in den Tross einzuschleusen.
Im unübersichtlichen Gelände bemächtigten sich die meist cheruskischen Elitekämpfer mit unglaublicher Kaltblütigkeit und
handwerklicher Geschicklichkeit der Hinterachsen der römischen Packwagen. Auf diese Weise kam der Tross immer wieder ins
Stocken, bis er schlussendlich soweit von den römischen Hauptkampfverbänden entfernt war, dass er problemlos von Hermanns
Mannen überfallen und ausgeplündert werden konnte.
Um die demoralisierende Wirkung der tief in den feindlichen Linien eindringenden Kommandounternehmen noch zu verstärken,
wurden sie propagandistisch ausgeschlachtet. Dazu präsentierten sich die blonden Recken nach einem erfolgreich durchgeführten
Einsatz (manchmal kamen auch die Kämpfer unter die Räder...) in lässiger Treckingkleidung mit ihren erbeuteten Achsen speziellen
Kriegsberichterstattern (»embedded journalists«). Diese wurden auf Befehl der obersten Heeresführung, also Hermanns, der
schon frühzeitig die Bedeutung der psychologischen Kriegsführung erkannte, in vorderster Front mitgeführt. Die obige Abbildung
zeigt eine der wenigen erhaltenen Aufnahmen. Sie ist wohl in einem Hohlweg an einem Gebirgspass in der Nähe der Externsteine
entstanden, der zuvor von germanischen Kampfverbänden zurückerobert worden war. Die in den anstehenden Kalkstein gehauenen,
passgenauen Fahrspuren zeigen, dass hier noch vor kurzer Zeit der römische Nachschub rollte.
G.M., 23.08.09
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Wenn einer das Schönste findet, was er sich vorstellen kann…
Der stellvertretende Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Dr. Daniel Bérenger, ist ein beneidenswerter
Mensch, denn er hatte das Glück zu entdecken, was er sich vorher kaum zu erträumen wagte. Kurz vor seiner Pensionierung
war es ihm vergönnt, gegenüber den Medien zu verkünden1): »Wir haben das Schönste gefunden, was wir uns vorstellen
konnten – wir haben ein Römerlager gefunden.« Und zwar nicht irgendein Römerlager, sondern wahrscheinlich das Römerlager,
in dem »Varus im Jahre 9 residiert hat, bevor er in die Schlacht gezogen ist«. Diese kühne Behauptung erläuternd, fügt
er hinzu2): »Die Funde stehen auf jeden Fall in einem militärischen Zusammenhang und sehen so aus, als wenn sie aus der
Zeit von Haltern, also 4 bis 9 nach Christus, stammen. (…) Normalerweise wird gegraben und Indizien gesammelt, die gedeutet
werden. In diesem Fall sind die Funde so eindeutig, dass wir vor Beginn der Grabungen schon wissen, wo wir sind.« Angesichts
des bescheidenen Umfangs der ersten Funde (eine keltische und drei römische Münzen, einen Sandalennagel und eine römische
Gewandspange) sind dies bemerkenswert spekulative Aussagen für einen hauptamtlichen Archäologen, der für seine Zunft
beansprucht, im Unterschied zu vielen »fieberhaft« agierenden Hobbyarchäologen mit »Augenmaß und
Verantwortungsbewusstsein« vorzugehen.3) Sie verdienen daher, näher analysiert zu werden.
Wer ist »wir haben gefunden«, und wenn ja, wie viele...?
»Wir« sind – wie so oft – auch in diesem Fall keine hauptamtlichen Archäologen, sondern hinter »wir« verbergen sich
engagierte Hobbyarchäologen. In diesem Fall eine Gruppe von drei Sondengängern um den Griechen Vassilios Efstratiadis.
Die hatten den Bodenaushub auf einer Baustelle im Baugebiet »Auf der Lake« in Porta Westfalica-Barkhausen mit einer
Metallsonde untersucht und waren fündig geworden. Bérenger hatte zwar schon vor den Sondierungen der Hobbyarchäologen
seine eigenen Archäologen zweimal ins Feld geschickt, um die Straßentrassen des Baugebietes nach Spuren römischer
Hinterlassenschaften abzusuchen4), den offiziellen Suchtrupps blieb allerdings verwehrt, was den Sondengängern um
Efstratiadis kurze Zeit später gelang, nämlich Funde aus römischer Zeit aufzuspüren. In der Presse wurde dann berichtet, dass
die Hobbyarchäologen ihre Sondierungen auf Veranlassung des Landschaftsverbandes durchgeführt hätten5). Dies trifft jedoch
nicht zu, wie mir Efstratiadis auf telefonische Nachfrage versicherte. Er und seine zwei Kollegen hätten auf eigene Faust
gehandelt. Die Wahl des Standorts sei mehr oder weniger zufällig und hinge vielleicht damit zusammen, dass bei Bodenaushubarbeiten
in der Umgebung des neuen Baugebiets schon früher Funde gemacht worden seien, die aber zerstört wurden oder verloren gingen, weil
niemand deren archäologischen Wert erkannte und sich niemand dafür interessierte.
Für unseren Protagonisten Bérenger ist Amateurarchäologe allerdings nicht gleich Amateurarchäologe. So differenziert er
zwischen »ehrenamtlichen Helfern der Bodendenkmalpflege, die keine Interviews geben, sondern still und aufmerksam Baustellen
kontrollieren und gepflügte Äcker begehen, dabei Fundstellen und Bodendenkmäler entdecken, die sie dem Landesmuseum unverzüglich
melden« und »medienwirksamen Hobbyforschern«, die »auf das populistische Reizthema Varusschlacht« fixiert sind und »es geschafft haben,
in Lippe einen überflüssigen Streit um die Varusschlacht anzuzetteln und durch einflussreiche Unterstützung eine unerträgliche
Stimmung im Lande zu erzeugen.«3) Kurz: Ein Amateurarchäologe hat schweigsam und zuverlässig zu sein und das Denken und die
Öffentlichkeitsarbeit den Profis in den Amtsstuben zu überlassen. Da verwundert es nicht, dass er Hobbyarchäologen, die sich nicht
daran halten und eigene Theorien publizieren, auch schon mal Raubgräbertum und Fundunterschiebung unterstellt. Im konkreten Fall
traute er gleich zwei (!) erfolgreichen Sondengängern zu, dass sie einen aussagekräftigen Leitfund aus dem Rheinland nach Lippe
eingeschleppt hätten, um so ihren »fieberhaften Arminius-Träumereien« mehr Gewicht zu verleihen. Man könnte die Geschichte
natürlich auch so interpretieren, dass Bérenger jedes Mittel recht ist, um aus offizieller Sicht unangenehme Funde oder unerwünschtes
Engagement aus der lippischen Welt zu schaffen.
Wie kam es zu Bérengers euphorischer Reaktion auf die Funde in Barkhausen, und warum ist sie so irritierend?
