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Automarder am »Mirador d’es Colomer«
Leserbrief vom 14.03.2002 an die Mallorca Zeitung zum Artikel »Viel Polizei, kaum Übersicht« (MZ, Nr. 95, 2002)
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Der »Mirador d’es Colomer« bietet nicht nur eine sensationelle Aussicht für Touristen, sondern
ist auch ein äußerst beliebter Tummelplatz für Automarder.
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Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Redaktionäre,
zu Ihrem interessanten Artikel »Viel Polizei, kaum Übersicht« in der Mallorca
Zeitung möchte ich Ihnen aus eigener Erfahrung berichten:
Ich habe vom 03. - 09. März dieses Jahres an der Bucht von Pollença einen Fahrrad-Aktivurlaub gemacht. Dabei
bin ich – wie schon in den Jahren zuvor – die ca. 50 km lange Tour von Alcúdia zum Cap de Formentor und
zurück gefahren. Auf halber Strecke mache ich meistens am »Mirador d’es Colomer« eine kurze Pause, um die
sensationelle Aussicht zu genießen. Bei meiner Tour am 04.03.2002 ist mir auf dem Parkplatz des Aussichtspunktes
eine Frau aufgefallen, die statt der schönen Natur, die Touristen und deren Mietwagen beobachtete. Kurze
Zeit später unterhielt sie sich mit einem südländisch aussehenden jungen Mann, den sie im Verlauf des
Gespräches gestikulierend auf einen unweit geparkten Mietwagen aufmerksam machte.
Da ich in der Nähe stand, bemerkte ich, dass der junge Mann einen großen Schraubenzieher und einen gebogenen
Draht bei sich trug, die er notdürftig unter seinem Pullover zu verbergen suchte. Kurze Zeit später ging er
unauffällig zu einem silbergrauen Mietwagen und versuchte, dessen Tür aufzubrechen. Ich bin dann sofort auf
den jungen Mann zugegangen und habe ihm erklärt, dass man in Deutschland die Autos mit Schlüsseln und nicht
Schraubenziehern und Drahtschlingen öffnet. Der junge Mann wurde auf meine Bemerkung hin aggressiv und behauptete,
dass es sich um sein Auto handeln würde und ich ihn Ruhe lassen sollte. Darauf hin habe ich ein in Nähe anwesendes
deutsches Paar gebeten, so zu tun, als ob sie auf meine Bitte hin mit ihrem Handy die Polizei anriefen. Als der
junge Mann dies bemerkte, hat er sofort zusammen mit der Frau die Flucht ergriffen und zwar zu Fuß und ohne das
silbergraue Auto.
Von meinem Hotel aus habe ich dann versucht, die Guardia Civil telefonisch über den Vorfall zu informieren.
Der Beamte konnte meine Information jedoch nicht entgegennehmen, da er weder Deutsch noch Englisch sprach.
Stattdessen verwies er mich auf den allgemeinen Notruf 112. Dort war aber ständig ein mir bis dahin nicht
bekannter Piepton zu hören, bei dem es sich vermutlich um ein Besetztzeichen handelte. Ziemlich verärgert
rief ich erneut bei der Guardia Civil an. Der Beamte spürte wohl meinen Zorn in der Stimme und
siehe da, plötzlich war es für ihn kein Problem mehr, mich mit einem deutschsprechenden Kollegen zu verbinden.
Ich habe ihm die Geschichte erzählt und die beiden Personen beschrieben.
Der freundliche Polizist erklärte darauf hin, dass ihnen die Frau gut bekannt sei. Auf meine Frage,
warum man dann den Parkplatz nicht häufiger kontrollieren und die Frau nicht festnehmen würde, teilte
er mir mit, dass die Guardia Civil nur über wenige Streifenwagen verfügen würde. Auf mein
ungläubiges Staunen hin, versicherte er mir allerdings, dass man noch am gleichen Tag einen Streifenwagen
zu dem Parkplatz schicken werde. Ich habe ihm daraufhin gesagt, dass dies wohl zwecklos wäre, weil die
Diebe mit hoher Wahrscheinlichkeit ›über alle Berge‹ seien. Stattdessen schlug ich ihm vor,
doch lieber am nächsten Tag eine Zivilstreife auf dem Parkplatz zu postieren.
Ich habe große Zweifel, ob dies tatsächlich geschehen ist, denn vor genau zwei Jahren im März 2000 hatte
ich auf demselben Parkplatz am »Mirador d’es Colomer« eine ähnliche Geschichte erlebt. Damals
beobachtete ich zwei Männer, die sich auffällig an einem Mietwagen zu schaffen machten, und anschließend
mit einem anderen Fahrzeug auf den Ausweich-Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite fuhren. Da
mir die Geschichte nicht geheuer vorkam, habe ich gewartet, bis die rechtmäßigen Besitzer des Fahrzeugs
vom Aussichtspunkt zu ihrem Auto zurückkamen. Ich sprach sie an und machte sie darauf aufmerksam, dass sich
zwei Männer, ziemlich verdächtig an ihrem Fahrzeug zu schaffen gemacht hätten.
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Luftbild von der Umgebung des »Mirador d’es Colomer«. Oberhalb der sich windenden Straße befindet sich
der direkt an der unteren Aussichtsplattform gelegene Hauptparkplatz und unterhalb der Ausweich-Parkplatz,
auf den sich die Automarder nach dem Einbruch in den Mietwagen zurückgezogen hatten.
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Die junge Frau stellte darauf hin fest, dass ihr 12.000 Peseten, die sie in einem Portemonnaie etwas fahrlässig
in ihrem Mietwagen zurückgelassen hatte, entwendet worden waren. Sie weinte sofort fassungslos. Ich konnte sie
allerdings mit dem Hinweis trösten, dass die mutmaßlichen Diebe noch auf dem gegenüberliegenden Parklatz anwesend
wären. Ich bin darauf hin mit dem jungen Paar zu dem betreffenden Auto gegangen und habe mich provozierend auf das
junge Paar hindeutend vor das Auto der Männer gestellt. Schon nach kurzer Zeit stieg einer der Männer aus und gab
dem Paar das gestohlene Geld zurück, wobei er sich gestenreich entschuldigte, als ob es sich um ein Kavaliersdelikt
handelt.
Anschließend sind die beiden Männer dann auf und davongefahren. Ich habe das Paar nachdrücklich gebeten, umgehend
die Polizei zu informieren. Da ich den Vorfall beobachtet und mir zudem das Kennzeichen des ›Fluchtfahrzeugs‹
der Männer aufgeschrieben hatte, habe ich ebenfalls von meinem Hotel aus die Polizei angerufen und sie über den
Vorfall informiert. Die Polizeibeamtin hielt es nicht für erforderlich, einen Streifenwagen an dem Aussichtspunkt
vorbeizuschicken, da die Männer bereits in einer Stunde in Palma untertauchen könnten. Da mag sie ja recht gehabt
haben, aber ich befürchte, sie hat nicht einmal eine Fahndung eingeleitet.
Im Nachhinein habe ich mich gewundert, dass die Polizei in keinem der zuvor geschilderten Fälle nach meiner
Hoteladresse gefragt hat, obwohl ich doch ein wichtiger Augenzeuge war. Die unrühmliche Krönung der Geschichte
folgte zwei Tage später. Um die grandiose Aussicht einmal unbeschwert genießen zu können (oder vielleicht auch
weil ich wissen wollte, ob die Polizei zwischenzeitlich Maßnahmen ergriffen hatte), bin ich wieder zu dem
Aussichtspunkt gefahren. Und – ich traute zunächst meinen Augen nicht – wieder waren dieselben Männer, die
schon das junge Paar bestohlen hatten, auf dem Parkplatz anwesend.
Ich war frustriert und fassungslos, zumal es mir dieses Mal nur mit viel Mühe gelungen war, sie zu vertreiben.
Irgendwie muss ich lustlos und wenig überzeugend gewirkt haben, als ich sie darauf aufmerksam machte, dass ich
ihr kriminelles Treiben kenne und erneut die Polizei informieren würde. Nur widerwillig stiegen sie ins Auto
ein und rauschten Richtung Port de Pollença ab, vermutlich nur um nach kurzer Zeit, wenn die Luft wieder rein
ist, wiederzukommen. Von einer Polizei- oder gar einer Zivilstreife war auch diesmal nichts zu sehen. Ich konnte
mich deshalb des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht aus Angst vor der Polizei weggefahren sind, sondern weil
ich ihnen durch meine Anwesenheit ihr Geschäft vermasselte.
Weil es sowieso zwecklos ist, habe ich dieses Mal darauf verzichtet, die örtliche Polizei zu informieren.
Im Übrigen fliege ich nach Mallorca, um mit dem Rad, die schöne Landschaft zu erkunden und nicht, um die
Arbeit der Polizei zu erledigen. Mir macht es wirklich wenig Spaß bei jeder zweiten Tour zum Cap, den
Amateurdetektiv zu spielen. Aber die Augen zu machen, kann ich auch nicht. Daran hindert mich schon mein
partiell ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit. Es könnte ja auch mein Mietwagen sein, der da aufgebrochen
wird. Zudem ist mir unbegreiflich, dass die Polizei einer Insel, auf der die Tourismusbranche für die
überwiegende Zahl der heimischen Bewohner die Existenzgrundlage bildet, so wenig Initiative zeigt, um
Urlauber vor Neppern zu schützen.
Was mir in wenigen Urlaubstagen als unfreiwilliger Amateurdetektiv gelingt, sollte der extra für die
Verbrechensbekämpfung ausgebildeten spanischen Polizei doch in zwei Jahren möglich sein, nämlich Automarder,
die am helllichten Tage agieren, zu beobachten, abzuschrecken und – wenn die Indizien ausreichen – aus dem Verkehr zu ziehen.
Und dass dies am mangelnden Personal scheitert, kann ich nicht glauben, da in den Ortschaften zahllose
Streifenwagen patrouillieren. Dass bei der Oldtimer Rallye am 08. 03. 2002 in Port de Pollença ein
Großaufgebot von Polizisten sich ziemlich gelangweilt die Beine in den Bauch stand, sei da nur am Rande erwähnt.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen zur Verfügung.
Viele Grüße
Christopher Handmann
(Mister Marple…)
Nachbemerkung:
Von der MZ erhielt ich kurze Zeit später folgende Antwort:
»Vielen Dank für Ihren interessanten Bericht. Das von Ihnen geschilderte Verhalten der Polizei deckt sich
weitgehend mit den von uns gemachten Erfahrungen. Bitte teilen Sie uns noch mit, ob wir Sie als Quelle zitieren
können, falls wir das Thema erneut aufgreifen.«
G.M., 14.10.12
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Unterirdischer Surrealismus
In der Rezension von Alexis Dworsky’s Buch »Dinosaurier – Die Kulturgeschichte« hatte ich geschrieben,
dass fossile Saurierskelette nicht so lebensnah angetroffen werden wie in der linken Abbildung dargestellt,
die eine für eine Werbekampagne gefakte Fundstätte eines Tyrannosaurus rex zeigt, sondern das Saurierfossilien
in der Regel als fragmentarische Anhäufungen von Knochen vorliegen.
Kürzlich wurde nun in Bayern das europaweit am besten erhaltene Saurier-Fossil entdeckt. Es handelt sich
um ein noch namenloses rd. 70 cm langes Jungtier, das wie der Tyrannosaurus rex zu den
Raubsauriern (Theropoden) zählt. Das rund 125 Millionen alte Fossil ist zu 98 % vollständig und
so extrem gut erhalten, dass sogar Haut- und Haarstücke identifizierbar seien.
Das Fossil gilt als größte Entdeckung in Deutschland seit dem Fund des Archaeopteryx. Obwohl es sich
bei dem Fund um ein Jungtier handelt, ist die Ähnlichkeit des Fossils mit dem adulten Skelett in der
gefakten Fundstätte verblüffend. Hat hier etwa ein unterirdischer Surrealismus, der frühzeitig
ausgetretene Pfade verlassen hat, die wissenschaftliche Sensation vorweggenommen?!
