Kritische Naturgeschichte > Horrordo


 

Nachdenkliches und Groteskes zum jagdlichen Ehrenkodex »Waidgerechtigkeit«:

  • Willy und die Wölfe oder ›warum Wölfe nichts von Hege verstehen‹
  • Ein Falkner, ein entflogener Habicht und ein toter Mäusebussard
  • Manni und Candy – Eine anrührende Geschichte am Rande jagdlicher Abgründe
  • Hornberger Schießen
  • I. Federschütze mit dem Schießpferde
  • II. Angepflockte Uhus bei der Hüttenjagd
  • III. Knochengeschäft
  • IV. Vogelscheuche - Das umstrittene Original
  • V. Ganter hinter Gittern
  • VI. Schlaufuchs
  • VII. Ohne Jäger kein Wild?
  • VIII. Die jagdliche Intensivstation
  • IX. Von verlottertem Wild in befriedeten Bezirken
  • X. Indigo-Hasen
  • XI. Über die legale Verwandlung einer zauberhaften Begegnung in ein blutiges Gemetzel

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    »Es blies ein Jäger wohl in sein Horn und alles was er blies, das war verlorn« (Volksweise)

    »Es blies ein Jäger wohl in sein Horn und alles was er blies, das war verlorn« (Volksweise)

     

    Willy und die Wölfe oder ›warum Wölfe nichts von Hege verstehen‹

    Foto: picture alliance / ZB
    In Deutschland gibt es seit Mitte der 1990er Jahre wieder dauerhafte Vorkommen von Wölfen, was nicht nur erhebliche Konflikte mit der Jagd heraufbeschwört, sondern auch dazu führt, dass die Art und Weise, wie die Jäger ihr blutiges Hobby legitimieren, immer groteskere Formen annimmt.

    Jäger begründen ihre massiven Eingriffe in die heimischen Wildbestände üblicherweise damit, dass in der intensiv genutzten Kulturlandschaft kein Platz mehr für Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Bär ist und ohne Jagd die Wildbestände aus den Fugen geraten würden. Die Jagd sei daher nicht nur eine Passion oder gar ein privilegiertes Vergnügen, sondern ein sowohl ökologisch wie auch ökonomisch notwendiges Regulierungsinstrument. An diese Mär vom Jäger als Ersatzwolf glaubt heute kaum noch jemand. Zum einen hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Jäger einen Großteil der Wildbestände selbst herangemästet und sich der Gesellschaft mit der Bekämpfung eines Problems andienen, das sie selbst erzeugt haben1). Und zum anderen fürchten die Jäger nichts mehr als die Regulierung der Wildbestände durch die ursprünglichen Beutegreifer, weil dies ihre elementaren eigenen Nutzungsinteressen bedrohen würde. Kein Wunder, dass so mancher osteuropäische Wolf, der seinem Wandertrieb auf uralten Wechseln folgend, den Weg nach Deutschland gefunden hat, trotz strengstem Schutzstatus von einem Jäger abgeknallt wurde, wenn er sich überraschend in dessen Revier blicken ließ. Zur Rechtfertigung einer solchen Straftat wird dann nicht selten der Jagdschutz ins Feld geführt, d. h. der Schütze habe sich bedroht gefühlt und/oder den Wolf mit einem wildernden Schäferhund verwechselt.2)

    Was unsere zweibeinigen Ersatzwölfe jenseits jagdlicher Propaganda wirklich motiviert, kommt meistens erst ans Tageslicht, wenn die Jägerseele empfindlichst gekränkt und diplomatisches Alltagsgeplänkel durch den erbitterten Streit um Grundüberzeugungen abgelöst wird. Dies war jüngst der Fall als auf einer Trophäenschau bekannt wurde, dass Anfang 2011 der prächtige Zukunftshirsch »Willy« im Bereich der Hegegemeinschaft Wildsteig auf Veranlassung des staatlichen Forstbetriebes Oberammergau von einem verbeamteten Berufsjäger über den Haufen geschossen worden war. Willy, ein ungerader 22-Ender mit über 7 kg Geweihgewicht war erst vom 7. oder 8. Kopf (wie die Jäger zu sagen pflegen) und in den privaten Revieren der Hegegemeinschaft bewusst geschont worden. Als er dahingemeuchelt wurde, stand er zwar auf Staatsforstgebiet aber eben nicht auf einer Sanierungsfläche, wie es die Abschussgenehmigung nach Auffassung der privaten Jägerschaft erforderte. In 3 bis 4 Jahren hätte er wohl eine der schönsten und begehrtesten Trophäen Bayerns auf dem Kopf getragen. Ein betuchter Jäger (von denen es ja nicht wenige gibt) hätte dann für Willy’s Abschuss gut und gerne einen fünfstelligen Eurobetrag auf den Tisch gelegt. Dem Forstbetriebsleiter wurde daher nicht nur Jagdfrevel, sondern auch noch die Verschwendung von Volksvermögen vorgeworfen.

    Prachthirsch Willy zu Lebzeiten (Foto: JG) Willy’s Trophäe (Foto: Vivienne Klimke)

    Der heftig kritisierte Forstbetriebsleiter begründete den Abschuss pauschal damit, dass eben der Grundsatz Wald vor Wild gelte. In den Bergwäldern gäbe es zu viele Hirsche, die Rinde von den Bäumen schälen oder den Jungwuchs (vor allem Tanne und Ahorn) verbeißen würden. Dies würde die waldbaulichen Ziele in Schutzwald- und Sanierungsflächen gefährden. Daher verstehe er den Unmut und Ärger der Jäger nicht. Da der Konflikt zwischen der Forst- und Wildpartie schon eine längere Zeit gärt, ist solcherlei vorgetäuschtes Unverständnis natürlich süffisante Heuchelei vom Feinsten. Die konnte sich der Forstbetriebsleiter allerdings leisten, weil er sowohl von den bayrischen Staatsforsten als auch der unteren Jagdbehörde Rückendeckung erhielt. Man muss kein Freund der privaten Jägerschaft sein, um zu vermuten, dass bei dieser Einheitsfront behördliche Seilschaften im Spiel sind. Zweifellos hätte der Abschuss eines Stückes Kahlwild oder eines weniger zukunftsträchtigen Trophäenträgers den gleichen waldbaulichen Effekt gehabt. Dass ausgerechnet Bayerns prächtigster Zukunftshirsch das Zeitliche segnen musste, spricht weniger für die Entschlossenheit der Forstpartie, den Wald zu schützen, als für deren Bereitschaft, der privaten Jägerschaft zu demonstrieren, dass traditionelle waidmännische Werte im Staatsforst von sekundärer Bedeutung sind.