Der Sondengänger Efstratiadis gehört zweifelsfrei zu den von offiziellen Stellen gern gesehenen Amateurarchäologen. Am 08.07.08
informierte er Bérenger telefonisch über seine jüngsten Funde. Bei dem löste die Meldung einen erstaunlichen
Prozess aus 2): »›In der Nacht habe ich nachgedacht‹ erinnert sich Bérenger (…). ›Die Fibel, die Münzen. Und ich dachte: Ja, jetzt
haben wir es.‹« Bérengers spontane Reaktion irritiert angesichts der wenigen und als Indizien für einen Lagerstandort wenig
aussagekräftigen Funde. Sie irritiert auch dann noch, wenn man berücksichtigt, dass ›Römerforscher‹ schon seit langem im Bereich
Porta ein Römerlager vermuteten6). (Bekanntlich hatte der berühmte Historiker Theodor Mommsen, der als einer der ersten
Historiker in Kalkriese den Schauplatz der Varusschlacht sah, sogar passend dazu am Weserdurchbruch bei Porta das Sommerlager des
Varus vermutet.) Interessanterweise hatte der selbe Sondengänger fast genau zwei Jahre zuvor und nur knapp einen Kilometer
weiter nördlich im geplanten »Gewerbegebiet Barkhausen – Zwischen den Dämmen« mindestens ebenso aussagekräftige Funde
gemacht7): »Drei römische Denare, zwei spinnwirtelförmige Bleigewichte und zwei bronzene Grapenfüße«. Diese Funde hatten bei
Bérenger aber nicht im Entferntesten so ein Heureka-Erlebnis ausgelöst wie im aktuellen Fall, geschweige denn, dass sie ihn
dazu veranlasst hätten, einen Medienzirkus um das ›letzte Nachtlager des Varus‹ zu initiieren. Stattdessen ist dem
Denkmalpflegebericht für 2006 zu entnehmen, dass er damals ohne jeglichen Presserummel eine kleine Teilfläche
untersucht und diffuse Siedlungsspuren aus der römischen Kaiserzeit gefunden hat.
Was um alles in der Welt hat Bérenger verleitet, wilde Spekulationen
über das letzte Lager des Varus loszutreten?
Bérenger präsentiert sich in der Öffentlichkeit gerne als ein umsichtig-rational denkender und handelnder Archäologe. Er legt
großen Wert darauf, sich anders als die meisten Hobbyforscher (aber auch einiger seiner Kollegen) nicht an verbissenen
Spekulationen über den Schauplatz der Varusschlacht zu beteiligen. Anlässlich der Funde in Barkhausen kleidete er seine
Einstellung gegenüber der Presse in markig-kokette Worte1): »Die Varusschlacht hat mich nie interessiert, die ganze Struktur
vor dem Kollaps ist viel interessanter. Den Kollaps können die Niedersachsen gerne behalten.« Was mag in ihn gefahren sein,
dass er trotz der bisher vergleichsweise dürftigen Funde nun plötzlich selber wildeste Spekulationen – zwar nicht über die
Örtlichkeit der Schlacht, aber immerhin über die letzte Nacht des Varus – lostritt? Wir erinnern uns: Bis zur Presseerklärung
des Landschaftsverbandes vom 07.08.08 hatte man in Barkhausen ein paar Münzen, eine Gewandspange, Sandalennägel, Bleilote und
ein Mühlsteinfragment, aber noch nicht einen einzigen Befestigungsgraben gefunden. Also durchweg Funde, die zwar mit einiger
Sicherheit Rückschlüsse auf die Anwesenheit römischer Legionäre zulassen, die aber keinesfalls ausreichen, um auf den Standort
eines Römerlagers zu schließen. Umso erstaunlicher der Originalton Bérenger zur Wahrscheinlichkeit, ein Lager gefunden zu
haben2): »Da es Menschen gibt, die Bedenken haben, spreche ich von einer Wahrscheinlichkeit von 99 % (...) Aber in meinen
Knochen sitzen 100 Prozent.« Da drängt sich die Frage auf, was einen ausgewiesenen hauptamtlichen Bedenkenträger bewegt,
ausgerechnet in diesem Fall keine Bedenken zu haben?
Darauf gibt es womöglich eine sehr plausible Antwort: Das Jubiläumsjahr der Varusschlacht in 2009 steht vor der Tür, und
es ist kaum mehr zu übersehen, dass unsere ostwestfälischen Denkmalpfleger dafür schlecht ›aufgestellt‹ sind oder doch
zumindest befürchten müssen, gegenüber den gewieften Kalkriesern zunehmend ins Hintertreffen zu geraten. Und im Windschatten
eines abnehmenden öffentlichen Interesses drohen bekanntlich auch – das Schönste, was man sich vorstellen kann… nämlich – die
öffentlichen Gelder zu versiegen. Bereits im Vorfeld des Jubiläums hatte die hauptamtliche Archäologenschaft Prügel von
engagierten lippischen Historikern und Amateurarchäologen einstecken müssen8). Ihnen wurde vorgeworfen, kampflos und ohne
Not, d. h. ohne wissenschaftlich überzeugende oder gar zwingende Indizien9) den Kalkriesern den Schauplatz der Varusschlacht
zu überlassen und sich selbst mit dem Mythos der Schlacht zu begnügen. Denn was für die Kalkrieser der Fundplatz »Oberesch« ist,
das ist für die Lipper der Fundplatz »Winnfeld«. Auf dem südlich von Detmold gelegenen Winnfeld wurden laut glaubhaften
Berichten aus einigen hundert Jahren immer wieder Funde, die auf ein Kampfgeschehen in römischer Zeit hinweisen, ausgepflügt
bzw. ausgegraben10). Und schon von den Humanisten und gebildeten Ständen des 16. Jahrhunderts wurde die Varusschlacht hier
verortet. Kurzum, je mehr sich das Jubiläumsjahr näherte, um so dringender bedurfte es eines Befreiungsschlages, damit die
ostwestfälischen Archäologen nicht als amtliche Deppen dastehen, die sich mehr an den Mythos des Hermannsdenkmals als an
Funde und eine ausgewiesene Fundgeschichte klammern.
Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas wird Bérengers irritierend-euphorischer Ausruf »Ja, jetzt haben wir es!« ganz zwanglos
verständlich. Der Sondengänger Efstratiadis hatte ihm nicht nur einige römische Fundstücke gemeldet, sondern zum richtigen
Zeitpunkt und am richtigen Ort eine optimale Vorlage für einen Befreiungsschlag geliefert: Den Hinweis auf ein mögliches
Römerlager in annehmbarer Entfernung zu Kalkriese und außerhalb von Lippe. Dies war bei entsprechend geschickter Vermarktung
nicht nur geeignet, seinen hartnäckigen lippischen Widersachern den Wind aus den Segeln zu nehmen, sondern auch das öffentliche
Interesse wieder auf die gute Arbeit der in die Kritik geratenen ostwestfälischen Denkmalpflege zu lenken. Und in der Tat war
die regionale und überregionale Medienresonanz auf die Pressemitteilung des LWL vom 07.08.08 enorm. Bérengers Spekulationen
über das letzte Lager des Varus vor seinem Zug ins Verderben bestimmten vom Mindener Tageblatt bis hin zum FOCUS Online die
Schlagzeilen. Auch die Politik und die Ministerialbürokratie waren schnell zur Stelle: Portas Bürgermeister Stephan Böhme
fabulierte am Ausgrabungsort von einem »Glücksgefühl über diesen offensichtlich kulturhistorisch bedeutsamen Platz« und
darüber, wie man ihn im Jubiläumsjahr 2009 vermarkten könnte5). Und Thomas Otten, Referatsleiter Bodendenkmalpflege und
Bodendenkmalschutz im Düsseldorfer Bauministerium, meinte vor Ort bestätigen zu müssen, dass der Lagerstandort gut zu
den »historischen Quellen« sowie von der Distanz her zu Haltern und Kalkriese passe11).