G.M., 20.11.11
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Falkner aus Lippstadt muss 2.400 € Geldbuße zahlen
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Der Täter (links) zeigt einem Polizisten eine seiner Fallen. Die am Fuß festgebundene Ködertaube
ist gut zu erkennen. (Februar 2010)
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Das Komitee gegen den Vogelmord berichtet auf seiner
Website:
»Ein Falkner aus dem Kreis Soest, der von Komitee-Mitgliedern im Februar 2010 in flagranti beim Aufstellen von
illegalen Greifvogelfallen ertappt worden war, stand am 26.01.2011 vor dem Amtsgericht Paderborn. Er gestand das
Aufstellen der Vogelfallen und entschuldigte sich wortreich. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße
an die ›Stiftung Senne‹ in Höhe von 2.400 € eingestellt. Mit einer der Fallen war ein Mäusebussard gefangen
worden - das Tier wurde von Komitee-Mitarbeitern später tot aufgefunden. Der Fallensteller beteuerte, das
Tier nicht getötet zu haben. Leider wurden die Todesumstände des Bussards nicht aufgeklärt.«
Dem möchte ich nur hinzufügen, dass solche im Rahmen eines Rechtsgespräches verhängten milden Geldbußen
nicht die dringend notwendige abschreckende Wirkung gegen die
zunehmende Greifvogelverfolgung haben.
Sie ersparen der Justiz, die wegen der diversen Anklagepunkte meines Wissen ursprünglich vier Verhandlungstage
angesetzt hatte, nur eine aufwendige Urteilsfindung und -begründung.
G.M., 06.03.11
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Ein Falkner, ein entflogener Habicht und ein toter Mäusebussard
Die Lippstädter Tageszeitung »Der Patriot« hat in ihrer Ausgabe vom 11.12.10 darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft
Paderborn Anklage gegen einen Falkner erhoben hat, illegal Greifvögel gejagt einen streng geschützten Mäusebussard getötet zu haben:
»Falkner muss vor Gericht
(…)
Lippstadt . Der Fall hatte Anfang des Jahres landesweit für Schlagzeilen gesorgt, in
Kürze beschäftigt er die Richter: Die Staatsanwaltschaft Paderborn hat Anklage gegen einen 45-jährigen
Hobby-Falkner aus Lippstadt erhoben. Ihm wird vorgeworfen, Ende Februar einen unter Naturschutz stehenden
Mäusebussard getötet zu haben. Das teilte der Sprecher der Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Horst Rürup,
jetzt mit.
Dem Falkner wird zur Last gelegt, Ende 2009, Anfang 2010 in einem Waldstück bei Bad Waldliesborn unbefugt
auf Habichtjagd gegangen zu sein. Dabei soll er so genannte Lebendfallen aufgestellt haben. In einer solchen
mit einer lebenden Taube bestückten Falle soll er dann am letzten Samstag im Februar trotz ganzjähriger
Schonzeit einen Mäusebussard gefangen und anschließend getötet haben. Rürup: ›Habichtvögel, auch Mäusebussarde,
gehören zu den streng geschützten Arten.‹
Ans Tageslicht gekommen war die Jagd auf Greifvögel durch das in Bonn ansässige ›Komitee gegen den Vogelmord‹ und
die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU). Die Vogelschützer hatten an jenem Wochenende das Waldstück
über Stunden beobachtet und die Fallen mit Videokameras überwacht. Am Abend hatten sie nach ihrer Darstellung den
Falkner dann auf frischer Tat ertappt, wie er sich an einer Falle zu schaffen machte. Kurz darauf fanden die
Naturschützer in der Nähe einen getöteten Bussard.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Lippstädter Verstöße gegen Bundesnaturschutzgesetz, Bundesjagdgesetz und
Tierschutzgesetz vor. Der Prozess findet laut Rürup vor dem Amtsgericht Paderborn statt, weil dies auf
derlei Umweltdelikte spezialisiert ist.
G.M., 24.12.10
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Ein Falkner, ein entflogener Habicht und ein toter Mäusebussard
Die Lippstädter Tageszeitung »Der Patriot« hat in ihrer Ausgabe vom 28.07.10 folgenden Zwischenbericht
eingestellt:
»Bussard Fall für den Staatsanwalt
Habicht-Jagd: Auch Umweltministerium hat Anzeige erstattet
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Verstoß gegen das Tierschutzgesetz? Eine Taube dient als Lockmittel in dieser ›Lebendfalle‹, in der ein
Mäusebussard gefangen wurde . Foto: Komitee gegen den Vogelmord
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Lippstadt . Der Fall hatte vor fünf Monaten landesweit für Schlagzeilen gesorgt: Ein Lippstädter Falkner solle Ende
Februar Jagd auf streng geschützte Greifvögel gemacht haben. Die mutmaßliche Habicht-Jagd und der gewaltsame Tod eines
Bussards beschäftigen seit geraumer Zeit die Justiz. Bei der Staatsanwaltschaft Paderborn wartet man zurzeit auf die
Stellungnahme des Anwalts des beschuldigten Falkners, wie Oberstaatsanwalt Horst Rürup gestern auf Anfrage unserer
Zeitung sagte.
Das in Bonn ansässige ›Komitee gegen den Vogelmord‹ hatte zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Biologischer
Umweltschutz (ABU) den Fall ins Rollen gebracht. Die Vogelschützer hatten nach eigener Darstellung dem Falkner
am letzten Februar- Wochenende aufgelauert. Sie hatten ein Waldstück bei Bad Waldliesborn über Stunden beobachtet
und die dort aufgestellten Greifvogel-Fallen mit Videokameras überwacht. Am Abend hatten sie dann den Falkner ertappt.
Dieser habe sich an den einer der Fallen zu schaffen gemacht, in der ein Mäusebussard gefangen gewesen sei.
Die Tierschützer werfen dem Mann auch vor, den Bussard erschlagen zu haben.
Nach den Vogelschützern erstattete im April auch das Landesumweltministerium Anzeige. Der Anwalt des Falkners
hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe diese entscheiden zurückgewiesen und als ›schlichten
Unsinn‹ bezeichnet. Sein Mandant habe mit behördlicher Erlaubnis einen seiner im Herbst zuvor entflogenen
Jagd-Habichte wieder einfangen wollen. Oberstaatsanwalt Rürup erklärte gestern, es werde geprüft, ob Verstöße
gegen das Tierschutzgesetz bzw. Bundesnaturschutzgesetz vorlägen. Dabei gehe es um den Einsatz von
Lebendfallen (Tauben) und den Umstand, dass unweit der Falle ein Bussard mit tödlichen Kopfverletzungen
gefunden sei. Und das womöglich ungenehmigte Nachstellen nach einem Habicht könne ein Verstoß gegen das
Bundesnaturschutzgesetz sein, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.«
G.M., 05.08.10
Das Rätsel der verschwundenen Website der AG Evolutionsbiologie
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Logo der AG Evolutionsbiologie, das inklusive der umfangreichen AG-eigenen Website im Mülleimer
der Geschichte verschwunden ist.
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Liebe Leser,
einer der letzten mit Datum vom 25.09.09 auf dem Newsticker der Website der AG Evolutionsbiologie (VBio)
veröffentlichten Beiträge hieß: »Das Rätsel der ›verschwundenen Kreationisten‹«1). Wer hätte gedacht, dass
es kaum zwei Monate später die AG-eigene Website selber ist, die auf wirklich rätselhafte Weise
spur- und kommentarlos aus dem Netz verschwindet. Der Reihenfolge nach: Mitte November 2009 fiel mir
auf, dass auf dem Newsticker der AG schon ungewöhnlich lange Zeit kein neuer Beitrag mehr eingestellt
worden war. Als dann kurze Zeit später beim Aufruf der URL statt der Website eine Fehlermeldung erschien,
vermutete ich zunächst, dass Serverprobleme dahinter stecken würden. Erst als sie nach knapp einer Woche
immer noch nicht wieder online war, habe ich mich in einem einschlägigen Internetforum nach ihrem Verbleib
erkundigt. Am 28.11.09 konnte ich dann dem Geschäftsführer der AG, Martin Neukamm, auf wiederholte
Nachfrage die dünne Information abringen, dass es »die alte AG nicht mehr gibt.« Da eine über Jahre
hinweg aufgebaute Website nicht einfach so vom Netz genommen wird, musste es hinter den Kulissen mächtig
geknallt haben.
Alle vorliegenden Indizien deuten daraufhin, dass es zwischen den einst einflussreichsten Männern der
AG Evolutionsbiologie, nämlich ihrem Vorsitzenden Ulrich Kutschera und ihrem Geschäftsführer Martin Neukamm
zu einem schwerem Zerwürfnis gekommen ist. Neukamm hat jahrelang so etwas wie die Funktion eines ergebenen
Internet-Adlatus für Kutschera ausgeübt. Seine wesentliche Aufgabe bestand darin, für Kutschera Propaganda
zu machen und die Kohlen aus dem Feuer zu holen, wenn der sich – in dem von ihm initiierten und
angeheizten »intellektuellen Krieg« gegen den Kreationismus – mal wieder zu weit aus dem Fenster gelehnt,
die Unwahrheit verbreitet oder fachlich vergaloppiert hatte. Wohl im Gegenzug durfte der Chemieingenieur
Neukamm protegiert durch Kutschera, der sonst dazu neigt, allen Nichtbiologen die Kompetenz in der
Evolutionismus-/Kreationismus-Debatte abzusprechen, in der vordersten Reihe der AG Evolutionsbiologie
mitmischen und sich mit etwas Ruhm im Kampf gegen die Kreationisten bekleckern. Dieses Geschäft scheint
nun endgültig aufgekündigt zu sein. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren.
Neukamm und Kutschera ist gemeinsam, dass sie beide aggressiv agierende Weltanschauungs-Darwinisten sind,
die davon besessen sind, im Namen der Aufklärung rückwärtsgewandten Evolutionskritikern entgegenzutreten2).
Sie unterscheidet, dass Kutschera in der akademischen Hierarchie zwar weit über Neukamm steht,
dieser hinsichtlich seines Ausdrucks- und Argumentationsvermögens jedoch Kutschera weit überlegen ist.
Eine konfliktreiche Melange, die nach meinem Eindruck dazu führte, dass Neukamm versucht hat, sich
durch Zeitschriftenbeiträge und die Herausgabe einer eigenen Monographie (in der Kutschera nicht
einmal als Autor auftaucht) von seinem Mentor zu emanzipieren. Ich könnte mir daher vorstellen, dass
Neukamm die bisherige Aufgabenteilung für die Beförderung seiner Karriere als nicht mehr dienlich
befand, und dass es zu einem Streit um die zukünftigen Machtverhältnisse in der AG gekommen ist.
Der könnte sich daran entzündet haben, dass für den Erfolg der AG nicht die akademischen Weihen oder
die Zahl der peerreviewten evolutionsbiologischen Fachaufsätze ihrer Mitglieder, sondern die Qualität
und Konsumierbarkeit von eher populärwissenschaftlichen, für die öffentliche Diskussion bestimmten
Beiträgen entscheidend ist. Diesbezüglich weist Kutschera, wie ich noch jüngst in meiner
Rezension
seines letzten Werkes zeigen konnte, große Defizite auf.
Dies sind, wie bereits erwähnt, Spekulationen3). Sicher scheint aber zu sein, dass Neukamm und Kutschera
zukünftig getrennte Wege gehen, denn beide arbeiten hektisch am Aufbau neuer Internetauftritte.
Neukamm versucht die neue Website www.ag-evolutionsbiologie.de aufzubauen und Kutschera versucht,
die in der zweiten Novemberhälfte vom ehem. Betreiber Neukamm ihres gesamten Inhalts beraubte
Website www.evolutionsbiologen.de wiederzubeleben.
Zu viel mehr als Startseiten, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben, haben es beide
aber bisher nicht gebracht. Nicht einmal Mitgliederlisten sind derzeit online, was wohl als
Indiz dafür gewertet werden kann, dass beide Parteien hinter den Kulissen um Mitglieder werben.
Kutschera ist es zwischenzeitlich immerhin gelungen, einen neuen Vorstand zu präsentieren. Erwartungsgemäß
fehlt darin der ehemalige Geschäftsführer Neukamm. Der stellvertretende Vorsitzende der alten
AG Evolutionsbiologie, der Biologiehistoriker Thomas Junker, gehört dagegen weiterhin dem Vorstand an
und hat sich wohl auf die Seite Kutscheras geschlagen.