    Kein Wunder also, dass die gedemütigte Jägerseele vor Wut kochte und sich ihrer Empörung in den einschlägigen Jagdzeitschriften und Internetforen Ausdruck verschaffte. Es wurde über selbstherrliche ›Wald vor Wild‹-Ideologen in den Staatsforsten und deren schamlose Berufsjäger hergezogen. Die sähen sich zwar selber gerne als Elitejäger, würden aber von Waidgerechtigkeit und Hege nichts verstehen, weil sie keine Skrupel hätten, einen vielversprechenden Prachthirschen dahin zu meucheln. Ein besonders aufschlussreicher Kommentar, war im Forum »Wild und Hund« zu lesen: »Den überwältigenden Zauber auf einen reifen alten Hirsch in der Hirschbrunft unter großem körperlichen und zeitlichen Einsatz zu waidwerken, den kennt ihr leider (noch) nicht.«3) Er bringt ein zentrales Motiv der Jagd, das sich auch in vielen passionierten Jagderzählungen wiederfindet, auf den Punkt, nämlich das physisch herausfordernde und psychisch erregende ›Erbeuten eines langjährig gehegten kapitalen Hirschen‹, dem ›die gerechte Kugel angetragen‹ wird. Zugleich entlarvt er die erbauliche Rede von der Hege, die der »Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes« dienen soll (und die in den Präambeln der Jagdgesetze ihren Niederschlag gefunden hat), als hehres Geschwätz. »Hege ist«, wie es ein Jagdkritiker auf BR-online.de trefflich bemerkte, »eine Abkürzung für die Heranzüchtung Enormer Geweihtragender Einzelexemplare«.4)

    Foto: S. Zibolsky
    Auch diese Lausitzer Wölfe verstehen nichts von Hege...!

    Einmal auf dem Grund der Jägerseele angekommen, fühlte sich unser redseliger Waidmann auch noch berufen, eine tiefsinnige Bemerkung zum jagdlichen Reizthema »Wolf« abzugeben. Durch die überraschende Rückkehr des Wolfes sehen nicht nur die Jagdpächter einiger ostdeutscher Reviere ihre hegerischen Erwartungen zunehmend beeinträchtigt, sondern der Wolf spielt auch in der öffentlichen Diskussion um Sinn und Unsinn der Jagd eine immer größere Rolle: »Wir Jäger sollten doch nicht jagen, wie die Wölfe, die den Begriff ›Hege‹ nicht kennen. ›Jagdkultur‹ versteht nur der Mensch - aber anscheinend manche leider nicht«. Dieser Appell besticht zunächst einmal durch seine naive Einfalt und könnte wortwörtlich einer Parodie des waidmännischen Selbstverständnisses entstammen5). Einen gerade noch erträglichen Sinn hätte die Bemerkung gemacht, wenn sie »Wir Jäger können doch nicht jagen wie die Wölfe,...« gelautet hätte, weil kein Zweifel daran besteht, dass Jäger nicht die Funktionen ausgerotteter Beutegreifer in Räuber-Beute-Systemen ersetzen können. Die Art und Weise wie Wölfe, Luchse oder Bären ihre Beute durch Anschleichen und Verfolgen selektieren und allein durch ihre Anwesenheit eine zu starke Vermehrung von Wildtieren kontrollieren, hat mit dem ›Waidwerken‹ der Jäger, also dem Trophäenkult und der Raubzeugbekämpfung sowie den Einzel- und Gesellschaftsjagden so gut wie nichts zu tun.

    Und nicht zuletzt ist der Appell nicht nur einfältig und dumm, sondern auch noch geschmacklos, denn wenn Wölfe etwas von der Hege verstehen würden, dann doch wohl nur, dass sie seit Jahrhunderten deren bevorzugtes Opfer sind. Dies war so als die Jagd noch ein dekadentes Vergnügen der höheren Stände war und gerade die ärmsten Bauern (die mangels Vieh am wenigsten von Wölfen zu befürchten hatten) per Strafandrohung zur Wolfsjagd rekrutiert wurden und dies hat sich auch nicht geändert als die Jagd durch Anpassung an rechtsstaatliche Ordnungen etwas zivilisiert wurde. Ihren Frieden hat die deutsche Jägerschaft erst mit dem Wolf geschlossen, als es ihr Anfang des 19. Jahrhundert gelungen war, seine Bestände durch erbarmungslosen Jagddruck auszurotten. Später einwandernde einzelne Exemplare wurden, wenn sie nicht dem Straßenverkehr zum Opfer fielen, regelmäßig von Jagdausübungsberechtigten abgeknallt. Entgegen anders lautender Bekenntnisse werden Wölfe vom weitaus überwiegenden Teil der Jägerschaft nicht als ein Stück zurückkehrende Natur, sondern als massive Bedrohung ihrer jagdlichen Interessen betrachtet. Nur so erklärt sich, weshalb Wölfe auch illegal verfolgt wurden, denn im Unterschied zur DDR, wo der Wolf von 1984 bis 1990 ganzjährig zum Abschuss freigegeben war, war er in der Bundesrepublik seit 1980 durch die Bundesartenschutzverordnung eine »besonders geschützte Art«.

    Foto: NABU/K. Bullerjahn
    Im Dezember 2007 im Verlauf einer Gesellschaftsjagd im Kreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen) von mehreren Jägern zunächst illegal beschossener und dann per Fangschuss getöteter 37 kg schwerer Wolfsrüde. Der Erstschütze konnte trotz intensiver kriminalistischer Untersuchung des Mehrfachvergehens nicht ermittelt werden. Dies spricht dafür, dass in Jagdkreisen die drei »S« immer noch gängige Praxis sind: Schießen – Schaufeln – Schweigen!