Und die Moral von der Geschichte: Da kann man einmal sehen, welchen Berg schmutziger Wäsche der Archäologe
Bérenger reinwaschen wollte, als er den Medien ganz verzückt verkündete: »Wir haben das Schönste gefunden, was wir uns vorstellen
konnten – wir haben ein Römerlager gefunden.«
Quellennachweise
1) n-tv.de vom 07.08.2008: »Römerlager gefunden«, URL: http://www.n-tv.de/100056646.html
2) FOCUS Online vom 08.08.2008: »Auf den Spuren des Varus«,
URL: http://www.focus.de/wissen/bildung/Geschichte/archaeologie-auf-den-spuren-varus_aid_323347.html
3) Bérenger, Daniel (2003): »Heimatland Lippe – Streit um die Varusschlacht«. In: Archäologie in Ostwestfallen Bd. 8, 40- 42, Bielefeld
4) Presseinfo des LWL vom 07.08.08: »Römische Funde an der Porta Westfalica«,
URL: http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=18589
5) Mindener Tageblatt vom 08.08.08: »Von der Weser aus ins Verderben«,
URL: http://www.mt-online.de/mt/lokales/kultur/?cnt=2507467
6) Kröger, Hannelore (2003): »Wohnen auf historischem Boden – Eine Zufallsentdeckung in Porta Westfalica-Barkhausen, Kreis
Minden-Lübbecke«. – In: Archäologie in Ostwestfalen Bd. 8, 30-32
7) Westfälisches Museum für Archäologie, Landesmuseum und Amt für Denkmalpflege, Altertumskommission für
Westfalen (2007): »Neujahrsgruß 2007 - Jahresbericht für 2006«, Außenstelle Bielefeld, 45-61, Münster
8) Schäferjohann-Bursian, Iris (2003): »Fehlstart in Lippe? – Das Varusschlacht-Jubiläum 2009 wirft seine
Schatten voraus«. – In: Heimatland Lippe 96/3, 42-44
9) Lippek, Wolfgang (2002): »Inhaltliche Strukturanalyse der Denarkomplexe von Kalkriese und Haltern – Widerlegung
der ›Kalkrieser These‹ zum Ort der Varusschlacht«. – In: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde Bd. 71, 223-263
10) — (2008): »Beurteilungen römischer Funde auf dem Winnfeld im Teutoburger Wald«. – In: Lippische Mitteilungen
aus Geschichte und Landeskunde Bd. 76, 347-353
11) SZON vom 07.08.08: »Archäologen auf der Spur eines römischen Lagers«,
URL: http://www.szon.denews/kultur/aktuell/200808070864.html
G.M., 02.09.08
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- Dr. Daniel Bérenger
Dr. Daniel Bérenger, der Vize-Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, legt Wert darauf,
in der emotional geführten Debatte um die Varusschlacht betont sachlich und unaufgeregt zu argumentieren.
Was mag in ihn gefahren sein, dass er anlässlich einiger römischer Fundstücke in Porta Westfalica-Barkhausen
plötzlich über einen ›festen Wohnsitz‹ des glücklosen Feldherrn Varus vor der »theatralischen Kulisse« des
Weserdurchbruchs phantasiert?
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Nachschlag - Römerlager in Porta Westfalica - Barkhausen
Anfang August 2008 hatte sich der Vize-Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe Dr. Daniel Bérenger mit abenteuerlichen
Spekulationen über die Infrastruktur der Varusschlacht ins öffentliche Rampenlicht gerückt. Trotz äußerst dünner Fundlage war sich
Bérenger zu 100 Prozent sicher (»er spüre das in seinen Knochen«), in Porta Westfalica-Barkhausen nicht nur irgendein
römisches Lager, sondern exakt das Lager gefunden zu haben, in dem Varus residierte, bevor er im Sommer 9. n. Chr. in die Katastrophe
marschierte. Bérenger, der bisher eher das Image eines nüchtern denkenden, wenig visionären hauptamtlichen Bedenkenträgers
hatte, verblüffte plötzlich mit hellseherischen Fähigkeiten: Ohne auch nur einen einzigen Befestigungsgraben gefunden zu haben
(»die momentan untersuchte Fläche liege irgendwo mittendrin«), wusste er gegenüber den Medien nicht nur zu berichten, wie groß das Lager
war (»mindestens 16 ha«), sondern auch, wo vermutlich die Kommandantur des Varus’ (»zeigt auf einen Hügel«) und die
Mannschaftsunterkünfte (»und da die Baracken oder Zelte für 6.000 Soldaten«) gestanden haben.
Die sensationellen Nachrichten wurden von den Medien bundesweit aufgegriffen: Die Schlagzeilen reichten vom eher
realistischen »Auf den Spuren eines Römerlagers« bis hin zum grotesken »Wo Varus’ Mannen einst rasteten«. In der Folge
entwickelte sich das Grabungsgelände zu einer Pilgerstätte für Archäologen aus der ganzen Republik. Besonders begeistert und stark vertreten die
Archäologen aus Kalkriese, die wohl ihr Glück kaum fassen konnten, dass sie nur wenige Monate vor dem Beginn des Varusjahr 2009
ausgerechnet von den ostwestfälischen Denkmalpflegern massive Schützenhilfe für ihre in die Kritik geratene Verortung der
Varusschlacht am Kalkrieser Berg bekamen. Auch dem einfachen Volk wurde Gelegenheit zum Staunen vor Ort gegeben. Kurzfristig wurde
das Grabungsgelände in das Besichtigungsprogramm für den »Tag des offenen Denkmals« am 14.09.08 aufgenommen. Für die vor Ort
verantwortliche Grabungsleiterin, Hannelore Kröger, drohte dies angesichts der im Vorfeld hochgeschraubten Erwartungshaltungen
einerseits und der sehr bescheidenen Fundlage andererseits kein einfacher Tag zu werden.
Was hatte sie vorzuweisen? Ein paar römische Münzen, eine Gewandspange, ein Ziergesicht vom Henkel einer Bronzekanne, Sandalennägel,
Bleilote und -gewichte und ein Mühlsteinfragment, das sowohl römischer als auch germanischer Herkunft sein könnte. Darüber hinaus jede
Menge germanischer Tonscherben und Leichenbrandspuren. Aber eben nichts, was als einigermaßen verlässliches Indiz für ein römisches
Marschlager taugte. Es war nicht einmal klar, ob die Spuren auf ein römisches oder eher auf ein germanisches Lager hindeuteten.