Betrachten wir einmal näher, wie sich die von Neukamm neu ins Netz gestellte Website
www.ag-evolutionsbiologie.de
entwickelt hat. Zunächst war dort folgende, von dem Biologen Dr. Andreas Beyer unterschriebene,
programmatische Erklärung zu lesen: »Wir - diejenigen Mitglieder
des Arbeitskreises, die auf dem Gebiet der Evolutionstheorie hauptsächlich oder ausschließlich
populärwissenschaftlich publiziert haben - begrüßen durchaus diese Neuausrichtung, wollen jedoch unsere
erfolgreiche Arbeit fortsetzen. Aus diesem Grunde werden wir im Rahmen dieser Neugründung die Arbeit mit der
bisherigen Zielrichtung - Vermittlung evolutionsbiologischer Erkenntnisse sowie die argumentative Zurückweisung
antievolutionistischer Thesen - weiter führen. Wir verstehen uns dabei nicht als Konkurrenz, sondern als
Ergänzung zur neu gegründeten AG des VBio und freuen uns auf die Zusammenarbeit.« Zunächst irritiert an
dieser Erklärung, dass sich ja nicht die alte AG, sondern Neukamms AG neu gründet oder gegründet hat.
Zudem scheint die Freude auf die Zusammenarbeit einseitig oder geheuchelt zu sein, denn auf der wiederbelebten
Website www.evolutionsbiologen.de der
alten AG wird die Abspaltung bisher mit keinem Wort erwähnt und schon gar nicht freudig begrüßt.
Wenn diese schwammige Erklärung auch nicht klarstellt, wer hier eigentlich was und warum neu ausrichten
will, so macht sie zumindest deutlich, dass Neukamm beabsichtigt, eine Konkurrenzunternehmen zur alten
AG Evolutionsbiologie aufzubauen. Diese neue AG soll sich nicht in ihren Zielen, sondern bezüglich ihrer
Mitglieder von der alten AG (die sich nun Arbeitkreis nennt) unterscheiden. Die sollen sich offenbar
weniger aus fachwissenschaftlich arbeitenden Biologen als aus populärwissenschaftlich publizierenden
Nichtbiologen zusammensetzen. Allerdings wurde die Erklärung nur kurze Zeit nach Einstellung wieder
aus dem Netz genommen. Dies kann wohl nur als Indiz dafür gewertet werden, dass sie mit heißer Nadel
gestreckt wurde. Ersetzt wurde sie durch die Ankündigung »Erklärung zur Neugründung der Arbeitsgemeinschaft
Evolutionsbiologie ….folgt in Kürze!«. Doch auch dieser Ankündigung war nur eine kurze Lebensdauer
vergönnt. Statt sie in die Tat umzusetzen, verschwand auch sie spurlos im Mülleimer der Geschichte.
Doch damit nicht genug, denn nun wurde die Startseite mit einem passwortgeschützten Zugang versehen.
Wir haben es also hier mit dem kuriosen Fall zu tun, dass eine im Aufbau befindliche Website um so
informationsärmer wird, je länger sie online ist.
Für die Zukunft dürfen wir gespannt sein, ob es dem Chemieingenieur Neukamm gelingen wird, der
alten AG Evolutionsbiologie eine ansehnliche Zahl ihrer Mitglieder abzuwerben. Neukamm hat sich in den
letzten 10 Jahren eine durchaus beachtliche biologische und wissenschaftstheoretische Kompetenz
angelesen, kann aber wie Kutschera nicht zwischen Wissenschaft und Weltanschauung differenzieren.
Für ihn ist die Darwinsche Evolutionstheorie eine Ersatzreligion, die es gegen jegliche (also auch sachliche)
Kritik zu verteidigen gilt. In der Wahl seiner Mittel ist er dabei nicht zimperlich. Neukamm ist nicht nur
ein tiefgläubiger Naturalist, sondern auch ein leicht reizbarer Hitzkopf. In Internetforen, wo er unter
dem Nickname »Darwin Upheaval« (~ ›Darwins Umbruch‹) agiert, neigt er dazu ausfällig zu werden, sobald
ihm die Argumente ausgehen. Erst jüngst beschimpfte er einen seiner Kontrahenten mit
Formulierungen wie »geistiger Brechdurchfall«, »lebensbedrohlicher Geisteszustand« oder »hirnverbrannt«. Für
ihn ist das angemessene Streitkultur im Dienste der Aufklärung. Ob so jemand geeignet ist, die Interessen
einer wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft in führender Position zu vertreten, überlasse ich dem Urteil
meiner Leser.
1) In dem tolldreisten Artikel, der offenbar in wesentlichen Teilen aus der Feder des (ehem.?) stellvertretenden
Vorsitzenden der AG Thomas Junker stammt, wird eine Erklärung dafür gesucht, dass in Darwins Jubiläums-Jahr eher
wohlwollende Berichte und Kommentare über den großen Biologen zu lesen waren, während von »erbitterten Darwin-Gegnern,
den Kreationisten verschiedener Couleur«, erstaunlich wenig zu hören war. Des Rätsels angebliche Lösung: Der »ganze Hass
der Darwin-Feinde« entlädt sich auf den Produktseiten der Internet-Buchhandlung »Amazon« »vor allem an neueren deutschen
Autoren, die den Mut haben, die Theorien Darwins und der neuen Evolutionsbiologie ernst zu nehmen und für ein breites
Publikum ansprechend und lesbar darzustellen«. Diese Autoren, wie Axel Meyer, Ulrich Kutschera, Thomas Junker und
Franz Wuketits, würden in Kundenrezensionen und -bewertungen systematisch attackiert. Der schöpfungsgeschichtlich
motivierte Evolutionskritiker Michael Burger hat die Unterstellungen in mehreren Beiträgen »Wie man die Verkaufszahlen
seiner Bücher steigert«, »Mitspielen verboten« und »Verschwörungstheorien auf Falschinformationen aufbauen?« systematisch
analysiert und Erstaunliches zu Tage gefördert: Es sind die Ankläger selber, die bei Amazon in unverfrorener Manier Rezensionen
und Bewertungen manipulieren und die dann auch noch die Frechheit haben, ihre weltanschaulichen Gegner dieses unlauteren
Vergehens zu beschuldigen und ihre Anhängerschaft sogar dazu aufzurufen, es ihnen gleich zu tun.
2) Neukamms kämpferische Beweggründe zeigen sich z. B. darin, dass er in seinem 2009 herausgegebenen Sammelband »Evolution im Fadenkreuz
des Kreationismus - Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation« ein Fadenkreuz, das ein Auge anvisiert, als Umschlagmotiv gewählt hat.
Ein ähnliches Motiv taucht im Vorspann des ARD-Krimis »Tatort« auf, in dem es bekanntlich um die Aufklärung von Morden geht. Neukamm
suggeriert damit (oder nimmt diese Assoziation zumindest fahrlässig in Kauf), dass Kreationisten Evolutionisten unter Beschuss nehmen
würden. Der Geschäftsführer der evangelikalen Studiengemeinschaft Wort und Wissen »Reinhard Junker« hat dazu bemerkt:
»Die Mitarbeiter des Lehrbuchs und der
SG W+W schießen nicht auf Evolution, wir setzen uns kritisch mit evolutionstheoretischen Hypothesen auseinander – ein großer Unterschied!«
3) Von berufener Seite wurde mir zwischenzeitlich bestätigt, dass es zu einem Zerwürfnis zwischen Kutschera und Neukamm gekommen ist und
dass der Beitrag in der Sache einigermaßen gelungen ist.
G.M., 15.12.09
300 Jahre mehr oder weniger: Ein Gedankenexperiment zum frühen Mittelalter
von Gunnar Heinsohn*)
Eine Antwort auf »Wie man Karl den Großen aus der Geschichte tilgt« (Die Welt 16.11.2009)
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Karl der Fiktive, genannt der Große, wird seit Jahrhunderten als Garant von Ordnung und Gerechtigkeit
verehrt. Als Herrscher ist er aber zu groß und als Realität zu klein.
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Das Gewölbe der Aachener Pfalzkapelle. Angeblich um 800 gebaut. Sein 15 m Durchmesser überspannendes
Gewölbe steht jedoch 300 Jahre einsam in der Architekturgeschichte.
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I.
Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Lucas Wiegelmann!
Der von uns allen gelernte Zeitrahmen für die Geschichte der Menschheit ist das härteste Dogma der Geisteswissenschaften.
Man kann über fast alles innerhalb der Geschichte kontrovers diskutieren, aber die Platzierung der Ereignisse auf der
Zeitskala gilt als unumstößlich. Die Chronologie ist heilig.
Jeder Gebildete versteht sich als Kenner der Chronologie. Die besten Köpfe zeichnen sich dadurch aus, dass sie die wichtigsten
Daten der Geschichte auswendig hersagen können – und das bereits seit der Schulzeit. Wer die Jahreszahlen nicht im Kopf hat, kennt
zumindest renommierte Geschichtswerke, in denen er sie schnell und – so glaubt er – zuverlässig nachschlagen kann.
II.
Nirgendwo auf der Welt gibt es Studiengänge oder wenigstens Fachinstitute, die sich mit den Grundannahmen und Kontroversen aus
den Zeiten der Erstellung der heute gelehrten Chronologie befassen. Standardvorlesungen über die Geschichte der Chronologiebildung
werden nicht angeboten. Selbst Blicke auf einzelne Aspekte der Chronologie durch sogenannte Hilfswissenschaftler bilden die seltene
Ausnahme. Zentralprobleme wie die Diskrepanz zwischen Menge und Länge der historischen Epochen in den Lehrbüchern und der Anzahl
und Mächtigkeit der wirklich ergrabenen Stufen der Geschichte in der Erde bleiben ohne systematische Behandlung.
III.
Wenn jeder über Chronologie genau Bescheid weiß, obwohl niemand sie systematisch studieren kann, wird der Zweifler an der Zuverlässigkeit
des von allen Gewusstem provozieren und im Extrem Scharlatanerieanwürfe auf sich ziehen. Schließlich muss dann er sich fragen lassen, warum
gerade seine Ergebnisse etwas taugen sollen, die er doch bestenfalls im Eigenstudium, also ohne öffentliche Kontrolle und Kritik erarbeiten konnte.
IV.
Nehmen wir an, es tritt jemand mit dem Befund vor die Öffentlichkeit, dass die Geschichte seit Christi Geburt um drei Jahrhunderte verlängert
werden müsse, weil ihm etliche Listen von Herrschern sowie zahlreiche Berichte über Kriegszüge auf Erden und ungewöhnliche oder gar erschreckliche
Ereignisse am Himmel in die Hände gefallen seien. Nehmen wir also an, jemand will Ihnen nahe bringen, dass wir nicht erst im Jahre 2009, sondern
bereits im Jahre 2309 leben. Was würden Sie tun? Gewiss würden Sie nach der Herkunft und Echtheit der Königslisten und Berichte fragen. Darüber
würde Einigkeit nicht leicht zu erzielen sein. Papier sei geduldig, bekäme der arme Mann sehr schnell zu hören. Sie würden dann jedoch eine Reihe
weiterer – sogenannter harter – Fragen stellen – soweit Sie überhaupt bereit wären, eine Geschichtsverlängerung ernsthaft zu prüfen.
Wo sollen die drei Jahrhunderte eingeschoben werden? Kommen sie in einem Stück hinzu oder müssen verschiedene Zeitblöcke an mehreren Stellen der
Zeitachse eingeschoben werden?
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Nehmen wir nun an, unserer Forscher will die 300 Jahre in einem einzigen Block innerhalb des 1. Jahrtausends nach Christus hinzufügen. Nun wissen
Sie bereits, dass die Bevölkerungshistoriker für jeden beliebigen Zeitpunkt des 1. nachchristlichen Jahrtausends die Erdbevölkerung auf etwa 200
Millionen Einwohner schätzen. Bei einer Lebenserwartung von – sagen wir – 60 Jahren, erleben somit eine Milliarde Menschen diese zusätzlichen
drei Jahrhunderte. Für diese Milliarde Erbauer, Köche, Esser, aber auch Schreiber oder Musikanten und schließlich Beerdigte muss ein gewaltiges
Volumen materieller Funde beigebracht werden.
Diese Funde müssen wirklich hinzugewonnen und dürfen den auch bisher schon akzeptierten Jahrhunderten davor und danach nicht einfach wegstibitzt werden.
Überdies müssen Sie Ihre Fragen für die ganze eurasisch-afrikanische Welt stellen, weil ja von Portugal bis Japan die Chronologien mit Querverbindungen
arbeiten, so dass die Hinzufügung von 300 Jahren in Westeuropa eine entsprechende Hinzufügung bis nach Ostasien erzwingt.
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Wie viele Gräber, so fragen Sie, hat diese Milliarde hinterlassen? Wenigstens einige Zigmillionen würden sie schon erwarten. Auch die Skelette von
Haustieren würden sie nicht entbehren wollen.