    Erstaunlicherweise wird dieser Schutzstatus noch 1988, in der 24. Auflage erw. u. verb. des Standardwerkes »Die Jägerprüfung in Frage und Antwort« von Blase/Pettinger, schlicht unterschlagen. Auf Seite 264 wird die Frage »Darf man einen Wolf abschießen, den man im Revier antrifft?« wie folgt beantwortet: »Ja. Er gehört nicht zum Wild und ist völlig ungeschützt. Man denke an die Tollwutgefahr.« Weiter heißt es lapidar: »Am 22.Oktober 1982 wurde in Südwinsen, Kreis Celle, eine vermutlich zweijährige Wölfin erlegt.« Auch hier kein Hinweis darauf, dass die Tötung der Wölfin laut dem damals geltendem Naturschutzrecht eine Ordnungswidrigkeit war, die mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 DM geahndet werden konnte. Abgesehen von der Mär, dass man durch Tötung von Wildtieren Infektionskrankheiten eindämmen könnte (das Gegenteil ist der Fall), erstaunt, dass man mit solcherlei Fehlinformation eine Jägerprüfung bestehen kann, denn der Wolf war nicht nur seit 1980 bundesweit eine besonders geschützte Art, sondern einzelne Bundesländer führten ihn in ihren Jagdgesetzen noch bis Ende der 1990er Jahre als jagdbare Art mit ganzjähriger Schonzeit5). Ein Verstoß dagegen war sogar ein Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden konnte. Daraus kann man doch nur schließen, dass die Abneigung unserer zweibeinigen Ersatzwölfe gegenüber ihrem vierbeinigen Original und die mangelhafte Kenntnis von dessen jagd- und artenschutzrechtlichen Status zwei Seiten der selben Medaille sind.

    Die illegale Verfolgung des Wolfes durch Jäger konnte nicht verhindern, dass im Herbst 2000 erstmals seit 200 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik wieder Wölfe beobachtet wurden, die Jungtiere aufziehen. Interessanterweise in der Lausitz, also genau dort, wo um 1800 die letzten sächsischen Wölfe gelebt haben. Aktuell halten sich im deutsch-polnischen Grenzgebiet etwa 40 bis 60 Wölfe auf. Die erfolgreiche Rückkehr des Wolfes ist seinem strengen Schutzstatus, den günstigen ökologischen Bedingungen auf Truppenübungsplätzen, dem intensiven Wolfsmanagement des Naturschutzes und nicht zuletzt dem starken Wandertrieb des Wolfes zu verdanken. Während der überwiegende Teil der Bevölkerung die Rückkehr des Wolfes begrüßt, stehen große Teile der Jägerschaft dem Wolf skeptisch gegenüber, weil sie ihn als lästige Konkurrenz betrachten. Traditionell gilt der Wolf wie der Luchs, der Fuchs und andere Beutegreifer als Schadwild, das erbarmungslos bekämpft werden muss, damit sich hegerische Erwartungen in eindrucksvollen Jagdstrecken niederschlagen. Im Fall des Wolfes war sich die Jägerschaft eigentlich sicher, das Problem durch seine Ausrottung abschließend gelöst zu haben. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb bei der Ablösung des Reichs- durch das Bundesjagdgesetz versäumt wurde, den Wolf wieder in die Liste jagdbarer Tiere aufzunehmen. Da haben die Jäger wohl die Rechnung ohne den Wolf gemacht, der ohne Frage in Deutschland wieder auf Expansionskurs ist.

    Foto: dapd
    Seit 11 Jahren (und erstmals seit fast 200 Jahren im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) ziehen Wölfe wieder Jungtiere in der Lausitz auf.

    Kein Wunder, dass die Jagverbände nun mit Hochdruck daran arbeiten, den Wolf wieder dem Jagdrecht zu unterstellen. Allen voran in Sachsen, wo den Jägern das Wolfsproblem naturgemäß am Meisten auf den Nägeln brennt. Dort könnte die Jagdlobby – aufgrund der derzeit günstigen politischen Konstellation – sogar Erfolg mit ihrer Initiative haben. Der zuständige Umweltminister Frank Kupfer ist, alle fachlichen Expertisen und Bedenken, ignorierend, fest entschlossen, den Wolf (mit ganzjähriger Schonzeit) wieder ins sächsische Jagdrecht aufzunehmen. Eine vernünftige Begründung dafür gibt es nicht, denn der Wolf ist durch das nationale und internationale Naturschutzrecht bestens geschützt. Eine Aufnahme ins Jagdrecht würde nur zu Kompetenzgerangel im Wolfsmanagement führen, juristische Spielräume oder Grauzonen für ihren Abschuss schaffen und dazu führen, dass den Waidmännern der Finger noch lockerer am Abzug sitzt. Warum also den Bock zum Gärtner machen? Die Jagdverbände argumentieren, dass der Wolf ins Jagdrecht gehört, weil seine Beutetiere zum weitaus überwiegenden Teil ebenfalls dem Jagdgesetz unterstehen. Im Klartext heißt dies, dass der Wolf sich von Tieren ernährt, die von hohem jagdlichen Interesse sind. Ein sehr zweifelhaftes Argument, denn aus genau diesem Grund wurde der Wolf Jahrhunderte lang verfolgt und schon einmal in Deutschland ausgerottet.