Vergleichsweise sichere Indizien gab es nur für einen cheruskischen Friedhof, der von ihrem Chef Bérenger flugs in die Zeit nach
dem Abzug der Römer datiert worden war. Dabei hatte man erheblichen Aufwand betrieben, um fündig zu werden. Fast zwei Dutzend Ausgräber
waren auf dem Gelände seit Wochen im Dauereinsatz, und extra aus dem Südwesten der Republik hatte man Spezialisten anreisen lassen, die
das Gelände elektromagnetisch sondierten. Eine dabei gefundene vielversprechende lineare Bodenstruktur erwies sich jedoch nicht als der
herbeigesehnte römische Spitzgraben, sondern als nachkriegszeitliches Fernmeldekabel der britischen Besatzer.
Kröger zeigte sich daher gegenüber dem Besucherstrom sichtlich bemüht, die von ihrem Chef ins Exorbitante beförderten
Erwartungshaltungen wieder auf ein vertretbares Niveau zurückzuschrauben. Sie räumte wiederholt ein, dass bislang nichts gefunden
wurde, was einigermaßen belastbar auf die Existenz eines Römerlagers, geschweige denn auf das Sommerlager des Varus’ hinweisen
würde. Bestätigt seien bisher nur die Anwesenheit römischer Legionäre. Soviel Zurückhaltung war aber gegenüber den vielen
Besuchern gar nicht erforderlich, denn schon ihre schlichte Bemerkung:
»Hier sind die Römer gewesen«, wurde von der Menge (die Presse sprach von »Massen«) »staunend« zur Kenntnis
genommen. Dagegen zeigt sich Bérenger, der offenbar besser weiß, wie es um die Kritikfähigkeit der Öffentlichkeit bestellt ist, weiterhin
ungebrochen optimistisch. Er glaubt fest daran, doch noch einen römischen Spitzgraben oder eine Münze mit dem Gegenstempel des Varus zu finden.
Er ist sich seiner Sache so sicher, dass er meint, sogar spöttelnd bemerken zu können, dass man wohl nie einen Zettel finden wird, »auf dem
Varus ›Ich war hier‹ geschrieben hat«. Da möchte man hinzufügen: Wozu auch, denn nach eigenem Bekunden bezieht er seine Gewissheit ja weniger aus den Befunden,
als aus der Befindlichkeit seiner Knochen!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Von mir wird durchaus für möglich gehalten, dass sich am Weserdurchbruch und vielleicht sogar auf der jetzt
untersuchten Fläche ein Römerlager befunden hat. Kritisiert und attackiert wird hier die von der tastsächlichen Befundlage völlig abgekoppelte
Inszenierung eines Grabungsgeländes durch den Vize-Chefarchäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Dem geht es offenbar weniger
darum, die Öffentlichkeit seriös über neue Funde zu informieren, als vielmehr im bevorstehenden Varusjahr 2009 in den Medien gut positioniert
zu sein. Wenn Herr Bérenger wirklich so besessen davon ist, Römerlager zu finden, wie er derzeit überall vorgibt, dann sollte er, statt
alberne Spekulationen über den Standort der Kommandantur des Varus’ in die Welt zu setzen, z. B. das ihm wohl bekannte Buch »Römer an Lippe
und Weser« des (leider schon verstorbenen) Studienrates und Amateurarchäologen Rolf Bökemeier zur Hand nehmen. Darin findet er eine
Vielzahl von vermuteten Standorten für Römerlager in Ostwestfalen-Lippe, die durch zahlreiche Indizien (Luftbildauswertungen, Prospektionen,
Funde, historische Quellen) plausibel belegt sind.
Denn, erfolgversprechender als heiße Luft über einer dünnen Befundlage zu quirlen, ist es sicherlich, mit dem Spaten überall dort die Erde zu
bewegen, wohin bereits zahlreiche Indizien deuten. – Allerdings nur, wenn man unter Erfolg die Funde römischer Hinterlassenschaften versteht
und nicht das Erscheinen des eigenen Namens in den Medien.
Quellennachweise
WDR.de vom 14.09.08: »Varus’ letztes Lager«; URL: http://www.wdr.de/themen/wissen/archaeologie/varusschlacht/lager.jhtml
Mindener Tageblatt vom 15.09.08: »Wo Varus’ Mannen einst rasteten«; URL: http://www.mt-online.de/mt/lokales/minden/?cnt=2576670
Bökemeier, Rolf (2004): »Römer an Lippe und Weser – Neue Entdeckungen um die Varusschlacht im Teutoburger Wald«. Höxter
G.M., 21.09.08
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe betreibt im Neubaugebiet »Auf der Lake« in Porta Westfalica-Barkhausen einen erheblichen
Aufwand, um belastbare Indizien dafür zu finden, dass sich hier das Sommerlager des Varus’ befand. Diverse Ausgräber wurden von
anderen Grabungsgeländen abgezogen und 15 Ein-Euro-Jobber sind im Dauersatz. Bisher ist es ihnen allerdings noch nicht gelungen,
die abenteuerlichen Spekulationen des Vize-Chefarchäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe »Dr. Daniel Bérenger« über
das letzte Lager des Varus’ mit Indizien zu unterfüttern. Und so drohte der »Tag des offenen Denkmals« am 14.09.08 kein einfacher
Tag für die verantwortliche Grabungsleiterin vor Ort, Hannelore Kröger, zu werden.
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Fehlstart zum Varusjahr 2009: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe rudert sein vermeintliches Flaggschiff »Römerlager-Barkhausen« weit hinter die Startlinie zurück
Wir erinnern uns: Mächtig hatte sich der Vize-Chefarchäologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe Dr. Daniel Bérenger Anfang August 2008 ins Zeug gelegt und der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt: »Wir haben das Schönste gefunden, was wir uns vorstellen konnten – wir haben ein Römerlager gefunden.« Und zwar nicht irgendein Römerlager, sondern wahrscheinlich das Römerlager, in dem »Varus im Jahre 9 residiert hat, bevor er in die Schlacht gezogen ist«. Weil er das in »seinen Knochen spüre«, war er sich schon zu »100 Prozent« sicher bevor belastbare Funde entdeckt wurden.
Am 17.12.08 näherte sich dann die Stunde der Wahrheit, in der die Öffentlichkeit erfahren sollte, wie es um die Verlässlichkeit von Bérengers Knochen bestellt ist. In einer Pressemitteilung kündigte der LWL für den 06.01.09 einen Ortstermin auf dem Grabungsgelände an, bei dem Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale eine Zwischenbilanz der Grabungsergebnisse in Barkhausen vorstellen würde. Was sie dort zu berichten hatte, resümierte das Mindener Tageblatt vom 07.01.09 sachlich-nüchtern wie folgt:
»Zelthering weist auf vorübergehende Nutzung hin (...) Das Sommerlager des Varus ist es wohl nicht, was Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Barkhausen am Ufer der Weser gefunden haben. Diese erste optimistische Einschätzung aus dem Sommer rücken die Historiker nach einem halben Jahr Ausgrabungen zurecht.« Erstaunlicherweise war in dem gesamten Artikel keine Stellungnahme von Bérenger zu lesen, obwohl er auf dem Ortstermin anwesend war. Schwieg er aus Scham oder haderte er nur still mit der Verlässlichkeit seinen Knochen?