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Wie viele steinerne Häuser haben eine Milliarde Menschen in den drei neuen Jahrhunderten gebraucht? Wenigstens die Fundamente oder Herdstellen von
einigen Millionen Gebäuden würden Sie gerne gezeigt bekommen. Insbesondere würden Sie auf die Überreste vieler tausender von repräsentativen
Bauten – Burgen, Schlösser, Rathäuser und Tempel aller Art – fest rechnen. Sie würden also im stratigraphischen Grabungsschnitt durch das 1. nachchristliche
Jahrtausend sehr deutlich sichtbare – und bisher unerkannt gebliebene – Schichten mit Schuttmassen für drei Jahrhunderte sehen wollen, bevor Sie
neue Geschichten in den Lehrbüchern akzeptieren.
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Wo sind die Werkzeuge, Gerätschaften und Waffen aus Stein, aus Kupfer, Bronze und Eisen. Nach solchen Artefakten würden Sie besonders unbarmherzig
fahnden, weil sie sich so gut erhalten und jeder sie braucht.
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Hat man die zu erwartenden Großmengen an Geschirr gefunden, die zahllosen Formen und Farben der Keramik?
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Wie viele Plastiken und Bilder hat diese Zusatzmilliarde hervorgebracht? Wo sind die Schmuckstücke und Schminktöpfe? Auch hier würden Sie
auf sehr beträchtlichen Zahlen beharren.
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Wo sind die zahllosen Schriftstücke dieser Hekatomben von Menschen, ihre Privatbriefe, ihre Manuskripte, ihre Verträge, Rechnungen und
Schuldscheine? Wie Textilien erhalten sich solche Dokumente schlechter als Stein, Keramik und Metall, aber wo eine Milliarde gelebt hat,
würde man sich mit einer bloßen Handvoll von Funden aus beiden Bereichen kaum zufrieden geben. Schnell käme die Vermutung auf, dass so
Weniges sehr gut aus der Zeit vor oder nach den zusätzlichen 300 Jahren stammen könnte und in sie hinein gezogen worden ist.
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Tausende von Münzhorten mit womöglich Millionen von Münzen werden Sie einfordern.
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Etwas verschämt würden Sie auch nach den Latrinen fragen, in denen an jedem beliebigen Tag der 300 Jahre 200 Millionen Menschen
täglich ihren Kot abgesetzt haben. Das wissen sie ja schon, dass gerade die Mittelalterarchäologie viele ihrer schönsten Funde
aus den Abtritten holt.
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Wenn unser revolutionärer Geschichtsverlängerer am Ende statt der erwarteten Millionen oder doch vielen hunderttausend Artefakte
nur einen minimalen Bruchteil davon vorweisen kann, dieser sich problemlos aber auch in der Zeit vor oder nach den neu
vorgeschlagenen 300 Zusatzjahren unterbringen ließe, würden Sie wohl unüberzeugt bleiben und zuversichtlich bei der
alten Chronologie ohne drei Zusatzjahrhunderte bleiben.
V.
Erlauben Sie mir, das soeben vorgetragene Argument für eine Überprüfung zusätzlicher Geschichtsepochen umzukehren.
Diesmal tritt jemand vor Sie hin, der die herrschende Chronologie im 1. nachchristlichen Jahrtausend nicht etwa
um 300 Jahre verlängern, sondern im Gegenteil um 300 Jahre verkürzen will. Heribert Illig versucht das seit 1991.
Das Welt-Feuilleton vom 16. November 2009 hat ihm dazu gehörig die Ohren lang gezogen.
Was hat er eigentlich getan? Er hat sich im Kern genauso wie Sie verhalten, als Sie den Verlängerer der Geschichte
um 300 Jahre umgehend mit Fragen nach der harten Beweislage für eine solche Zusatzepoche in die Enge getrieben haben.
Illig hat seine Fragen allerdings nicht an einen erst heute und plötzlich auftretenden Geschichtsverlängerer gestellt,
sondern an die seit einem Jahrtausend arbeitende Zunft der Mittelalterforschung.
Illig vermutet, dass gegen Ende des 10. Jahrhunderts Versuche begonnen haben, 300 zusätzliche Jahre in das erste
nachchristliche Jahrtausend einzufügen. Als dieses Vorhaben – aus millenaristischen oder welchen Gründen auch
immer – begann, gab es eine systematisch grabende Archäologie, deren Kritik man hätte fürchten müssen, noch
nicht. Es konnten deshalb auch die Fragen nach den vielen Millionen Artefakten für eine so lange Zeit nicht
sinnvoll gestellt werden.
Mittlerweile aber haben wir viele tausend auf das frühe Mittelalter zielende Ausgrabungen hinter uns. Das wissen
Sie, ohne natürlich die Grabungsbefunde im Einzelnen zu kennen. Dennoch sind Sie sich recht sicher, dass die Fundlage
für die drei Jahrhunderte imponierend ausgefallen ist. Sofort also beginnen Sie den Epochenkürzer mit ebenso harten
Fragen zu bedrängen wie zuvor den Epochenverlängerer. Wieder stellen Sie an den Anfang die Urkunden oder minutiösen
Listen, auf denen die Namen von Königen mit ihren Taten, aber auch Ereignisse am Himmel verzeichnet sind. Sie räumen
dann womöglich ein, dass da in der Tat vieles ganz unstrittig gefälscht ist und auch der Rest oft genug ungereimt wirkt.
Der windige Textbefund lässt Sie aber nicht gleich aufgeben. Denn Sie haben ja noch die Artefakte: Wie wollen die
Geschichtskürzer denn die Millionen von Münzen, Gräbern, Werkzeugen, Speiseschüsseln, Waffen und Schminktöpfe,
Herde und Latrinen für eine Milliarde Menschen zwischen Portugal und Japan eliminieren? Wie wollen sie die nach
vielen Tausenden zählenden Burgen, Kirchen, Klöster, Ratshäuser und Stadtmauern aus hartem Stein wegbringen. Wo
also sollen Millionen Tonnen von Material entsorgt werden?
Sie warten – und das sehr ungeduldig – auf Antwort. Die aber fällt ganz anders aus, als Sie sich gedacht haben.
Die Geschichtskürzer bombardieren Sie nämlich ganz dreist mit Gegenfragen. Und die kennen Sie sehr gut, denn es
sind Ihre eigenen scharfsinnigen Fragen, mit denen Sie soeben noch selbst den Geschichtsverlängerer aus dem Felde
geschlagen haben. Widerwillig müssen Sie die Gegenfragen also schlucken: Wo sind denn – kriegen Sie ganz sanft zu
hören – die Millionen von Münzen, Gräbern, Werkzeugen, Schüsseln, Waffen und Schminktöpfe für die 300 Jahre vom
frühen 7. bis zum frühen 10. Jahrhundert? Wo kann man die vielen Tausend Tempel, Kirchen, Burgen, Rathäuser, Klöster
und Stadtmauern besichtigen oder wenigstens ihre Fundamente anschauen? Wo hat man denn Dinge, die vor 600 und
nach 900 so unstrittig und reich angeschaut werden können, in der Periode dazwischen?
Sie werden jetzt einen Moment zögern. Sie erinnern sich daran, dass diese Zeit in der Tat als eine dunkle gilt.
Womöglich haben Sie sogar vernommen, dass die Dunkelheit dieses dunklen Zeitalters aus dem Einschlag von
Meteoritenschauern erklärt worden ist. Diese seien dafür verantwortlich, dass man so wenig gefunden habe.
Das hat Sie nicht überzeugen können, weil ja Art und Form der kulturellen Spitzenleistungen aus der Zeit
um 600 in der Zeit nach 900 einfach fortgesetzt werden, weil römische Spätantike (bis 600) und Romanik (nach 900) – wie
jedermann bloßen Auges sehen kann – hoch evolutionär verbunden sind. Eine vom Himmel her dezimierte Bevölkerung hätte
diese Kontinuität über 300 verlorene Jahre ja gar nicht aufrecht erhalten können, sondern sich in Höhlen verkrochen,
um überleben zu können. Aber nicht einmal solche Höhlen mit primitiven Artefakten für ein Existenzminimum sind
gefunden worden.
Jetzt werden Sie sich auf die ganz berühmten Artefakte konzentrieren – vor allem auf die Aachener Pfalzkapelle, die
nun einmal – so beharren Sie – von 792-799 erbaut worden sei. Die Kürzer sind auf dieses Argument natürlich am allerbesten
vorbereitet. Ein eigenes kleines Buch im dickleibigen Illig-Band Das erfundene Mittelalter widmet sich den zahllosen
Ungereimtheiten, die diesen Bau merkwürdig aussehen lassen, wenn er im 8. Jahrhundert errichtet worden sein soll.
Und nun haben Sie von den jüngsten Ausgrabungen gehört, dass von Karls Hochadel, Hochklerus und Hochakademien, die in Aachen
mit zig Palästen vertreten gewesen sein sollen, nicht einmal eine einzige Scherbe gefunden worden ist. Die Untersuchung Aachens
liefert geradezu das Muster dafür, wie wir uns – von Portugal bis Japan – quälen, die wenigen Artefakte, die wir für die
fraglichen 300 Jahre überhaupt ins Auge fassen, dort auch sicher zu verankern. Glücklich haben wir da etwas für 850 bis 900,
stehen dann aber von 900 bis 950 in der Leere. Oder wir zeigen zwar nicht Millionen, aber doch vier oder fünf Stücke für die
Zeit 600 bis 700 und müssen doch bekümmert bekennen, dass sie kaum anders ausschauen als die zwischen 550 und 600 platzierten Stücke.
Auch der hier das Wort an Sie Richtende beobachtet die dazu gehörigen Kontroversen seit über fünfzehn Jahren und mischt sich
mit eigenen Versuchen zur materiellen Widerlegung Illigs ein. Dafür als Sektierer hingestellt zu werden, ist am Ende weniger
aufregend, als das Scheitern, den Chronologiekürzer Illig schlagend, also mit zahllosen Artefakten zu widerlegen. Bisher
erstreckt sich das diesbezügliche Scheitern auf Polen und Spanien, Sizilien und Armenien, Israel und Deutschland oder auch
Apulien und Schweden. Kein wuchtiger Bau oder auch nur irgendein mobiles Objekt ist sichtbar geworden, von dem zweifelsfrei
gesagt werden könnte, dass er oder es in das von Illig zur Disposition gestellte Frühmittelalter gehört, also weder in der
davor liegenden römischen Spätantike noch in der danach einsetzenden romanischen Zeit untergebracht werden kann. Der sich
hier Meldende ist bereit, zu allen angesprochenen Gebieten die öffentlich Debatte anzunehmen, also auch den endgültigen
Verriss zu akzeptieren. Aber Debatte muss schon sein. Denn bisher – so stellt es sich von der harten Evidenz her dar – ist
Illig zwar wortreich und durchaus gefühlsstürmig angegangen, aber eben nicht fachgerecht falsifiziert worden.
*) Der renommierte Hochschulwissenschaftler und brillante Chronologiekritiker Prof. Dr. phil. rer. pol. Gunnar
Heinsohn lehrte von 1984 bis zu seinem Ruhestand 2009 Sozialwissenschaft an der Universität Bremen.
Von der Stern-Redaktion nicht abgedruckter Leserbrief zum Kutschera-Interview »Der
Schöpfer ist ein Käfermacher« (Ausgabe 13/07 vom 22. März 2007)
In dem Interview »Der Schöpfer ist ein Käfermacher« informiert der Kasseler Biologieprofessor Ulrich
Kutschera, warum er gegen den Kreationismus in Deutschland kämpft. Der Leser erfährt, dass die Kreationisten nicht nur in den USA, sondern auch
hierzulande auf dem Vormarsch sind. Ferner erfährt er, dass die deutschen Kreationisten mit subtilen Methoden arbeiten, um ihr Gedankengut in deutsche
Schulen zu verbreiten. Leider erfährt der Leser nichts von den ›halbseidenen‹ Methoden, mit denen Kutschera selber gegen die Kreationisten vorgeht.
Z. B. gegen den Genetiker Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig, der Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln ist. Was
hatte Lönnig, der Autor einer Vielzahl von fachwissenschaftlichen Aufsätzen zur Evolutionsgenetik,
verbrochen? Er hatte über den Webserver seines Institutes eine Website mit evolutionstheoriekritischen Beiträgen
betrieben. Zweifellos war die Evolutionskritik schöpfungsgeschichtlich motiviert, aber ohne Zweifel fundiert und wissenschaftlich ausweisbar.