    Genauso abstrus ist das Argument, dass die Wölfe durch die Aufnahme ins Jagdrecht in den ›Genuss der Hegeverpflichtung‹ kommen. Die Vorzüge der Hege kennt der Wolf zu genüge, beginnend mit seiner erbitterten Verfolgung in den vergangenen Jahrhunderten bis hin zu den illegalen Abschüssen in den letzten Jahrzehnten. Auch auf die umstrittene Wildfütterung in Notzeiten, die bekanntlich ebenfalls zur Hegepflicht zählt, kann der Wolf gut verzichten. Der Wolf kennt keine jahreszeitlich bedingten Notzeiten und eine Fütterung würde nur zu seiner Verhausschweinung und schlimmer noch zur Heranzüchtung von Problemwölfen führen, die die Scheu vorm Menschen verlieren. Weiterhin wird behauptet, dass die über 10.000 sächsischen Jäger das Wolfsmontioring stärken könnten, wenn der Wolf ins Jagdrecht eingebunden würde. Dabei geht es um das Beobachten und die Abschätzung der Anzahl der Tiere: ihre Wanderungen, ihr Verhalten, ihre Beutezüge7). Ziel des Monitorings ist ein weitgehend konfliktfreies Nebeneinander von Menschen, Haustieren und Wölfen Derzeit wird das Wolfsmonitoring im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung vom Wildbiologischen Büro LUPUS durchgeführt. Die Projektmitarbeiterin Gisela Kluth verspricht sich von der geplanten Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht allerdings wenig: »Sie könnten sich schließlich schon jetzt am Monitoring beteiligen. Nur: In der Praxis tut es kaum einer.«8)

    Solcherlei Einsichten und Bedenken kümmert die weithin irritationsresistente Jägerschaft nicht. Stereotyp wird vom Landesjagdverband Sachsen runtergebetet: Die Jäger sind dem Artenschutz verpflichtet, eine Doppelunterschutzstellung im Natur- und Jagdrecht sei völlig unproblematisch und die Jäger erwarten eine weiterhin positive Entwicklung der Wolfspopulation. Eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht und eine Einbeziehung der auf ganzer Fläche präsenten Jäger ins Monitoring sei daher unumgänglich, zumal die geringe Zahl der bisher mit dem Monitoring beauftragten Mitarbeiter vom enormen Vermehrungs- und Ausbreitungspotenzial des Wolfes schon jetzt überfordert sei. Überfordert von ein paar Dutzend Wölfen in Deutschland sind nicht die Wildbiologen sondern eindeutig die Jäger. Das zeigen die wolfskritischen Artikel in den einschlägigen Jagdzeitschriften (»Zum Heulen: die Lausitz-Wölfe«), die wolfsfeindlichen Zuschriften der Leser (»Zunehmende Wolfspopulation gefährdet die Jagd«) und nicht zuletzt die illegalen Abschüsse von Wölfen durch Jagdausübungsberechtigte8). Ohne Frage ist die Einstellung der Jäger gegenüber dem Wolf weithin vom Jagdneid dominiert. Die Spitzenverbände der Jäger gehen daher ein hohes Risiko ein, wenn sie darauf drängen, den Wolf dem Jagdrecht zu unterstellen. Entwickelt sich die Wolfpopulation nicht so positiv wie bisher erwartet oder kommt es zu Abschüssen von Wölfen, die über Grauzonen im Jagdrecht legitimiert werden, kann sich die Jägerschaft nicht mehr distanzieren, sondern wird rechtspolitisch in die Verantwortung genommen.

    Na dann Waidsmannsheil verehrte Jägerschaft, wenn das mal nicht der Anfang von Eurem Ende ist. Mein Ratschlag: Wenn Ihr die Rückkehr des Wolfes als Natur- und Jagdschutzverband überleben wollt, dann Finger weg vom Wolf!

    Anmerkungen

    1) Bekanntlich sind den Jägern die Schwarzwildbestände dermaßen außer Kontrolle geraten, dass die zuständigen Behörden die Kirr- und Fütterungsverordnungen stark verschärfen mussten. Den Schweinegroßmästern geht das allerdings nicht weit genug, weil sie den vermehrten Ausbruch der Schweinepest durch die Wildschweinplage fürchten. Tatsächlich sind sie wegen ihrer riesigen Futtermaisfelder, die Wildsäue magisch anziehen, mitschuldig an Explosion der Bestände, Trotzdem fordern sie ganz ungeniert ihre Zwangsbejagung unter Einsatz von Nachtsichtgeräten, Saufängen, Antibabypille und sogar Gift. Den Jägern, die sich anders als bei der erbarmungslosen Raubzeugverfolgung bei der Jagd auf das Schwarzwild nicht in der Funktion eines Schädlingsbekämpfer sehen möchten, geht dies erheblich zu weit. Sie sehen die Grundfeste ihres ›sauberen jagdlichen Handwerks‹ und ihre ›waidmännische Ehre‹ bedroht. Im Klartext formuliert: Sie befürchten, dass die reizvolle Herausforderung, die Passion und der heroische Kampf ›Mann gegen Sau‹ bei solcherlei Feldzügen gegen das jagdlich attraktive Hochwild auf der Strecke bleibt.

    2) Angesichts solch dreister Ausreden kann man nur spöttisch hinzufügen: Da kann man einmal sehen, was das »Grüne Abitur«, wie die Jäger ihren Jagdschein gerne nennen, in Feld und Wald wert ist. Es reicht nicht einmal aus, um ein Haus- von einem Wildtier zu unterscheiden. Und wer sich von einem Tier bedroht fühlt, sollt erst mal versuchen, die Konfliktsituation mit einem Warnschuss zu entschärfen.

    3) Zunehmend wird von findigen Jagdideologen das Argument vorgebracht, dass die Jagd ein Handwerk sei, das Biofleisch produziert. Sofern die Jäger nicht zuviel Kirren und Mästen und sich das Wild im Wald und nicht in Maisschlägen aufhält, mag dies bezüglich der Qualität des Fleisches zutreffen. Es ist aber keineswegs ein Hauptmotiv, sondern eher ein Neben- oder Mitnahmeeffekt. Zum Beispiel liegt die Hauptjagdsaison für kapitale Trophäenträger in der Brunftzeit, also genau in der Zeit, wo ihr Fleisch mit Hormonen vollgepumpt ist und einen tranig-strengen Testosteron-Geschmack hat, der es nur noch für die Wurstproduktion geeignet macht.

    4) Dies schließt natürlich nicht aus, dass auch von erfüllten hegerischen Erwartungen bei Niederwildjagden auf Hase oder Fasan, bei der es wie beim Wettangeln weniger auf die Reife als die Menge der getöteten Tiere ankommt, ein Zauber für den Jäger ausgeht.