Dafür legte sich Rüschoff-Thale um so mehr ins Zeug. Sie mühte sich allerdings vergeblich, an die Euphorie, die Bérenger im August 2008 verbreitet hatte, anzuknüpfen: »Barkhausen sei ein wunderbarer Fundplatz zum Varus-Jahr. Eine der zahlreichen römischen Truppen ist hier vorbeigekommen und hat sich hier kurze Zeit aufgehalten«. Im Klartext: Statt des großspurig proklamierten Sommerlagers, in dem Varus eine seiner letzten Nächte verbrachte, hatte man einen Ort gefunden, an dem sich irgendwelche römische Truppen kurzzeitig aufgehalten hatten.
Und weil es nicht viel Spannendes über die 20 römischen Objekte, die auf 5.000 Quadratmeter Fläche im Baugebiet »Auf der Lake« gefunden wurden, zu berichten gab, nutzte Rüschoff-Thale die Gelegenheit, über ihre berufliche Vergangenheit als Archäologin zu schwärmen: »Endlich mal wieder in einem Bauwagen. Das ist wie nach Hause kommen.« Und der kalte Wintertag sei das richtige Wetter um »Funde zu waschen«. Hatte sie das zuvor nicht bereits ziemlich erfolglos versucht?
G.M., 22.01.09
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Was von Bérengers »Sommerlager des Varus’« übrig geblieben ist, aber ein Zelthering, ein Mühlsteinfragment
sowie ein paar Bleilote und Sandalennägel machen noch lange kein Sommerlager...
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Warum sich die Archäologen so schwer mit der Geschichte tun...
In kaum einer Disziplin ist das Versagen oder die Beschränktheit schulwissenschaftlicher Forschung so schlecht zu verbergen, wie in
der Archäologie. Dies hat verschiedene Gründe: Der erste besteht darin, dass
sich die Archäologie in geradezu dogmatischer Verbohrtheit, der Pflege ihrer
traditionellen Theoriebestände verpflichtet fühlt. Die tatsächliche
Befundsituation und die unbefangene Erkenntnisfindung bleiben bei solch einer
Einstellung regelmäßig auf der Strecke. Den typischen Archäologen zeichnet am
Ende seiner universitären Ausbildung aus, dass er nur sieht (und das aber bis
in kleinste Detail!), was sein darf und nur findet was sein kann. Mit anderen
Worten, er zeigt ausgesprochen wenig Bereitschaft sich von ›merkwürdigen
Befunden‹, die nicht zur herrschenden Lehrmeinung passen, irritieren zu lassen.
So wird ein rechtsrheinisches Steingebäude auch wenn seine Mauerfugen zweifelsfrei aus
römischem Mörtel (Abtei Corvey, Höxter) bestehen oder wenn gar eine nur
aus römischen Gebäuden bekannte Unterbodenheizung und durch
Isotopenuntersuchung römischer Bleiwasserrohre (Klosteranlage Tom Roden ebenfalls
bei Höxter) nachgewiesen wurden, ignorant als mittelalterliche Anlage
klassifiziert, weil die herrschende archäologische Lehrmeinung römische
Steingebäude nur linksrheinisch zulässt. Der erste Direktor der
Römisch-Germanischen Kommission (RGK) des Deutschen Archäologischen Instituts Prof.
Dr. Dr. h.c. mult. Siegmar von Schnurbein hat in 2005 das
archäologisch Denkbare wie folgt diktiert: »... östlich
von Haltern haben die Römer keinen Stein angerührt. [Die] Meinung, die Römer
hätten etwa in Höxter-Corvey, bevor die Mönche an die Weser kamen, ihrerseits
ein castrum errichtet, ist schlicht indiskutabel.«
Derselbe von Schnurbein hat allerdings - wenn es denn Not tut- keine Probleme,
seine Dogmen über Bord zu werfen. Dies zeigt der Fund der römischen
Stadtgründung Waldgirmes in der Nähe von Wetzlar. Hier hatte die ehrenamtliche
Denkmalpflegerin Gerda Weller Ende der 1980er Jahre systematisch Äcker
und Baugruben in der Nähe eines durch Luftbildauswertung identifizierten
römischen Militärlagers abgesucht und Scherben von germanischer und römischer
Herkunft gefunden. Die daraufhin eingeleiteten intensiven Erkundungen führten
zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Römer hier offenbar mitten in
Germanien eine Stadtgründung vorgenommen hatten, in der beide Völker friedlich
koexistierten. Von Schnurbein, der zwischenzeitlich zum Chefarchäologen
arriviert war, kommentierte wie folgt: »Es handelt sich um den ältesten
römischen Steingrundriss, den wir überhaupt in Germanien kennen«. Mit
anderen Worten, wenn man bedingt durch Funde, die nicht ignoriert werden
können, mit einer Doktrin ins Hintertreffen zu geraten droht, ist es ratsam,
sich durch deren superlative Verneinung an die Spitze der neuen Bewegung zu
setzen.
Der zweite Grund für das schwer zu verbergende Versagen
der offiziellen Archäologie besteht darin, dass sich die Denkmalpflegebehörden
mit Fragestellungen beschäftigen, die nicht in abstrakte, schwer
kommunizierbare Wissenschaftswelten (wie z. B. die Quantenphysik) abdriften,
sondern auch dem interessierten Laien relativ leicht zugänglich sind.
Archäologische Befunde sind immer auch ein Bestandteil der heimatlichen
Geschichte, und so gibt es viele Menschen, die sich nicht mit dem ›Konsumieren‹
archäologischer Forschungsergebnisse begnügen, sondern mit großem Engagement
eigene Studien betreiben. Der Archetyp für diesen interessierten Laien ist
sicherlich der Oberstudienrat im Ruhestand, der akribisch die lokale oder
regionale Geschichte erforscht und mit seinen Befunden und Interpretationen die
Arbeit der Denkmalbehörden unterstützend ergänzt. Dieser heimatverbundene
Oberstudienrat hat heute aber Konkurrenz bekommen, nicht nur von Schatz
suchenden Sondengängern oder nüchtern denkenden Ingenieuren, sondern auch von
der gut organisierten archäologischen Arbeitsgruppe mit eigenem
Internetauftritt.
Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen privaten oder
ehrenamtlichen Aktivitäten wirkt die Arbeit der Denkmalbehörden oft
schwerfällig. Durch öffentlich geäußerte Kritik in die Defensive gedrängt,
verteidigen die Denkmalbehörden ihren Mangel an Initiative stets damit, dass
sie aufgrund ihrer personell und finanziell schlechten Ausstattung nicht in der
Lage sind, jedem Hinweis nachzugehen. Vielmehr seien sie aufgrund der vielen
Baumaßnahmen voll damit ausgelastet, von Notgrabung zu Notabgrabung zu eilen,
um unmittelbar von der Zerstörung bedrohte Fundsituationen zur erfassen und
auszuwerten. Kein Wunder, dass in den letzten Jahrzehnten regelmäßig findige
Heimatforscher mit fundierten Monographien bestehende Geschichtsbilder in Frage
stellen und Sondengänger, die weniger auf Lehrmeinungen als ihren
Metall-Detektoren und ihrer Spürnase vertrauen, mit bestechenden Funden ins
Rampenlicht der Öffentlichkeit geraten. Der aufsehenserregendste Fund ist
sicherlich die Himmelscheibe von Nebra.