Kutschera hat so lange Druck auf das Max-Planck-Institut ausgeübt, bis Lönnigs evolutionstheoriekritische
Argumente von dem institutseigenen Webserver verbannt wurden. Seine Kampagne war vermutlich erfolgreich, weil das Max-Planck-Institut befürchtete, in den
Geruch zu geraten, mit Kreationisten zu kooperieren und seine Forschungsmittel gekürzt zu bekommen. Was für eine Wissenschaft, wo sinnvolle Argumente
unterdrückt werden, nur, weil sie auch von Kreationisten benutzt werden könnten. Eine üble Geschichte, denn gute Wissenschaft lebt bekanntlich vom
Widerspruch, und den findet man nirgendwo so gut formuliert wie bei den Kreationisten.
Ein typisches Beispiel für den Argumentationsstil von Kutschera ist auch sein Versuch, den Münchener Mikrobiologen Prof. Dr. Siegfried Scherer, der immerhin einen Lehrstuhl
an einer der angesehensten deutschen Universitäten anvertraut bekommen hat, als kreationistischen Pseudowissenschaftler herabzusetzen. Kutschera
unterstellt sogar, Scherer verdanke seine Professur wohl eng gesponnenen kreationistischen Netzwerken. Er äußert diese unappetitliche Kollegenschelte,
ohne auch nur den geringsten Beleg dafür anzuführen.
Kutschera behauptet in dem Interview, dass der Kreationismus keine Antwort dazu liefere, warum es so viele Käferspezies gibt. Dies mag zutreffen,
doch liefert die moderne Evolutionstheorie eine Antwort dafür? Kutschera verweist hier
auf sein Evolutionsbiologielehrbuch. Schaut man in dessen Stichwortregister nach findet man weder den Begriff »Käfer« noch sein lateinisches Pendant
»Coleoptera«. Auch dies ein typisches Beispiel für Kutscheras Argumentationsstil.
Im Übrigen findet sich bei dem Evolutionstheoriekritiker Lönnig eine Erklärung für die vielen Käferspezies. Aber ich wette, dass der autodidaktische
Evolutionstheoretiker Kutschera, der von Hause aus Pflanzenphysiologe (und Egelforscher) ist, sie nicht kennt. Sie lautet: Wir haben diese riesige
Artenzahl bei den Käfern, weil die Systematiker jahrhundertelang jede unterscheidbare Population von Mendelschen Rekombinanten als eigene Arten
beschrieben haben. Und solange Systematiker genetische Rekombinanten als eigenständige Arten beschreiben, dürfte der Schöpfer ein Käfermacher bleiben.
Von der »Naturwissenschaftlichen Rundschau« im Heft 4/2006 gekürzt veröffentlichter
Leserbrief zum Artikel »Eine neue Ökologie – Aktuelle Entwicklungen der evolutionären Ökologie« (8/2005)
Klaus Rohde stellt in seinem Beitrag »Eine neue Ökologie – Aktuelle Entwicklungen der evolutionären Ökologie«
u. a. auch fundamentale Aussagen der neodarwinistischen Evolutionslehre in Frage. Er stellt fest, dass die Evolution komplexer Eigenschaften von
Organismen bisher nicht zufriedenstellend gelöst worden ist und bezweifelt, ob eine sich in vielen kleinen Schritten vollziehende, zu allmählicher Perfektion
führende natürliche Auslese tatsächlich für die Erklärung komplexer Strukturen notwendig ist.
Rohde spricht damit vermutlich aus, was bereits vielen Evolutionsforschern im Prinzip bewusst ist, was sie
aber aus Angst den Kreationisten in die Hände zu spielen, nicht öffentlich sagen: Mit dem neodarwinistischen Evolutionsmechanismus bestehend aus
kleinschrittiger Mutation, natürlicher Selektion und Isolation kann die Entstehung neuer Baupläne nicht zufriedenstellend erklärt werden. Er ist womöglich nicht
der zentrale Evolutionsmechanismus, sondern nur ein Randphänomen der Evolution.
Tatsächlich hat das klassische Evolutionsparadigma zwischenzeitlich erhebliche Konkurrenz bekommen. Da gibt es etwa die »Darwin-Schwelle« (›Darwinian Threshold‹) des
amerikanischen Biologen Carl Woese, vor der der Austausch von Genen zwischen Organismen eine größere Rolle als die Selektion von Merkmalen
innerhalb einer Art spielte. Ferner ist auf die noch weiterführende, vor allem von der streitbaren amerikanischen Biologin Lynn Margulis vertretenen
Theorie der Symbiogenese hinzuweisen. In ihrem letzten Buch »Acquiring Genomes« führt sie sogar viele Gründe dafür an, dass auch bei höheren Lebewesen
wirklich neue Merkmale nicht durch Mutation und Selektion, sondern durch genetische Kooperation zwischen unterschiedlichen Arten entstanden sind.
Zweifel an der Rolle der natürlichen Selektion liefert auch das derzeit eindruckvollste Beispiel für eine
Wirbeltierradiation, nämlich die Evolution der Buntbarsche. In meinem Übersichtsartikel »Explosive Artbildung bei ostafrikanischen Buntbarschen«
(NR 8/2001) hatte ich das Beispiel angeführt, dass bestimmte Buntbarsch-Morphotypen im Tanganjika-See zunächst als optimale Anpassungen an
dessen felsige Küsten interpretiert wurden. Später hat man dann die gleichen Morphotypen im kleineren Natron-See gefunden, wo solche felsigen Küsten gar
nicht vorkommen. Offensichtlich verleitet das neodarwinistische Paradigma dazu, die Rolle der natürlichen Selektion bei der Artbildung zu überschätzen.
Ganz wichtig scheint mir zu sein, die öffentliche Auseinandersetzung mit dem neodarwinistischen Paradigma nicht den
Kreationisten zu überlassen. Die ›scientific community‹ muss zeigen, dass sie auch innerwissenschaftlich in der Lage ist, aus widersprechenden empirischen
Befunden die entsprechenden theoretischen Konsequenzen zu ziehen. Es gibt so viele paläontologische, morphologische, entwicklungsbiologische und
molekulargenetische Indizien für eine gemeinsame Abstammung, dass Zweifel am neodarwinistischen Evolutionsmechanismus nicht gleich das ganze
Evolutionsgebäude in Frage stellen. Der Redaktion der Naturwissenschaftlichen Rundschau ist daher für die Veröffentlichung von Rohdes provokanten
Beitrag zu danken.
Von der FAZ-Redaktion nicht veröffentlichter Leserbrief zum Artikel »Das verschleierte Weltbild zu Kassel« vom 04.11.06
Der Vorsitzende Prof. Dr. Ulrich Kutschera der AG Evolutionsbiologie im Verband deutscher Biologen und ihr Geschäftsführer
Martin Neukamm haben sich in zwei Leserbriefen zu dem FAZ-Artikel »Das verschleierte Weltbild zu Kassel« (04.11.06) vehement
gegen den Vorwurf verwahrt, dass sie als Vertreter der Evolutionslehre dogmatisch agieren würden. Bei ihrem Kampf gegen den
Versuch der Kreationisten, Einfluss auf den Biologieunterricht in der Schule zu gewinnen, gehe es viel mehr darum, dass im
Biologieunterricht über Evolution nur wissenschaftlich diskutiert werden dürfe. Deshalb gehörten die weltanschaulich infizierten
Argumente der Kreationisten nicht in den naturwissenschaftli-chen Biologie-, sondern in den Religionsunterricht.
Kutschera macht in seinem Lehrbuch Evolutionsbiologie keinen Hehl daraus, dass für ihn die Evolution eine Tatsache ist.
Gegen diese Tatsachenbehauptung ist in nichts einzuwenden, wenn damit gemeint ist, dass es eine beeindruckende Zahl
von Indizien gibt, die für eine gemeinsame Stammesgeschichte der Organismen sprechen. Wenn Kutschera hier allerdings
suggerieren will, dass es auch einen plausiblen Mechanismus für die Evolution gibt, dann begibt er sich – wie viele andere
Evolutionsbiologen auch – auf Glatteis.
Die überwiegende Zahl der Evolutionsbiologen ist heute davon überzeugt, dass der Mechanismus, wie Arten entstehen
von den Architekten der sogenannten Synthetischen Theorie der Evolution gefunden wurde. Die Synthetische Theorie ist
ein Bündel von Thesen, das in den 1930er u. 1940er Jahren von Systematikern und Populationsgenetikern geschnürt wurde,
um Darwins Theorie der natürlichen Auslese mit den neuen Erkenntnissen der Genetik zu versöhnen. Sie besagt, dass alles
Evolutionsgeschehen auf graduelle Veränderungen der Genfrequenzen in Populationen zurückzuführen ist.
Dieser universelle Erklärungsanspruch der Synthetischen Theorie wird von Kreationisten vehement bezweifelt. Nach ihrer
Auffassung reicht diese Theorie maximal zur Erklärung mikroevolutiver Vorgänge, aber eben nicht dazu, die Entstehung
neuer Baupläne und Konstruktionen zu erklären. Sie berufen sich dabei auf die Ergebnisse der experimentellen Evolutionsforschung
und regelmäßig Diskontinuitäten im Fossilbericht. Kutschera hat auf diese fundierte Kritik in seinem Lehrbuch wie
folgt reagiert: »Der intellektuelle Prachtbau der Synthetischen Theorie der Evolution wird von den Kreationisten auf unakzeptable
Art und Weise mit Schmutz beworfen [...]«.
Warum sehen die Evolutionsbiologen die Kritik der Kreationisten eigentlich so negativ? Kann es sein, dass sich hier etablierte
Wissenschaftler vor einer kleinen Gruppe von gescheiten Leuten (zu der im übrigen auch renommierte Fachwissenschaftler zählen) fürchten,
weil sie systematisch Schwächen und Lücken der Synthetischen Theorie der Evolution herausarbeiten und publizieren? Tatsächlich ist
der »intellektuelle Prachtbau« der »Synthetischen Theorie« längst einsturzgefährdet. Dies zeigt sich darin, dass ihre Anhänger nur noch
damit beschäftigt sind, Vorfeldbastionen zu sichern und widersprüchliche neue Forschungsergebnisse zu assimilieren.
In der Wissenschaftstheorie nennt man eine Theorie in diesem Stadium des Zerfalls oder der Auflösung eine degenerierende Theorie.
Sie bringt keine fruchtbaren zukunftsweisenden Forschungsprogramme mehr hervor, sondern verteidigt nur noch sich selber vor der
zunehmenden Kritik. Die AG Evolutionsbiologie täte daher gut daran, die empirisch begründeten Einwände der Kreationisten nicht
pauschal als weltanschaulich infiziert zu verdammen. Vielmehr sollte sie diese Kritik als wichtigen Beitrag dafür werten, dass
die Evolutionsbiologie wieder den Status einer Wissenschaft erlangt, der sich deutlich von einer dogmatischen Metaphysik unterscheidet.
Eine Theorie, die für eine Tatsache gehalten wird, ist keine Theorie, sondern Metaphysik. Theorien leben vom Widerspruch.
Und eine Theorie alleine ist daher genau das, was Kutschera den Kreationisten vorwirft, nämlich Ideologie oder gar Theologie!
Offener Brief an die Mitglieder der AG Evolutionsbiologie vom 16.06.06
[Text als PDF-Datei 32KB]
Der Großinquisitor und seine ›Bulldogge‹
Sehr geehrte Herren!
Dr. Ulrich Kutschera und Martin Neukamm (den ich anlässlich einer gegen mich gerichteten
verleumderischen Unterstellung auch schon mal treffend als Kutscheras ›Bulldogge‹ bezeichnet habe) verbreiten in ihrem neusten,
im News-Ticker der AG Evolutionsbiologie veröffentlichten Beitrag starken Tobak. Sie werfen mir vor, ihren
Verband seit einiger Zeit mit einer »böswilligen Diffamierungskampagne« zu überziehen und begründen dies mit
Äußerungen von mir, die vor allem deshalb nicht sehr aussagekräftig sind, weil sie gezielt verfälschend aus
dem Zusammenhang gerissen wurden. Kutschera und Neukamm haben damit keinerlei Skrupel, sich erneut genau
der vorsätzlichen Verstümmlungsmethodik zu bedienen, die ich zuvor in meinem Beitrag
»Illig und kein Ende« hart
attackiert hatte.