    5) So möchte man hinzufügen, dass nicht nur ein wilder Wolf nichts von Hege versteht, sondern selbst ein gut ausgebildeter Deutsch-Drahthaar durch jede Jagdhundprüfung rauschen würde, wenn man ihm theoretischen Teil die Aufgabe stellen würde, den Begriff Hege zu definieren.

    6) Kurioserweise führen Blase/Pettinger an anderer Stelle ihres Werkes (und entgegen ihrer Darstellung auf Seite 264) in einer Übersicht über abweichende Jagdzeiten Rheinland-Pfalz als das einzige Bundesland an, in dem der Wolf (und sogar der Bär!) ohne Schonzeit dem Jagdrecht unterstellt, also potenziell ganzjährig jagdbar war. Diese Verordnung aus dem Jahre 1977 stand ab 1980 im direkten Widerspruch zur Bundesartenschutzverordnung und wurde erst 1993 geändert. Die langjährige Verzögerung der Rechtsanpassung ist ein weiteres Indiz dafür, wie rührend die Jagdlobby, um das Wohl des Wolfes besorgt ist.

    7) Da Direktbeobachtungen von Wölfen sehr selten sind, geschieht diese Schätzung hauptsächlich über indirekte Methoden. Dazu gehört das Erheben, Sammeln und Auswerten von Hinweisen wie Spuren, Losungen, Risse oder Markierungen. Dies erklärt auch warum sich Jäger bisher kaum am Monitoring beteiligt haben. Solange der Wolf nicht bejagt werden darf, sind solche Hinweise – vielleicht abgesehen von Wildrissen – für Jäger nicht von Interesse.

    8) Sollte den sächsischen Jägern das Monitoring gesetzlich übertragen werden, ist jetzt schon absehbar, dass es eine Bedeutungsverschiebung des Begriffes vom Beobachten und Zählen zur Kontrolle der Wölfe geben wird. Die Jägerin Lilo Schön (2011), die sich auf dem Blog »Jäger im Dialog« für die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht und die Durchführung des Monitorings durch Jäger stark macht, bringt es unverhohlen auf den Punkt: »Die Kontrolle der Wildtierarten gehört im Interesse der Landeskultur zu den Pflichten der Jäger.«

    8) Bei illegalen Abschüssen von artenschutzrechtlich geschütztem Wild (z. B. Greifvögeln) neigt die Jägerschaft dazu, von Fehltritten einzelner oder schwarzen Schafen zu sprechen. Solcherlei Reaktionen werden der Problematik nicht gerecht, denn sie übergehen, dass Jäger ein Interesse haben, Beutegreifer zu verfolgen, die sie als lästige Konkurrenten empfinden.

    Literatur:

    Admin Querulant (2011): Bergwaldkrimi: Drama um einen gemeuchelten Prachthirsch. – Blog-Br-online.de vom 29.06.11

    Anonymus (2009): Streit um Rückkehr – Zum Heulen: die Lausitz-Wölfe. – In: unsere Jagd, H. 11

    Ansorge, Hermann, Maika Holzapfel, Gesa Kluth, Ilka Reinhardt & Carina Wagner (2010): Das erste Jahrzehnt: Die Rückkehr der Wölfe. – In: Biologie in unserer Zeit, H. 4

    Bathen, Markus, J. K. Hermann Magnus, Jörg-Andreas Krüger & Sabrina Müller (2010): Wölfe in Deutschland - Leitlinien zum Schutz von Canis Lupus. – In: NABU-Position

    Blase, Richard & Franz Pettinger (1988, 24. verb. u. erw. Aufl.): Die Jägerprüfung. Das Lehr-, Lern- u. Nachschlagewerk für Jäger. – Melsungen

    Hertlein, Hubert A. (2011): Ein Hirsch sorgt für großen Ärger und Unmut. – Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen im Landesjagdverband Bayern e. V.

    LJV Sachsen (2011): Klare Worte zur Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht: Landesjagdverband Sachsen begrüßt Votum von Sachsens Umweltminister. – Pressemitteilung vom 15.07.11

    Louis, Hans Walter & Dietrich Meyer-Ravenstein (2009): Übernahme des Wolfes in das sächsische Jagdrecht. – Rechtsgutachten im Auftrag des Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL)

    Reichholf, Josef H. (1996): Comeback der Biber. Ökologische Überraschungen. – München

    Reinhardt, Ilka & Gisela Kluth (2007): Leben mit Wölfen – Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland. – Bundesamt für Naturschutz (BFN)

    Schön, Lilo (2011): Leidenszeit für Wölfin nach Autounfall: Würde der Wolf dem Jagdrecht unterliegen, wäre das nicht passiert! – Jäger im Dialog vom 08.04.11

    Tokarski, Janine (2011): Hirsch sorgt für Zündstoff. – In: merkur-online.de vom 03.05.11

    Vk (2011): IIa-Hirsch-Abschuss sorgt für Ärger in Garmisch. – In: Wild und Hund-Online vom 28.06.11

    Wotschikowsky, Ulrich (2010): Soll der Wolf ins Jagdrecht? – VAUNA - Verein für Arten-, Umwelt- und Naturschutz e.V.

    G.M., 14.08.2011


     

     

     

    Der Wolf wird in Deutschland zwischenzeitlich weithin als positives Symbol wahrgenommen. Derzeit untersteht er aus guten Gründen dem Naturschutzrecht. Sollte dieses Symbol durch die Aufnahme ins Jagdrecht beschädigt werden, dann wird über kurz oder lang die Frage aufkommen, ob man die Jäger nicht aus ihrer ›Hegepflicht‹ fürs gesamte bundesdeutsche Wild entlassen muss.