Auch wenn es sich bei dem zuvor erwähnten Fund zweifelsfrei um einen gravierenden Fall von Raubgräberei handelt, sollte man
diesen Begriff vorsichtig verwenden. Die überwiegende Zahl der Sondengänger
sind keine am schnellen Geld interessierten Schatzsucher, sondern
Hobbyarchäologen, die sich häufig sogar redlich bemüht haben, bei den
zuständigen Denkmalbehörden Anerkennung für ihre Arbeit zu finden und mit ihnen
zusammenarbeiten. Leider neigt die hauptamtliche Archäologenschaft dazu, solcherlei
laienhaftes Engagement zu belächeln und als lästige Konkurrenz zu empfinden.
Nicht auszuschließen, dass durch solcherlei Ablehnung mancher enttäuschte
Sondengänger in die mehr oder weniger professionelle Raubgräberei abgedrängt
wurde. Dabei lautet der am Häufigsten gegen Hobbyforscher ins Feld geführte
Vorbehalt, dass sie Funde entwerten, in dem sie Fundsammenhänge zerstören.
Tastsächlich sind Fundstücke durch die intensive Landnutzung der
Industriegesellschaft aber oft häufig einer viel stärkeren Bedrohung und Entwertung
ausgesetzt, wenn sie nicht geborgen werden.
Die Fronten zwischen hauptamtlicher und Hobbyarchäologie
sind durch den disziplinären Aberglauben definiert, dass qualifizierten Experten
auf der einen Seite wissenschaftliche Laien auf der anderen Seite gegenüber stehen.
Dies ist ein Aberglauben, weil man erstens keine Universität besucht haben
muss, um sich in ein Fachgebiet einzuarbeiten und zweitens die so genannten
Laien, durch ihr berufliche Herkunft häufig Experten auf Gebieten (wie z. B. Architektur
oder Straßenbau) sind, in denen universitäre Archäologen fast durchweg durch
Laientum glänzen. Hinzu kommt, dass gerade die Tatsache, dass Hobbyforscher
keine archäologische Kaderschmiede durchlaufen haben, die besten
Voraussetzungen dafür schafft, dass sie eine größere Bereitschaft zeigen, sich
von unerwarteten Befunden irritieren zu lassen. Hobbyarchäologen (und
Sondengänger) sind somit ein zwar vielleicht lästiges, aber notweniges Korrektiv
zur hauptamtlichen Archäologenschaft.
Im Folgenden soll die Problematik an zwei Texten vertieft
werden: Der bemerkenswerte erste Text (nur die Überschriften sind von mir)
stammt aus einem Internet-»Geschichtsforum«.
Der Autor ist ein Forumsmitglied mit dem Nickname »Cato«. Der zweite Text ist
eine kurze Zusammenschau von Kernaussagen aus Vorträgen und Schriften*
des promovierten Architekten Dr. Horst Leiermann, Essen,
der sich um die Erforschung der rechtsrheinischen römischen Logistik und Infrastruktur verdient gemacht hat.
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Dr. Grote, international erfahrener Kreisarchäologe, wurde erst durch Hinweise
aus Raubgräberszene darauf aufmerksam, dass direkt vor seiner Haustür eine archäologische Sensation liegt.
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Über die Arbeit des Denkmalschutzes
Der Fall des Römerlagers Hedemünden
Die von Oppermann-Schuchardt als germanische Fliehburg der
vorrömischen Eisenzeit bezeichnete Hünenburg bei Hedemünden (Kreis Göttingen) wurde
1965 abermals einer genaueren Untersuchung unterzogen. Der Frühgeschichtler H.-G.
Peters konnte anhand einer Reihe von Flächenschnitten und zwei C14-Daten
von Holzkohle die Angaben Oppermann-Schuchardts bestätigen.
Erst als Ende der 1990er Jahre Hinweise auf römische Funde
aus Kreisen privater Sondengänger an den Kreisarchäologen Dr. Grote
herangetragen wurden, widmete man sich erneut der Befestigungsanlage oberhalb
der Werra. Bereits bei der ersten Begehung war das Ergebnis äußerst
überraschend. Dicht unter der Oberfläche konnten zahlreiche Metallobjekte
eindeutig römischer Herkunft geborgen werden (leider wurden auch viele Spuren
illegaler Sucher vorgefunden). Die darauf gefasste Vermutung, es handele sich
um eine Anlage römischen Ursprungs, konnte in den folgenden Kampagnen bestätigt
werden.
Die ganze Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Komik,
da der zuständige Kreisarchäologe, der bereits seit 18 (!) Jahren in Göttingen in
Diensten stand, erst durch die Aktivitäten von Laien darauf hingewiesen werden
musste, dass sich gewissermaßen direkt vor seiner Haustür ein sensationelles
Objekt befindet, das in der wissenschaftlichen Literatur lediglich falsch
gedeutet war.
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht, erforscht Herr Dr. Grote
nun die Anlage mit umso größerem Enthusiasmus und überzeugt in seinen Vorträgen
und Veröffentlichungen mit wissenschaftlicher Kompetenz. Aber hätte es erst
soweit kommen müssen? Welche Funde von Hedemünden gingen zuvor durch
Raubgräberei der Wissenschaft für immer verloren?
Der Fund des Römerschlachtfeldes in Kalkriese
Als 1987 ein etwas sonderbarer britischer Offizier mit
einem noch sonderbareren Gerät an den Osnabrücker Kreisarchäologen Dr.
Schlüter mit der Bitte herantrat, nach römischen Münzen bei Alt-Barenau
(Bramsche-Kalkriese) suchen zu dürfen, wurde er etwas mitleidig belächelt. Seit
Jahrhunderten wurden auf den dortigen Feldern Denare der Republik und frühen
Kaiserzeit gefunden, aber wer würde heute Kalkriese kennen, wenn Mr. Clunn
nicht so an diesem Ort interessiert gewesen wäre?
Der Numismatiker Frank Berger hat 1984 ein kleines Büchlein
unter dem Titel »Römisches Geld gefunden in Niedersachsen« veröffentlicht und
die umfangreichen Funde von Alt-Barenaue ausdrücklich erwähnt. Warum ist er
dieser Sache nicht, in Kooperation mit Dr. Schlüter, weiter
nachgegangen, sondern hat auf Tony Clunn gewartet? Es drängt sich der
Verdacht auf, dass unsere Archäologen jahrzehntelang etwas witterungsscheu waren
und die Initiative stets von Hobbyforschern ausging.