Zur Strategie von Kutschera und Neukamm
Auch dem einfältigsten oder wohlgesonnensten Leser von Neukamms und Kutscheras News-Ticker-Beitrag wird
aufgefallen sein, dass sie sorgsamst jeden Hinweis auf meine Internetseite oder andere Herkunftsorte der
von ihnen angeführten Zitate (mit denen sie meine ›Diffamierungskampagne‹ dokumentieren wollen)
vermieden haben. [Die Links wurden aufgrund dieser Einsprache inzwischen nachgetragen]. Das Ziel dieser
Strategie ist leicht zu durchschauen: Kutschera und Neukamm setzen ohne oder doch zumindest ohne ausreichende
Belege Aussagen in die Welt, von denen sie glauben, dass sie aufgrund von Vorurteilen und Ablehnung gegen
bestimmte Gruppen oder Personen gut ›ankommen‹ würden und hoffen, dass sich diese Verleumdungen, einmal in die
Welt gesetzt, dann später als Tatsachen verbreiten. Damit diese Strategie nicht frühzeitig zum ›Rohrkrepierer‹ wird,
müssen sie natürlich verhindern, dass sich die Leser durch das Studium der Quelltexte oder der Sinnzusammenhänge,
in denen bestimmte Äußerungen gemacht wurden, ein eigenes Urteil bilden können.
Zum Peer-Review-Verfahren
Ich lehne das Peer-Review-Verfahren nicht grundsätzlich ab, wie von Kutschera und Neukamm in ihrem Beitrag suggeriert,
sondern bin für eine grundlegende Reform dieses Verfahrens. (Selbst die angesehene Fachzeitschrift
»Nature« experimentiert derzeit an einer Reform des traditionellen Verfahrens.) Im derzeitigen Zustand prüft
das Verfahren nicht die Qualität oder Wahrheit eines eingereichten Beitrages, sondern nur seine Konformität. Die Reform
sollte (wie ich Neukamm bereits vor geraumer Zeit in einer Diskussion im
Internetforum »Freigeisterhaus« mitteilte, »a) in der
Beauftragung professioneller namentlich bekannter Gutachter u. b) in der Veröffentlichung oder Einsehbarkeit aller Gutachten
über abgelehnte oder zugelassene Beiträge bestehen«. Die Beauftragung professioneller Gutachter soll dafür Sorge tragen,
dass Professoren zukünftig wieder mehr Zeit zum Forschen haben, statt ihre Arbeitskraft in die Erstellung ellenlanger
Gutachten zu verschwenden. Die Transparenz soll bewirken, dass wieder der sachliche Nährwert eines Beitrages und nicht
seine Konformität zum qualitätsbildenden Merkmal wird. Zudem soll die Reform verhindern, dass das Peer-Review-Verfahren
von den Gutachtern zum Schaden des wissenschaftlichen Fortschritts dazu genutzt wird, eigene Pfründe zu sichern oder
die eigene Einflusssphäre zu erweitern. Wohl jeder innovative Autor kann ein ›schmerzlich Lied‹ davon singen,
dass das derzeitige Verfahren dem Missbrauch und der Stagnation geradezu Vorschub leistet.
Zu meiner weltanschaulichen Positionierung
Ihr Dr. Mahner hat mir in einem empörten Leserbrief an die Redaktion der Naturwis-senschaftlichen Rundschau
unterstellt, dass ich in einem Beitrag zur Buntbarschevolution »kreationistische Pseudowissenschaft bewerbe« und
die besonders »subtile Strategie« der deutschen Kreationisten unterstütze, »gute Biologie mit mehr oder weniger
gut kaschierten ›schöpfungstheoretischen‹ Erklärungsalternativen« zu vermengen, um »Einfluss auf Schule und
Universität zu gewinnen«. In meiner Replik habe ich zur Frage meiner weltanschaulichen Position wie folgt Stellung bezogen:
»Sicherlich ist es kein Zeichen von gutem wissenschaftlichem Stil, wenn Autoren, die auf gewisse Lücken und Unzulänglichkeiten
auch noch der heutigen darwinistischen Erklärungsmodelle hinweisen, quasi gezwungen sind, ein weltanschauliches Bekenntnis
abzulegen, um ihre Reputation zu retten«. Ferner habe ich klargestellt, »dass ich die evolutionsbiologisch engagierten Anhänger
des Schöpfungsglauben gerade, wenn es um Evolution geht, zwar für höchst interessante Gesprächspartner halte, selbst aber ihren
Schöpfungsglauben nicht teile«.
Vor diesem Hintergrund ist mir rätselhaft, weshalb Kutschera und Neukamm immer wieder öffentlich über meine »religiöse Motivation«
spekulieren. Obwohl Kutschera meine Stellungnahme zu Mahner vollinhaltlich bekannt ist, hat er mich z. B. in seinem Buch »Streitpunkt
Evolution« als Musterbeispiel für die (kreationistische) »Infiltration anderer Fachzeitschriften« angeführt. Wie ich bereits in
meinem Beitrag »Illig und kein Ende« gezeigt habe, gelang dies nur durch die vorsätzliche Verstümmelung meiner Replik zu
Mahners Leserbrief.
Zu den Sinnzusammenhängen diverser, böswillig von Kutschera und Neukamm aus dem Kontext gerissener Äußerungen:
1. Kutschera wurde von mir in folgendem Zusammenhang zu Recht kritisiert »›saudumm‹ über Sachen daherzureden«, von denen er »›null‹ Ahnung« hat:
»Illig gelingt es hier überzeugend, Kutschera als ahnungslosen Herumschwadronierer in theologischen Sachfragen zu entlarven. Z. B. interpretiert
Kutschera eine auch für Experten kaum überzeugend zu deutende Adler/Fisch-Abbildung aus dem ersten Jahrtausend ohne Literaturbezug aus dem
hohlen Bauch heraus als Versinnbildlichung der »Wiedergeburt durch die Taufe und Christi Himmelfahrt«. Kutschera praktiziert hier genau das,
was er den Kreationisten immer wieder unterstellt, nämlich ›saudumm‹ über Sachen daher zu reden, von denen er zwar ›null‹ Ahnung, aber
dafür umso mehr anmaßende Gewissheit hat. Und so dürfen wir uns mit Illig wundern, »wie kraus und unbedarft sich ein reiner Verstandesmensch geben kann,
wenn er die Grundzüge abendländischer Religion skizzieren will.« (aus: »Illig und kein Ende«)
2. Ernst Mayrs Positionen wurden von mir in folgendem Zusammenhang als »unerträglich und dumm« bezeichnet:
»Als durch und durch holistischer Denker hat Ernst Mayr weder zur molekularen Entwicklungsgenetik und molekularbiologischen
Rekonstruktion der phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen noch zur Neutralitätstheorie des japanischen Genetikers Motoo
Kimura, die inzwischen die Vorstellungen über den Ablauf der molekularen Evolution dominiert, einen Zugang gefunden. (...).
Stattdessen hat er sich immer häufiger (und in ziemlich unerträglicher und dummer Weise) zu bioethischen Fragen
(Klonen, Geburtenregelung, Eugenik etc.) geäußert.« (aus: »Apostel Darwins«). Im übrigen bin ich mir sicher, dass
einige (›blauäugige‹) Äußerungen von Mayr (und auch anderen Evolutionisten) zur »genetischen Verbesserung der
Menschheit« einen hellen Aufschrei in der Politik verursachten, wenn sie nicht unter dem Deckmäntelchen der
Evolutionslehre, sondern z. B. von einer rechtsgerichteten Partei veröffentlicht würden.
3. Thomas H. Huxley habe ich in Abwandlung eines Zitates über den Naturtheologen
Richard Owen (»Er log für Gott und aus Boshaftigkeit. Ein übler Fall.«) aus folgendem Grund
mit »Er log für Darwin und aus Skrupellosigkeit. Ein ganz übler Fall.« charakterisiert:
Huxley war bekanntlich einer der herausragendsten (auch als »Darwins Bulldogge« bekannter) Anhänger und
Beförderer der darwinschen Evolutionstheorie. Er entschied viele Diskussionen aber nicht durch Sachargumente,
sondern in dem er begründete und sachlich vorgebrachte Kritik am Darwinismus immer wieder damit entwertete,
dass er frech behauptete, die Argumente seien ohne jede Bedeutung, da sie auf eine prinzipielle, theologisch
begründete Ablehnung der Evolution zurückzuführen seien. Das ist genau der Stil, mit dem Kutschera auch heute
noch Gegner der Evolutionstheorie abwertet. Und genau deshalb empört ihn meine treffliche Charakterisierung Huxleys.
Quasireligiöse Bedürfnisse der dogmatischen Darwinisten
Bei der Beobachtung des Kutschera-Clubs kann man durchaus folgenden Eindruck gewinnen: Diese orthodoxen
und dogmatischen Darwinisten, das sind Leute, die ver-suchen, ihre existenziellen bis quasireligiösen
Bedürfnisse (z. B. das Bedürfnis den lieben Gott noch einmal umzubringen oder doch mindestens intersubjektiv
überprüfbar für tot zu erklären) mit »wissenschaftlichen Theorien«, hier: Mit dogmatischem Neodarwinismus zu
befriedigen. Genau eine solche Haltung aber nennt man mit Recht »Pseudowissenschaft«. Übrigens bietet
auch schon Richard Dawkins ein bedrückendes Zeugnis einer solchen pseudowissenschaftlichen Grundhaltung.
In seinem bekannten Buch »Der Blinde Uhrmacher« bezeichnet er das darwinsche Erklärungsmodell als eine
Theorie, die es Wissenschaftlern wie ihm ermöglicht, ein intellektuell erfüllter Atheist zu sein. Da kein
Zweifel daran besteht, dass auch der Atheismus eine Weltanschauung ist, missbraucht Dawkins hier offenbar
die Evolutionstheorie zur Absicherung seiner weltanschaulichen Grundeinstellung. Solange man intellektuell
redlich ist, kann so etwas einfach nicht funktionieren.
Verschiedenerlei Arten von Demagogie
Kutschera und Neukamm verunglimpfen meine ›Machwerke‹ pauschal als demagogisch. Tatsächlich sind verschiedene
meiner Beiträge schon von ›höchster‹ Stelle (also auch aus Ihren Reihen) außerordentlich gelobt worden. Unter
demagogischer Kritik von Seiten der beiden vorgenannten Evolutionisten leiden vor allem die Kreationisten
Siegfried Scherer, Reinhard Junker und Ekkehard Lönnig. Da irritiert etwas, dass diesen Herren, die für
Kutschera bisher nicht satisfaktionsfähig waren, plötzlich (und zwar offenbar nur, um mich zu verunglimpfen)
eine »wissenschaftliche Reputation« zugestanden wird. Noch jüngst verunglimpfte Kutschera im
Laborjournal (6/2006) Scherer wie folgt: »Scherer war an der Uni Konstanz und wurde dann auf eine
C3-Professur nach München berufen. Die TU München hat damals einem bekennenden Junge-Erde-Kreationisten
eine Propaganda-Plattform eingerichtet. Inzwischen wurde Herr Scherer hausintern auf einen Lehrstuhl
befördert. Dies zeigt, welche kreationistischen Netzwerke [!] gesponnen wurden«. Tatsächlich ›zeigt dies‹ einmal
mehr Kutscheras Paranoia im Hinblick auf Kreationisten! Ich hoffe aber, Kutschera hat diesmal Rückgrat genug,
um seinen überraschenden Sinneswandel mit den betroffenen Kreationisten in einer öffentlichen Gesprächsrunde zu diskutieren.
›Ein Professor aus Kassel‹, das klingt nicht gut...
Das zuvor angeführte Zitat aus dem Laborjournal ist ein typisches Beispiel für den Argumentationsstil von
Herrn Prof. Kutschera: Er versucht seinen Kollegen Scherer, der immerhin einen Lehrstuhl an einer der
angesehensten deutschen Universitäten anvertraut bekommen hat, als kreationistischen Pseudowissenschaftler
herabzusetzen, und Kutschera unterstellt sogar, Scherer verdanke seine Professur wohl eng gesponnenen »kreationistischen Netzwerken«.