     

    Ein Falkner, ein entflogener Habicht und ein toter Mäusebussard

    Komitee gegen Vogelmord

    Es ist noch keine drei Jahre her, da habe ich bei einer Radtour zwei illegale »jagdliche Intensivstationen« in einem Feldgehölz entdeckt. Die waren mit verbotenen Norwegischen Krähenfängen (die dem Anschein nach auch dem Fang von Greifvögeln dienten) und ebenso verbotenen Raubzeug-Lebendfallen des Modells »Warburg« (ein in Ostwestfalen regional verbreiteter Fallentyp) und unzulässigen Fütterungsanlagen bestückt. Nach Einschreiten der von mir informierten Unteren Jagdbehörde des Kreises Paderborn wurden die Stationen vom Revierinhaber umgehend abgeräumt. Der Delinquent kam – obwohl die Anlagen langjährig in Betrieb waren – mit einer Abmahnung davon. Trotz dieser milden Strafe ist zu erwarten, dass er seitdem seine jagdliche Passion – auch wenn es seinem jagdlichen Selbstverständnis noch so widerstreben mag – gesetzeskonformer ausleben wird. Kein Wunder, denn der Jagdschein ist in gewissen Kreisen ein Statussymbol von hohem Wert, dessen Verlust einem gesellschaftlichen Abstieg gleichkommen kann.

    Nun habe ich vor einigen Wochen wieder eine Vogelfalle entdeckt. Diesmal einen Habichtfangkorb, der kaum fünf Kilometer von meinem Wohnort entfernt in einem Waldstück in unmittelbarer Nähe eines Hochsitzes aufgestellt war. In beiden Fällen habe ich nicht gezielt danach gesucht. Im ersten Fall hatte der Orkan Kyrill den Blick auf eine ungewöhnliche Metallkonstruktion in einem Feldgehölz freigestellt. Im zweiten Fall wollte ich an einem der wenigen halbwegs milden Februartage in diesem Jahr die frische Luft genießen und mir eine alte Wallanlage aus römisch-germanischer Zeit anschauen. Dabei stieß ich auf die Falle, die ich sofort als Habichtfangkorb identifizieren konnte, weil ich einen solchen Fallentyp aus einem Pressebericht kannte. Die Falle war zwar nicht fängisch gestellt – an dem Kot, der sich im Köderkäfig befand, konnte ich aber erkennen, dass sie es noch vor kurzer Zeit war. Wenn man schon ohne gezielt danach zu suchen, (illegale) Fallen findet, dann mag man sich gar nicht vorstellen, wie viele weitere Fallen im Verborgenen der Reviere aufgestellt sind.

    Die vor drei Jahren erfolgte Entdeckung und Beseitigung der illegalen Fallen hat keinerlei öffentliches Aufsehen erregt. Dagegen zog der Fund der Greifvogelfalle ein bundesweites Medienecho, eine Strafanzeige und Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Jagdwilderei nach sich. Ferner wurde er aufgrund einer Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen sogar in einer aktuellen Fragestunde des nordrhein-westfälischen Landtages thematisiert. Und dies kam so: Nachdem ich die Falle zufällig entdeckt und den Fundort samt Umgebung fotografisch dokumentiert hatte, habe ich mich nicht direkt an die Untere Jagdbehörde des Kreises Soest gewandt, sondern zunächst die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) informiert. Mit der gehe ich zwar in vielen Naturschutzfragen nicht konform; ich schätze sie aber als fachlich kompetente und professionell arbeitende Naturschutzorganisation. Die ABU hat die Brisanz meines Fundes sofort erkannt und nach kurzer interner Beratung das Bonner Komitee gegen den Vogelmord e. V.*) eingeschaltet.

    Das Komitee, ist im Rahmen der NRW-weiten Operation »Krummschnabel« darauf spezialisiert, entdeckte Standorte illegaler Greifvogelfallen zu beobachten, um die Täter auf frischer Tat zu ertappen. Dazu muss man wissen, dass eine nicht fängisch gestellte Falle, die – wie im vorliegenden Fall – in einem Jagdrevier gefunden wird, nicht einmal ein Ordnungswidrigkeitsverfahren für den Aufsteller nach sich zieht. Ganz anders, wenn man ihm die Tat nachweisen kann, dann droht sogar ein Strafverfahren. Nachdem das Komitee von der ABU über den Fund der Greifvogelfalle informiert wurde, haben zwei seiner Mitarbeiter den Fundort näher inspiziert. Sie fanden dabei zwei mit jeweils einer lebenden Ködertaube bestückte Habichtfangkörbe. Die Tauben waren mit einer Schnur um den Fuß an der Falle befestigt und weder mit Futter noch mit Wasser versorgt. In einer der beiden Fallen befand sich ein lebender Mäusebussard, der zusammen mit der Ködertaube auf engstem Raum gefangen war.

    Als die Beobachtung bei Einbruch der Dunkelheit abgebrochen werden sollte, bemerkten die beiden Mitarbeiter, dass ein Auto am Waldrand in der Nähe der Fallen geparkt wurde. Aus dem Auto stieg ein Mann aus, der ohne Licht in Richtung der Fallen verschwand. Kurze Zeit später hörte die Mitarbeiter aus Richtung der Fallen viermal kurz hintereinander ein Geräusch, das sich so anhörte, als wenn jemand einen Ast gegen einen Baumstamm schlägt. Als der Mann angesprochen wurde, stellte er sich als Falkner vor, der die Habichtfangkörbe aufgestellt habe, um einen entflogenen Habicht wieder einzufangen. Die Frage wo der gefangene Mäusebussard geblieben sei, beantwortete er damit, dass er den zwischenzeitlich freigelassen und die Falle wieder fängisch gestellt habe. Ferner wies er darauf hin, dass er mündliche Genehmigung von einem Mitarbeiter der Unteren Jagdbehörde des Kreises Soest erhalten habe. Der Habicht sei ihm zwar an anderer Stelle entflogen, er habe die Fallen aber in dem Waldstück aufgestellt, weil er dort seinen Habicht rufen gehört habe.