Man könnte nun entgegnen, es mangele den Denkmalschutzbehörden an
den notwendigen finanziellen Mitteln. Warum greift man aber nicht vermehrt auf
ehrenamtliche Sucher zurück? Tony Clunn hat dem Land Niedersachsen
keinen Cent gekostet! Natürlich hört man dann, dass Laien mehr zerstören, als
sie der Wissenschaft Nutzen bringen. Diese Sicht der Dinge ist allerdings
realitätsfremd, da ohnehin in großem Ausmaß gesondelt wird.
Das partielle Erwachen der Archäologenschaft
Nach dem Fall von Hedemünden ist man zumindest in Niedersachsen
aufgewacht und untersucht, nach den Aussagen Dr. Grotes, einige
verdächtige Wallanlagen im Wettlauf mit illegalen Sondengängern erneut. Da man
die ungefähre Marschleistung römischer Heeresverbände in Germanien einschätzen
kann, sollte es möglich sein, so Dr. Grote, weitere (bekannte) Befestigungen
eventuell als römisch zu identifizieren.
Und siehe da: man hat auch schon zwei Objekte (bei Peters
noch als »Hünenburgen« bezeichnet) ausgemacht, die nach näherer Betrachtung als
heiße Kandidaten römischer Lager angesehen und bereits der genaueren
Erforschung unterzogen werden. Es kann also in naher Zukunft damit gerechnet
werden, dass weitere Erkenntnisse über die römische Präsenz im
rechtsrheinischen Germanien anstehen.
Also, liebe Freunde vom Denkmalschutzamt: Gummistiefel anziehen
und die Metallsonde auspacken, anstatt aus den vergilbten Seiten von Oppermann-Schuchardt
zu zitieren!
Die Argumente der hauptamtlichen ›Schläfer‹ und ein Wettlauf, der längst begonnen hat
Das Argument der Denkmalschutzämter, die Relikte im Boden für
spätere Generationen mit besseren Untersuchungsmöglichkeiten ruhen zu lassen,
kann ich nicht nachvollziehen. Die Metallfundstücke, um die es hier in erster
Linie geht, treten auf Anhöhen in der Regel nicht einmal 15 cm unter der
Oberfläche auf, in Hedemünden nach Aussagen Grotes sogar direkt an der
Oberfläche.
Seit etwa 20 Jahren sind leistungsstarke Metallsonden für Jedermann erschwinglich
und es existieren regelrechte Tauschbörsen und –foren bezüglich der
Raubgräberei. Das Lager von Hedemünden wurde wahrscheinlich jahrelang
geplündert, so dass die zur Datierung wichtigen Münzfunde relativ spärlich
waren. Wie auch immer, für Kalkriese ist es ein Glücksfall gewesen, dass Tony
Clunn so ein ehrlicher Kerl war und nicht mit den immerhin über hundert von
ihm gefundenen Denaren ins britische Empire verschwand.
Dass zufällig bei Bauvorhaben entdeckte Stätten nur noch durch Notgrabungen
untersucht werden können, ist klar. Mir geht es aber um die bekannten, in der
Literatur veröffentlichten Wallanlagen, die mit den neuen Methoden noch einige
Geheimnisse preisgeben könnten. Selbstverständlich sollten die Aktivitäten der
Laien unter Anleitung von Fachleuten stattfinden und von diesen übernommen
werden, wenn relevante Funde zutage treten (wie in Kalkriese und Hedemünden).
Fest steht jedoch, dass der Wettlauf zwischen Raubgräbern und
Denkmalschützern längst begonnen hat, nur haben es letztere noch nicht
begriffen. Offensichtlich ist die Situation in Hessen günstiger, in
Niedersachsen jedoch wird auf die Mithilfe ehrenamtlicher Sucher verzichtet und
das Feld den illegalen Sondengängern überlassen.
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Im Fall des Römerlagers »Hedemünden« hatten die zuständigen Denkmalbehörden einige Jahrzehnte verstreichen lassen, bis sie von
Amateurarchäologen mit der Nase darauf gestoßen wurden, dass sich vor ihrer Haustür kein Germanisches sondern ein Römerlager befand.
Bis dahin hatten findige, weniger starrsinnig denkende Raubgräber schon eine Vielzahl von Funden aus der Lagerfläche abgeräumt.
Anlässlich dieser Behördenignoranz hat sich in dem hier abgedruckten Beitrag ein unter dem Nickname »Cato« in einem Geschichtsforum
aktives Forummitglied Gedanken über die Arbeit des Denkmalschutzes und dessen Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Sondengängern gemacht.
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Zur Fundsituation von Römerlagern zwischen Lippe und Weser
Von der hauptamtlichen Archäologenschaft ist zwischen Lippe und Weser bisher kein einziges Römerlager
identifiziert worden. Das letzte am Oberlauf der Lippe bei Anreppen Mitte der
1960er Jahre entdeckte Lager, ist Dank spielender Kinder gefunden worden, die
ihrem glücklicherweise an Geschichte interessierten Lehrer "schöne" Scherben römischer
Herkunft mit in die Schule gebracht hatten. Die zwischenzeitlich
abgeschlossenen Erkundungen hatten unter anderem zum Ergebnis, dass die
parallel zur Lippe laufende Römerstraße an dem Lager vorbei weiter in Richtung
Osten führt. Schon aus diesem Indiz lässt sich eine große Wahrscheinlichkeit
ableiten, dass Anreppen keine Endstation, sondern Teil einer Lagerkette ist.
Die zuständigen Denkmalbehörden haben bisher jedoch keine ernsthaften Anstalten
gemacht, nach weiteren Lagern zu suchen. Der Hobbyarchäologe Dr. Leiermann,
der von Lagerketten oder gar Lagerfächern im Raum zwischen Lippe und Weser
ausgeht, sagt, was von der hauptamtlichen Archäologie eigentlich getan werden
müsste, um den Fund weiterer Lager nicht dem Zufall zu überlassen.
Um Römerlager zu lokalisieren, sollte man sich nach Dr. Leiermann zunächst der Logistik des
römischen Militärs bewusst sein: 1. Es hatte keine Luftlandetruppen, wie moderne
Armeen und mussten deshalb Zwischenetappen und Vormarschstraßen festlegen; 2.
Es verfügte über keine Kühlkette für die Versorgung der Legionen mit
Frischgemüse, deshalb Anlage von Landwirtschaft im Umfeld der Lager; 3. Der
Transport von Nachschub zu Wasser ist etwa dreißig Mal effektiver als zu Land.
Der Verlauf von Gewässern hat daher einen erheblichen Einfluss auf die
Vormarschlinien; 4. Die Tagesleistung einer Legion beträgt knapp 25 km; 5. Das
römische Militär sah zur Übernachtung der Legionen befestigte Lager vor; 6. Es
gab daher in Vormarschgebieten Lagerketten und vor Engpässen oder
Flussüberquerungen sogar Lagergruppen, denn zur Vermeidung von Diebstählen war
es vorteilhaft, wenn jede Legion ihr eigenes Lager hatte; 7. Die Legionen zogen
im März ins Feld (Märzfeld); 8. Die Römer waren mindesten 18 Jahre (von 9 vor
bis 9 nach der Zeitenwende) in Germanien, sind also mit ihren Legionen
(Sommer-/Winterlager) mindestens 36 Mal durch Germanien gezogen.