Da präsentiert Kutschera eine äußerst unappetitliche Mischung aus Kollegenverleumdung und antikreationistischer
Paranoia. Aber, Herr Professor Kutschera: Ein Lehrstuhl in München (Scherer) das ist doch wirklich was; aber
ein Professor in Kassel (Kutschera), was ist das schon, das klingt gar so nicht gut.... Denn die Gesamthochschule-Universität
Kassel galt doch auch noch zur Zeit Ihrer Berufung als eine bekannte akademische Endstation für (halb-)linke,
feministische und lindgrüne IdeologInnen und NetzwerkerInnen jeder Couleur. Und die sollte man doch, da werden
Sie mir zustimmen, doch wissenschaftlich mit größter Vorsicht genießen... Sehen Sie, genau das kommt dabei
heraus, wenn man Ihren Argumentationsstil einmal auf Sie selber anwendet. So ›ein Professor aus Kassel‹ sollte
also ganz vorsichtig sein, wenn er meint, einen Professor aus einer anderen deutschen Universität verunglimpfen
zu müssen! Ich schlage hingegen vor, wir bleiben künftig bei evolutionstheoretischen Sachargumenten, und da
wird die Luft für darwinistische Dogmatiker ziemlich schnell ziemlich dünn.
Abschließende Empfehlung
Zum Abschluss meines offenen Briefes darf ich Ihnen ungefragt empfehlen, sich ernsthaft die Frage zu stellen,
ob der Großinquisitor Kutschera und seine ›Bulldogge‹ Neukamm (die im Umgang mit Kritikern der Evolutionstheorie
nicht einmal vor dem Mittel der Verleumdung zurückschrecken) der Reputation der Evolutionsbiologe und der guten
Sache der Evolutionsforschung tatsächlich förderlich sind. Ich erlaube mir ferner, Ihnen vorzuschlagen, Kutschera
und Neukamm wegen Gefährdung der Verbandsziele und Beschädigung des Vereinsansehens abzuwählen.
Mit besten Grüßen
Ihr
Christopher Handmann
PS: Die AG Evolutionsbiologie hat in ihrem jüngsten News-Ticker-Beitrag angekündigt, rechtliche Schritte
gegen mich zu prüfen. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, die biologische Wahrheit künftig vor Gericht zu
verhandeln, damit wieder mehr Objektivität greift!
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Offener Brief der Bürgerinitiative »RettetdenSee« an den Landesvorsitzenden des NABU NRW vom 05.07.05
Sehr geehrter Herr Tumbrinck,
wir wenden uns an Sie in Ihrer Funktion als Landesvorsitzender des Naturschutzbundes Nordrhein-Westfalen. Wir gehen davon aus,
dass Ihnen aufgrund der überregionalen Bedeutung des aufgelassenen Brochterbecker Steinbruchs für den Natur- und Artenschutz
zwischenzeitlich bekannt ist, dass sich im Tecklenburger Land ein breiter Bürgerprotest gegen die Verschüttung des
idyllischen Steinbruchsees mit 40.000 cbm Kalkabraum aus der Erweiterung des Mittellandkanals formiert hat.
Die Vorarbeiten für die Verfüllung des Sees sind bereits angelaufen. Von der zuständigen Naturschutzbehörde
wurde die Verschüttung des Sees in aller Stille, d. h. ohne die Bürger zu informieren oder
gar zu beteiligen, genehmigt. Seit dem Bekannt werden der Genehmigung wird die Verfüllung gegenüber
der Öffentlichkeit als unverzichtbare »Entwicklungsmaßnahme zur Herstellung eines planmäßig
modellierten Amphibienbiotops« und »Optimierung des Uhuschutzes« verteidigt. Über weitere
im Hintergrund wirksame ›Sachzwänge‹ für die Maßnahme, wie z. B. ungeregelte
Verkehrssicherungspflichten schweigt sich die Behörde allerdings bisher aus.
Zwischenzeitlich ist deutlich geworden, dass die bevorstehende Verschüttung des Sees von Ihrem Verband nicht
nur unterstützt, sondern sogar maßgeblich mitinitiiert worden ist – und zwar unbeeindruckt
davon, dass es sich bei dem Steinbruch nach übereinstimmender Meinung der Experten, um einen ebenso
hochwertigen wie seltenen Biotop handelt! Selbst der renommierte Zoologe und bekannte
Buchautor Prof. Dr. Josef H. Reichholf (München), der Tierökologe Prof. Dr. Herbert Zucchi
(Universität Osnabrück) und der Bodenkundler Prof. Dr. Thomas Scholten (Universität Jena)
haben sich zwischenzeitlich vehement für die Erhaltung des kalkoligotrophen Steinbruchgewässers
eingesetzt (siehe Anlage).
Nach übereinstimmender Auffassung Ihrer lokalen NABU-Aktivisten soll die absurde Verfüllung des
Sees auch dem besseren Schutz eines dort seit vielen Jahren nistenden Uhus dienen, der angeblich
den Anblick von Menschen, die Ihrem Verband nicht angehören, unerträglich findet. Bereits jetzt
führt ein übereifriges Mitglied Ihres Verbandes mit dieser Begründung einen hartnäckigen
Kampf gegen die einheimische Bevölkerung, zumindest wenn sie es wagt, sich dem Steinbruch zu nähern.
Wie sich nun herausgestellt hat, scheut er auch nicht davor zurück, für einen vermeintlich
besseren Uhuschutz, den ganzen See zu opfern.
Auch nach Ansicht des verantwortlichen Mitarbeiters der unteren Landschaftsbehörde, Hermann Holtmann,
lassen ›wilde‹ Wanderer und unbelehrbare »Badewütige«, welche sich
erdreisten, die Verbotsschilder des Naturschutzgebietes zu ignorieren, dem Naturschutz keine andere Wahl,
als den See mit brachialen Methoden so zu verunstalten, dass er für potenzielle Besucher unattraktiv
wird. Tatsächlich liegt der See aber an mindestens 300 Tagen im Jahr völlig ungestört von
ungeregelten Besucherströmen und voller erhabener Ruhe in der Landschaft. Das kann ich,
Jochen Westenhoff, Ihnen versichern, weil ich seit 30 Jahren unterhalb des Steinbruchs wohne und täglich
zu ihm hinschauen kann.
Faktum ist, dass der Uhu trotz der »Badewütigen« auch in diesem Jahr wieder erfolgreich
gebrütet hat. Ob er dies auch noch nach der Biotopentwicklungs- oder genauer
gesagt -verunstaltungs¬maßnahme tun wird, ist aufgrund des brachialen Vorgehens zumindest
fraglich. Noch fraglicher ist, ob es der Naturschutzbehörde gelingt, den Steinbruch
durch die Teilverfüllung ökologisch aufzuwerten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich
nämlich statt des anvisierten ›Flachwasser-Amphibien¬biotops‹ auf
dem zugeschütteten See ein Erlen-Brennnessel-Gebüsch entwickeln. Vermutlich sogar noch
angereichert mit einigen Neophyten wie Riesenbärenklau, Indisches Springkraut oder
Asiatischer Riesenknöterich – alles Pflanzen, die sich bekanntlich gerne entlang
von Kanälen ausbreiten und deren Samen daher eine gute Chance haben, mit den unzähligen
LKW-Transporten in den Steinbruch eingeschleppt zu werden.
Für die überwiegende Zahl der – vom Naturschutz durch Verbotsschilder in die
Illegalität abgedrängten – Besucher liegt Wert des Sees in seiner
landschaftlichen Schönheit und nicht in seiner Bedeutung für den Artenschutz. Die
meisten dieser Naturliebhaber und Wanderer können auch gar nicht wissen, dass
sie sich in einem Uhubrutgebiet befinden. Außer dem obligatorischen Naturschutzschild,
das ihnen das Betreten des Steinbruches aus Gründen des Artenschutzes rigoros
verbietet, gibt es keinerlei weitere Hinweise auf den Grund der Unterschutzstellung. Auf
das Aufstellen erläuternder Schautafeln, wie sie sonst schon mal in anderen
Naturschutzgebieten zu sehen sind, wurde hier von Seiten der Naturschutzbehörde ebenso
wie auf die Absicherung wirklich gefährlicher Abgründe verzichtet.
Offenbar ist der Naturschutz der Meinung, dass hier kein Informationsbedarf besteht, und dass Wanderer oder nichtorganisierte
Naturliebhaber, die Verbotsschilder (mit denen der Naturschutz die ehemals freie Landschaft ja inzwischen weithin zugepflastert hat)
ignorieren, selbst Schuld sind, wenn sie über die Klippen stürzen. Fast genauso schlimm kann es den Besucher treffen, wenn
er von der einzigen ›Aufklärungsmaßnahme‹ des Schutzgebietes, dem ›Uhu-Revierwächter‹
entdeckt wird. Mit anmaßenden Auftreten wird von ihm jeder menschliche Eindringling unerbittlich hinauskomplimentiert. Weil er
sich mitunter nicht einmal vorstellt oder ausweist, gelingt es ihm regelmäßig, auch noch den friedliebendsten und
einsichtigsten Bürger in Empörung zu versetzen und gegen den Naturschutz aufzubringen.
Doch damit nicht genug, vermutlich in Abstimmung mit der zuständigen Behörde hat er auch dafür gesorgt, dass
der Weg, der früher einmal am unteren Rand des Steinbruchs verlief, mit Dornengestrüpp zugewuchert ist. Dieser Weg war für
Wanderer die einzige fußläufige Verbindung, um aus Richtung Tecklenburg zum Dorf zu gelangen. Da sich dieser Weg dem aus
Richtung Tecklenburg kommenden Wanderer jetzt plötzlich versperrt, muss er die letzten 300 Meter zum Dorf entlang einer gefährlichen
Landstraße ohne Fahrradweg und Bürgersteig mehr oder weniger im Straßengraben zurücklegen. Dieser Gefährdung setzen
sich auch Kinder aus, die vom Außenbereich zu Fuß ins Dorf gehen wollen. Seit der vom Naturschutz geförderten Unpassierbarkeit
des Weges werden sie daher von den Eltern lieber mit dem PKW ins Dorf gefahren.
Auch hier haben wir es offensichtlich mit einem erwünschten oder fahrlässig in Kauf genommenen negativen Beitrag übereifriger
Naturschützer zum Umweltschutz und zur Umweltpädagogik zu tun. Wer über die Kreisgrenze hinwegschaut, wird feststellen, dass überall
in der Republik heftig über die Ursachen für die abnehmende Akzeptanz der Bürger gegenüber Maßnahmen des Naturschutzes
diskutiert wird, und dass Naturschützer sich ernsthafte Gedanken machen, wie man Naturschutzmaßnahmen zukünftig bürgerverträglicher
gestalten kann. Nur die Naturschützer des Kreises Steinfurt mit ihrem ›menschfeindlichem‹ Naturbegriff und ihren arroganten
Naturschutzkonzepten von vorgestern, scheinen von dieser Entwicklung noch nichts gehört zu haben.
Wen wundert es da noch, dass sich heftiger Widerstand im Tecklenburger Land gegen solche absurden Naturschutzmaßnahmen organisiert.
Nicht nur in der Brochterbecker Bevölkerung hat es eine große Empörung oder doch zumindest fassungsloses Kopfschütteln
ausgelöst, dass nun dem Uhu mit schwerstem Gerät auf den Leib gerückt wird, wo sonst nicht einmal ein Mensch ungestraft ›husten‹ darf.
Bisher hat sich kein für die Verfüllungsgenehmigung verantwortlicher ehrenamtlicher oder behördlicher Naturschützer von der brachialen
Naturschutzmaßnahme distanziert. Deshalb wird sich in der Bevölkerung der Eindruck verstärken, dass man den Steinbruchsee, der
bereits für viele Bürger zu einem wesentlichen Teil der heimatlichen Natur geworden ist, jetzt sogar vor den Naturschützern schützen muss.
Auch für die Naturschützer des Kreises Steinfurt wird der Widerstand gegen die brachiale Naturschutzmaßnahme, der sich nun in kürzester
Zeit organisiert hat, nicht völlig überraschend kommen. Hätten sie sonst versucht, die Verschüttung des wohl schönsten Sees im
alten Amtsbezirk Tecklenburg unbemerkt von der Öffentlichkeit zu genehmigen? Jetzt wo der Skandal – aus behördlicher Sicht sicherlich
viel zu früh - bekannt geworden ist, ist der Naturschutz plötzlich in die Defensive geraten und muss nachholen, was er in einer funktionierenden
Demokratie schon vorher hätten tun sollen, nämlich die Bürger in das Genehmigungsverfahren miteinbeziehen. Erst wenn alle entscheidungsrelevanten
Fakten offengelegt werden, kann sich der Bürger ein realistisches Bild von dem Interessengeflecht machen, das sich hinter der Maßnahme verbirgt.
Er wird dann vermutlich feststellen, dass es hier nicht in erster Linie um die Lösung
von Naturschutzproblemen, sondern um die Entschärfung von ungeregelten Verkehrssicherungsproblemen und kostengünstige oder
wohlmöglich sogar profitable Abraumentsorgung geht.