    Als die herbeigerufene Polizei eingetroffen war, führte der Falkner sie zu einer dritten Falle. Dabei handelte es sich um einen Habichtfangkorb mit eingebautem Lockvogelabteil, also genau dem Modell, das ich einige Tage zuvor entdeckt hatte. Bei der am nächsten Morgen durchgeführten Begehung der Fallenstandorte wurde unter einer Fichte ein toter Mäusebussard mit eingeschlagenem Schädel gefunden. Der wies den gleichen unverwechselbaren hellen Kehlfleck wie der einen Tag zuvor vom Falkner gefangene Bussard. Die Erklärungen des Falkners sind widersprüchlich und geben Anlass zu Irritationen: So ist es höchst unwahrscheinlich, dass man einen Habicht an seinem individuellen Ruf erkennen kann. Warum glaubte Falkner daher, seinen Habicht, der ihm im Oktober 2009 an anderer Stelle entwischt war, fast ein halbes Jahr später ausgerechnet unter dem Horstbaum eines dort seit Jahren brütenden wilden Habichtpaares einfangen zu können? Das Komitee vermutet, dass der Falkner das wilde Habichtweibchen, das zu dieser Zeit möglicherweise schon befruchtet war, illegal aus der Natur entnehmen wollte und hat wegen diverser Vergehen gegen das Bundesnaturschutzgesetz Strafanzeige gestellt.

    Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Anlässlich dieses Falles (weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt allerdings auch losgelöst davon) ein paar abschließende Gedanken zur illegalen Greifvogelverfolgung. Der Landesjagdverband hat 2005 gemeinsam mit den Naturschutzverbänden die Düsseldorfer Erklärung gegen illegale Greifvogelverfolgung in NRW unterzeichnet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es trotz dieser Erklärung gerade Jagdscheininhaber oder Revierpächter sind, von denen immer wieder schwerste Verstöße gegen die Artenschutzgesetzgebung bekannt werden. Aus Sicht von Jagdlobbyisten ist dies häufig nur ein lästiges Detail. Man spricht, wenn solche Fälle bekannt werden, abwiegelnd von schwarzen Schafen, die es überall gebe und zeigt wenig bis kein Interesse, dem Problem auf den Grund zu gehen. Der Kern des Übels besteht aber darin, dass so mancher Jäger seine mit erheblichem finanziellem und zeitlichem Aufwand betriebene Passion, Wild zu erjagen, nicht unter Kontrolle hat. Wenn hochgesteckte hegerische Erwartungen nicht erfüllt werden, kümmern sich diese Jäger oft wenig um Gesetze und haben wenig Skrupel, wildlebende Konkurrenten um die Beute, die als Ursache der unbefriedigenden Jagdstrecke betrachtet werden, zu vergrämen oder gar zu töten.

    Illegale Eingriffe in die Natur werden nicht nur nach meiner Einschätzung durch das geltende Jagdrecht eher begünstigt als verhindert. Hinzu kommt, dass sich vieles bei der Jagd in der Abend- oder Morgendämmerung und an entlegenen Orten abspielt. Eine ausreichende Kontrolle durch die Öffentlichkeit ist daher nicht gegeben. Wenn dann aber doch mal ein Jäger bei einer Straftat ertappt wird, dann ist die Jägerschaft nicht nur schnell dabei, sich schützend vor ihn zu stellen, sondern – wie in meinem Fall in einem Jagdforum passiert – den Zeugen als Denunzianten zu verunglimpfen.

    Anmerkungen

    *) Das Komitee wurde im Jahre 1975 gegründet und hat sich den Schutz wildlebender Vögel vor menschlicher Verfolgung zum Ziel gesetzt. Seit seiner Gründung ist es stark im Zugvogelschutz in Südeuropa engagiert. Ein weiteres Aufgabenfeld des Verbandes ist die Durchführung einer Kampagne gegen die illegale Verfolgung von Greifvögeln in Nordrhein-Westfalen. Allein in den letzten 5 Jahren wurden mehr als 160 Strafverfahren wegen Abschuss, Vergiftung oder Fang geschützter Vogelarten von den zuständigen Staatsanwaltschaften eingeleitet. Bei den illegalen Verfolgungen von Greifvögeln handelt es sich um ein weit verbreitetes und ernst zu nehmendes Problem. Durch die Nachstellungen werden Vogelarten gefährdet, die nach dem Bundesnaturschutzgesetz (und auch Bundesjagdgesetz) strenggeschützt sind. Das Komitee arbeitet eng mit dem Naturschutzbund (NABU), der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (NWO) sowie der Stabsstelle Umweltkriminalität im Umweltministerium NRW zusammen.

    **) »Der Patriot« ist eine ganz normale ostwestfälische Tageszeitung. Irritationen wegen des aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Namens sollten schnell verfliegen, wenn man weiß, dass diese Zeitung bereits 1848 in Lippstadt gegründet wurde.

    Quellen:

    »Harter Vorwurf gegen Falkner Vogelschützer: Illegal Bussard gefangen. War die Behörde informiert, aber untätig?« – In: Der Patriot**) vom 01.03.2010

    »Falkner suchte seinen Habicht – Lippstädter weist Vorwurf entschieden zurück, illegal Greifvögel gefangen zu haben« – In: Der Patriot vom 02.03.2010

    »Weitere Vorwürfe gegen Falkner aus Lippstadt: Fallen standen direkt unter einem Habicht-Nest - Falsche Papiere vorgelegt.« – In: Pressemitteilung des Komitees gegen den Vogelmord e.V. vom 05.03.2010

    »Habicht-Jagd ein Fall für den Staatsanwalt – Grüne fordern von Landrätin rasche Aufklärung. Vogelschützer bekräftigen ihre Vorwürfe« – In: Der Patriot vom 06.03.2010

    »Greifvögel Thema im Landtag – Die illegale Jagd soll heute auf Initiative von Bündnis 90 / Die Grünen in einer Fragestunde des Landesparlamentes zur Sprache kommen« – In: Der Patriot vom 10.03.2010

    G.M., 14.03.2010


     

     

     

    Von mir in einem Waldstück in Lippstadt entdeckter Habichtfangkorb. Der Kot im Lockvogelabteil ist ein Indiz dafür, dass der Fangkorb noch kurz zuvor fängisch gestellt war.