Unter Berücksichtigung dieser
Überlegungen gibt es verschiedene Möglichkeiten Lager zu lokalisieren: 1.
Einsicht in aktuelle und alte Luftbilder (Luftfotos der Alliierten am
Kriegende); 2. Erstellen neuer und Luftbilder mit Normal- und Infrarot-Filmen
an Verdachtsstandorten; 3. Absuchen vermuteter Lagergelände und Straßentrassen
mit Metalldetektoren; 6. Größenvergleiche gefundener Lager; 7. Untersuchung und
Aufmaß der Böschungen und des Böschungswinkels von Böschungen und Gräben; 8.
Vergleich der gefundenen Eckradien untereinander und mit den Ecken
ausgegrabener Lager; 9. Untersuchung der gefundenen Lager mit Geomagnetik und
Bodenradar; 10. Ausgrabung (Schnitt durch Wall, Gräben und Ausfallstraßen). 10.
Erfassen frühmittelalterlicher Stützpunkte (Klöster, Kirchen, Pfalzen etc.);
11. Untersuchung von Sprachdenkmälern (Flurnamen etc.). Durch diese Methoden
können vermutete Lagerstandorte bestätigt oder widerlegt werden. Die
Ernsthaftigkeit einer Forschung sollte sich bekanntlich nicht nur am Positiv-,
sondern auch am dokumentierten Negativbeweis zeigen.
Das bei der Suche nach Römerlagern bisher nicht systematisch nach diesen Punkten vorgegangen worden
ist, liegt nicht vorrangig – wie häufig betont wird - an der personellen
Unterbesetzung der Denkmalbehörden, sondern vor allem an deren mangelnder Qualifikation.
Die hauptamtlichen Denkmalpfleger sind vorwiegend darin geschult ›auszugraben‹
und haben von Logistik und damit fächerübergreifenden Arbeiten keine oder doch
zumindest wenig Ahnung. Tatsächlich sind aber eine Vielzahl von Disziplinen bei
der Suche nach Römerlagern notwendig: Schon nach alter Theorie sind dies:
Historiker, Kunsthistoriker, Theologen, Philologen, Archäologen, Geologen,
Biologen und Klimatologen. Nach neuen Erkenntnissen kommen Architekten,
Statiker, Wasserbauer, Straßenbauer, Seeleute, Militär, Landwirte und
Betriebswirte hinzu. Der typische Denkmalpfleger ist Historiker und Archäologe
und erkennt Lagerstandorte vor allem an Funden. Aus der Abwesenheit von
hochkarätigen Funden schließt er daher auf die Abwesenheit von Lagerstandorten.
Dr. Leiermann vergleicht die Effektivität der Archäologen mit der Effektivität von
Kriminalbeamten. Die Kriminalpolizei würde derzeit über 90 % aller Mordfälle
aufklären: Es lohne sich daher nicht zu morden! Die hohe Aufklärungsquote
hängt damit zusammen, dass Kripobeamte darin geschult sind, jeder Spur
nachzugehen und einen Mordfall nicht ad acta legen, nur weil sich keine
Fingerabdrücke, also hochkarätige Spuren finden lassen. Leiermann schlägt
folgendes Experiment vor: Kripobeamte und Denkmalpfleger sollten für ein Jahr
ihre Arbeitsplätze tauschen. Das Ergebnis sei mit hoher Wahrscheinlichkeit
folgendes: Nach einem Jahr würde es jede Menge Römerlager geben, aber auch jede
Menge Mörder, die frei rumlaufen würden. Dies zeigt, dass es sehr wünschenswert
wäre, wenn die hauptamtlichen Archäologen mit Hobbyforschern, die bei der
Spurensuche über eigene Qualitäten verfügen, zusammenarbeiten würde. Es stehen
sich hier also nicht Experten und Laien gegenüber, sondern Gruppen, die sich in
ihren Wissensprofilen unterscheiden. Um hier einen Schritt in die richtige
Richtung zu machen, heißt es für den typischen Denkmalpfleger nicht nur
Gummistiefel an, sondern auch raus aus dem Elfenbeinturm!
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Der Architekt und streitbare Amateurarchäologe »Dr. Horst Leiermann« hat in seinen bisher acht Gelbbüchern originelles Material
zur Präsenz der Römer in Westfalen zusammengestellt. Weil er das Kloster Corvey in der Öffentlichkeit immer wieder als ein Bauwerk
auf römischer Basis bezeichnet hat, wurde er sogar mit einem Hausverbot belegt. Hier macht er sich Gedanken zur Fundsituation von
Römerlagern zwischen Lippe und Weser.
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Nachbemerkung:
Das Jubiläumsjahr der Varusschlacht
in 2009 steht vor der Tür. Das »Lippische Landesmuseum Detmold« hat sich mit der »VARUSSCHLACHT
im Osnabrücker Land gGmbH« darauf geeinigt, dass die
Kalkrieser den Ort des Schlachtgeschehens beanspruchen dürfen, während die
Lipper den Mythos der Schlacht thematisieren. Nun bröckeln
bekanntlich seit einiger Zeit die Beweise für Kalkriese als Ort der
Varusschlacht auseinander. Kaum ein Wissenschaftler ist noch bereit, sich auf
Kalkriese festzulegen und selbst die Hauptverantwortlichen für die Verortung in
Kalkriese der Osnabrücker Althistoriker Prof. Dr. Rainer Wiegels und die
Chef-Ausgräberin der ›Kalkrieser Varusschlacht‹ Dr. Susanne Wilbers-Rost
rudern offen zurück und denken laut darüber nach, ob der Fundplatz in Kalkriese
nicht besser zu den militärischen Vorgängen in der spätaugusteischen Phase
passt. Diese Entwicklung wird der Projektleiterin Dr. Elke Treude des
Jubiläumsjahrs in Lippe gar nicht passen, denn die hatte 2001 – quasi im
vorauseilenden Gehorsam – auch Erdwälle unterhalb der Pässe des Teutoburger
Waldes, die nach Rolf Bökemeier** besser als Sperranlagen im Rahmen
germanisch-römischen Schlachtgeschehens interpretiert werden könnten, als
Reste mittelalterlicher Landwehre identifiziert. Laut Treude würde auch
der Topos »Mythos Germanen« Lippe einen »Strauß an Möglichkeiten« offerieren.
Wie dem auch sei, ein spätes, durch ehrenamtliches Engagement und Initiative
herbeigeführtes offizielles Eingeständnis, dass die Varusschlacht nach Lage der
Indizien doch im Teutoburger Wald stattgefunden hat, wäre denn auch wohl eher
der passende Topos für das Versagen einer ganzen Generation von hauptamtlichen
lippischen Archäologen. Kein Wunder daher, dass sie wenig motiviert sind, potenzielle Lagerstandorte
in Ostwestfalen-Lippe zu erkunden!
* Leiermann, Horst (2006): Feldraster - Die Logistik des Varus. Gelbbuch 3
** Bökemeier, Rolf (2004): Römer an Lippe und Weser – Neue Entdeckungen um die Varusschlacht im Teutoburger Wald. Höxter
G.M., 21.03.2007
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