In der Anlage dieses Schreibens haben wir für Sie ein Photo des Steinbruchsees beigefügt. Sie werden zugeben müssen, dass es
ohne weitere Retuschen die Titelseite Ihrer Mitgliederzeitschrift »Naturschutz heute« zieren könnte. Lassen Sie sich von
diesem Bild anmuten und tragen Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Naturschutzbundes NRW dazu bei, dass dieses hanebüchene
Naturschutzprojekt gestoppt wird. Damit können Sie verhindern, dass die bisher von Ihrem Verband unterstützte
Naturverschandelungsmaßnahme als Paradebeispiel für »Naturschutz gegen die Bürger« und »ökologischen
Vandalismus« in die Naturschutzgeschichte eingehen wird. Zudem möchten wir Ihnen empfehlen, Ihre Aktivisten vor Ort nicht
wie ›Feldjäger‹ auftreten zu lassen, sondern sie zu einem kooperativen Umgang mit den Bürgern anzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Westenhoff, Direkter Anlieger, Brochterbeck
Christopher Handmann, Dipl.-Geogr., Lippstadt
Wolfgang Finkmann, Dipl.-Biol., Tecklenburg
Anlage 1
Wolfgang Finkmann
40.000 cbm Kalkabraum für den Brochterbecker See
Anlage 2
Kommentare namhafter Naturschutzexperten zur naturschutzbehördlich genehmigten Verschüttung des Brochterbecker Sees
Von Prof. Dr. Josef H. Reichholf (<Reichholf.Ornithologie@zsm.mwn.de>), Leiter der zoologischen Staatssammlung München sowie Biologie- und Naturschutzprofessor an beiden Münchener Universitäten
An Christopher Handmann (<>)
Datum: Freitag, 01. Juli 2005
Lieber Herr Menting,
eine "Sauerei" ist das (auf Bayrisch gesagt), was da mit dem Brochterbecker See passiert. Ja, Leute dieser Art und Denkweise sind keineswegs ausgestorben; ich wußte wohl, warum ich solche Vorgehensweisen in meinem Buch "Die Zukunft der Arten" anprangerte, wenngleich mir hauptsächlich (aktuelle) Fallbeispiele aus Bayern vorlagen. Ich werde Herrn Holtmann, ULB, mitteilen, dass ich "sein Beispiel" in die Neuauflage meines Buches aufnehmen werde. Vielen Dank für das Bild dazu, das Sie mir geschickt haben! Vielleicht kann man es im Buch unterbringen.
Beste Grüße, wie immer,
Ihr Josef Reichholf
Von Prof. Dr. Herbert Zucchi (<H.Zucchi@fh-osnabrueck.de>), Fachhochschule Osnabrück, Fachbereich Landschaftsarchitektur (Zoologie/Tierökologie)
An Wolfgang Finkmann (<WFinkmann@gmx.de>)
Datum: Dienstag, 05. Juli 2005
Sehr geehrter Herr Finkmann,
haben Sie Dank für Ihre Mail. Mit großem Befremden habe ich die geplante Verschüttung des Brochterbecker Sees zur Kenntnis genommen. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es geradezu Wahnsinn, mit einem oligotrophen Kalkgewässer derartig zu verfahren - Fachleute im wahrsten Sinne des Wortes können das nicht sein, die Derartiges planen und tun, und das dann auch noch unter dem Signum »ökologische Aufwertung«! Die Situation, die Sie schildern (badende Jugendliche etc.), schreit geradezu nach massiver und gezielter Naturschutzöffentlichkeits- und -bildungsarbeit, die man ideenreich gestalten könnte und sollte. So wie jetzt vorgesehen, wird man dem Naturschutz jedenfalls eher einen Bärendienst erweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Zucchi
Von Prof. Dr. Thomas Scholten (<thomas.scholten@uni-jena.de>), Institut für Geographie an der Universität Jena, Bodenkunde
An Jochen Westenhoff (<Rettetdensee@aol.com>)
Datum: Freitag, 08.Juli 2005
Lieber Jochen,
ich bin entsetzt über diese »Schandtat«.
Beste Grüße aus Jena und ganz herzlichen Dank für Dein Engagement
Thomas
Kontakt: Jochen Westenhoff, Up de Hessel 4, 49545 Tecklenburg-Brochterbeck,
E-mail: RettetdenSee@aol.com, Telefon: 05455/1405
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Von der Welt-Redaktion nicht veröffentlichter Leserbrief zur Montags-Kolumne »Das Wetter« von Konrad Adam, DIE WELT vom 30.08.04
Konrad Adam glaubt beobachten zu können, dass nach dem ›Alarmismus‹ der modernen Klimaforscher und ihrer
journalistischen Hilfstruppen nun die Abwiegler das Ruder übernommen hätten, die jedes Wetterextrem über
Mittelwertbildungen zum verschwinden bringen würden.
Leider ist es noch bei weitem nicht so: Die ›Alarmisten‹ beherrschen weiterhin die Szene! Man kann höchstens
sagen, dass die Skeptiker gegenüber der angeblich final bewiesenen globalen Klimaerwärmungstheorie inzwischen öfter wagen,
ihre Zweifel zu äußern. – Und zwar in der Hoffnung, dass sie von den staatlicherseits reichlich alimentierten
›Alarmisten‹ nicht mehr wie früher einfach niedergebrüllt oder als moralischer Abschaum behandelt werden.
Die Skeptiker haben auch nicht verhindern können, dass die Klimaerwärmungstheorie, bevor sie überhaupt wissenschaftlich ausdiskutiert ist, über hochsubventionierte
Windkraftanlagen, Emissionshandel etc. zwischenzeitlich bis auf die Strompreise durchschlägt. Tatsächlich ist hier eine unausgegorene Theorie zum Schaden der Volkswirtschaft Fleisch geworden.
Die Politiker werden sich nun dafür verantworten müssen, dass sie die wissenschaftliche Mär von der Erwärmung des Klimas durch die sogenannten Treibhausgasen allzu leichtfertig
geglaubt und unterstützt haben. Letzteres liegt wohl weniger an der faktischen Überzeugungskraft der Treibhauseffekttheorie, als daran, dass eine anthropogen verursachte Klimaerwärmung
allzu gut in das weitverbreitete (aber nachweislich falsche) Bild vom negativen Umgang des Menschen mit der Natur passt. Manches spricht dafür, dass die Klimaerwärmungstheorie den Weg der vor
wenigen Jahren ebenso populären Waldsterbenstheorie gehen wird,
d. h. sie wird sich in Luft auflösen.
Welche Position vertritt nun der Kolumnist, der sowohl den ›Alarmisten‹ als auch den ›Gesundbetern‹ misstraut? Er beobachtet den wissenschaftlichen
Disput von hoher Warte und setzt auf die eigene persönliche Erfahrung. Und die suggeriert ihm, dass die ›Alarmisten‹ wahrscheinlich doch richtig liegen, weil die
Extremereignisse eindeutig zugenommen haben. Er sieht schrumpfende Gletscher, vermehrte Wirbelstürme und Zugvögel, die keine richtigen Zugvögel mehr sind, weil sie ihre genetische
Mitgift verleugnen und sich weigern, in ihre althergebrachten Winterquartiere zu ziehen.
Dazu ist zweierlei zu sagen: Erstens verfälscht das Gedächtnis die wirklichen Verhältnisse, weil es dazu neigt, sich an Extreme zu erinnern und das Normale zu vergessen. Und zweitens
haben z. B. Vögel schon immer ihr Verhalten verändert. Man denke nur an bekannte Beispiel von der Amsel, die noch vor hundert Jahren ein reiner Waldvogel war und dann zunehmend in die Städte
migriert ist. Dort hat sie sich so gut eingelebt, dass sie immer weniger Lust verspürte, ihre Winterquartiere aufzusuchen.
Und was die schrumpfenden Gletscher angeht, so gibt es z. B. ernsthafte Indizien dafür, dass große Gebiete der Alpen während
der nacheiszeitlichen Warmzeit Jahrtausende lang unvergletschert waren.
Bevor man also leichtfertig den Menschen für jede Klimaschwankung verantwortlich macht und volkswirtschaftlich
bedenkliche Katastrophenvermeidungsprojekte auf den Weg bringt, sollte man erst
Mal versuchen, solche zweifellos natürlichen ›Extremphänomene‹ plausibel zu erklären.
Von der Spiegel-Redaktion nicht veröffentlichter Leserbrief zum Artikel »Inseln im Festland – Über die schnelle Evolution von
Arten in alten Gewässern«, DER SPIEGEL 22/2003
Noch verblüffender als die Artenvielfalt und Konvergenz der Buntbarsche in den ostafrikanischen Seen ist die Einfältigkeit und Ignoranz, mit der
die molekulargenetisch arbeitenden Evolutionsbiologen ihre Befunde interpretieren. So gaukeln sie dem interessierten Publikum seit Jahren vor, dass sie bei ihren DNA-Sequenzanalysen
im Prinzip nichts anderes über den Evolutionsmechanismus herausgefunden haben als Darwin bei seinen epochalen Blicken durch das Bullauge der Beagle und auf die erfolgreichen
Praktiken zeitgenössischer Taubenzüchter. Tatsächlich können aber mit der darwinschen Zufallsvariation und Umweltselektion weder das rasante Evolutionstempo
der ostafrikanischen Buntbarsche noch deren frappante Konvergenzen plausibel erklärt werden. Darwin selbst hat immer wieder betont, dass die Artentstehung durch Variation und
Selektion ein akkumulativer Prozess kleinstschrittiger Veränderungen ist, der endlos lange Zeiträume benötigt. Darüber hinaus kann der Versuch, die außergewöhnlichen
morphologischen Ähnlichkeiten der Buntbarsche in den verschiedenen Seen (bis hin zu den Farbmustern) mit hochgradig identischen Anpassung an ähnliche Umweltbedingungen zu erklären,
kann nur als völlige Überspannung des darwinschen Selektionsprinzips bezeichnet werden – zumal die genetisch nur entfernt verwandten Zwillingsarten auch in völlig
unterschiedlichen ökologischen Nischen vorkommen. Statt die überkommenen, darwinistischen Beschwörungsformeln wider aller Evidenz gebetsmühlenartig zu wiederholen, sollten
sich die Evolutionsbiologen besser Gedanken darüber machen, ob bei der Buntbarschevolution genetische Programme abgespult werden und wie diese entstanden sein könnten.
Von der Spiegel-Redaktion veröffentlichter Leserbrief zu »Naturschutz: Serengeti in der Agrarwüste«, DER SPIEGEL 32/2001
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welchen abstrusen Begründungen die Naturschützer ihre jeweils bevorzugten Kunstlandschaften zur wahren Natur stilisieren.
Neuerdings stehen nicht mehr traditionell bewirtschaftete, bäuerliche Kulturlandschaften, sondern mit ›eiszeitlichen‹ Großsäuger bestückte
Natur-Weide-landschaften für intakte Natur. Tatsächlich hat es solche savannenartigen Naturlandschaften hier nie gegeben. Jedes von einem seriösen Vegetationsgeschichtler
ausgewertete Pollenprofil zeigt das gleiche Ergebnis: Mitteleuropa war nicht nur in der Nacheiszeit, sondern auch in den pleistozänen Warmzeiten flächendeckend mit
Wald bedeckt. Statt sich mit solcherlei Fakten ernsthaft auseinander zu setzen, schwärmt die Großsäugerbewegung auf ihren einschlägigen Symposien lieber von
Waldelefanten und Nashörnern, die bald wieder durch Mitteleuropa trotten. Was zumindest in Deutschland hinter diesen ganzen Unsinnsplänen und -theorien steckt,
kann in den Lippeauen schon jetzt beobachtet werden: Fünf Naturschützer und rückgezüchtete ›Auerochsen‹ als abschreckende Landschaftswächter
rein und der Rest der Bevölkerung raus. Mir graust vor dem Ziel der Riesenrüsseltierbewegung ganz Mitteleuropa in einen riesigen Hagenbeck zu verwandeln, mit wenigen
Naturschützern als Wärtern und alle Erholungssuchenden auf Beobachtungskanzeln verbannt.
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Leserbriefe sind Ordnungsrufe gegen schlampige Recherchen.
»Leserbriefeschreiber sind in der Regel Rentner, Nörgler oder
berufsmäßige Querulanten
[Lehrer, Rechtsanwälte etc.,
G.M.].«
Theodor Heuss
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