     

    Manni und Candy – Eine anrührende Geschichte am Rande jagdlicher Abgründe

    Manni und Candy – Eine anrührende Geschichte am Rande jagdlicher Abgründe

    Es wird wohl wenige Menschen geben, die beim Anblick dieses ausgelassen herumtollenden, ungewöhnlichen Paares nicht schmunzeln oder herzhaft lachen. Wildschwein-Ferkel Manni war mutterseelenallein und völlig abgemagert auf einem Feld gefunden und zum Jagdpächter gebracht worden. Der hatte das Findelkind wohl in einem Anflug von Tierliebe nicht - wie es sich für einen rechtschaffenen Jägersmann eigentlich gehört - mit einem Fangschuss getötet, sondern mit der Flasche aufziehen lassen. Manni dankte die gute Behandlung, er entwickelte sich prächtig und freundete sich mit der Jack-Russel-Terrier-Hündin Candy an: »Jetzt spielen sie jeden Tag zusammen, verstecken sich im Gebüsch und haben einen Riesenspaß!«

    Soweit die anrührende Geschichte, die kürzlich durch die Medien ging und nun zur jagdlichen Realität, die sich hinter dem possierlichen Bild verbirgt: Manni ist mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit der einzige Überlebende eines legalen jagdlichen Massakers, dem vermutlich seine Mutter und alle seine Geschwister zum Opfer gefallen sind. Die Jäger sind nämlich verschärft aufgerufen, so ziemlich jeder Wildsau, die ihnen vor die Büchse kommt, »die Kugel anzutragen«. Dies soll die völlig außer Kontrolle geratenen Wildschweinbestände wieder eindämmen. Um Hemmungen abzubauen, haben ihnen einige Jagdbehörden sogar erlaubt, mit der sogenannten ›kleinen Kugel‹ auf Frischlinge zu schießen, da bei der ›großen Kugel‹ häufig nicht viel mehr als ein blutiger Putzlappen von den kleinen Mannis überbleibt.

    Die explosionsartige Vermehrung der Säue ist nicht ohne Folgen geblieben: Die Wildschäden auf Äckern und in Gärten haben verheerende Ausmaße angenommen. Die Anzahl der gefährlichen Verkehrsunfälle steigt bedrohlich und immer öfter verunsichern versprengte Wildschweinrotten die Fußgängerzonen. Zudem fürchten die agrarindustriellen Mäster, dass die Wildsäue die Schweinpest in ihre empfindlichen Mastbestände übertragen. (Tatsächlich geht die Gefahr hier allerdings nicht von den Wildsäuen, sondern von der Massentierhaltung und dem erhöhten Jagdruck aus.) Fragt man nach den Ursachen für die Massenvermehrung bekommt man unterschiedliche Antworten. Die Jäger verweisen auf die ständig größer werdenden Anbauflächen von Mais oder Raps, die dem Wild nicht nur ein gutes Nahrungsangebot, sondern auch gute Deckungsmöglichkeiten und Schutz vor jagdlicher Nachstellung böten.

    Fragt man einen Wildbiologen, so lässt der keinen Zweifel daran, dass das Wildschweinproblem jägergemacht ist. Kein Wunder, denn pro erlegter Sau karren unsere Ersatzwölfe einige hundert Kilo Kraftfutter (Mais, Kartoffeln, Rüben) ins Revier. Und zwar die gesetzlichen Beschränkungen sehr großzügig auslegend oder ignorierend als Winter-, Ablenk- oder Anlockfütterung. An Kirrungen, die eigentlich nur das Wild vor die Flinte locken sollen, werden die Säue regelrecht gemästet. Und das Füttern in sogenannten Notzeiten bewirkt, dass die Wildsäue gerade die für sie kritischste Zeit des Jahres wohlgenährt überleben. Ein Wildschweinexperte hat es wie folgt formuliert: »Im Sommer lassen sie es sich im Mais gut gehen (...) und im Winter lassen sie sich von den Jägern durchfüttern.«

    Die Zufütterung reduziert nicht nur die Wintersterblichkeit (den normalerweise wichtigsten Faktor bei der natürlichen Regulation), sondern erhöht auch die Fruchtbarkeit. Statt ein Mal bekommen die Wildsäue bis zu drei Mal im Jahr Junge. Die Reproduktionsrate wird noch weiter dadurch angeheizt, dass bei der beliebten Ansitzjagd bevorzugt die ›dicksten Stücke‹ herausgeschossen werden. Da dies oft die Leitbachen sind, kommt es als zum Zusammenbruch der innerartlichen Bestandsregulierung. Dies hat eine noch schnellere Vermehrung zur Folge, weil in den führungslosen Rotten schon die Frischlingsbachen empfängnisbereit oder wie der Jäger sagt »rauschig« werden. Hohe Jagdstrecken (ca. 520.000 erlegte Säue in 2008) sind daher kein Indiz für eine gelungene Bestandsregulierung, sondern das Produkt einer völlig verfehlten Hege und Bejagung.

    Während die Landesjagdverbände weiterhin Durchhalteparolen verkünden, stehen viele Jäger vor einem Dilemma: Gelingt es ihnen nicht, die mutwillig in die Höhe getriebenen Bestände wieder merklich zu reduzieren, droht ein wesentlicher in § 1 des Bundesjagdgesetzes festgeschriebener gesellschaftlicher Legitimierungsgrund für die Jagd verloren zu gehen, nämlich die Wildbestände an die landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnisse anzupassen. Wenn sie allerdings bei dem Bemühen, die Bestände wieder zu reduzieren, alle jagdlich zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, dann bleibt von dem hehren Mythos des Jägers, der hegt, erntet und waidgerecht handelt, nicht viel über. Der ›hohe Jagd‹ ist gezwungen, sich ihrem verklärendem Brauchtum zu entledigen und verkommt zur unappetitlichen Aasjägerei oder auch vulgären Schädlingsbekämpfung.

    Wie das konkret aussieht, kann man jetzt schon in Umland von Berlin beobachten, wo die Wildsäue mit Einbruch der Dämmerung in die Siedlungen einfallen, um die Blumenbeete umzupflügen, sich auf dem Sportplatz zu suhlen, den Komposthaufen zu durchwühlen und auf dem Friedhof zu randalieren. Dort stellt man, um in die Wildschweinplage einzudämmen, Fallen (»Saufänge«) auf, die so konstruiert sind, dass nur Frischlinge gefangen werden. Die Zeitungsberichte über diese Form der Jagd lesen sich nüchtern und aus jagdlicher Sicht wenig erbaulich: »In die erste Falle tappten bereits neun Frischlinge. Selbst dem Jagdpächter mit 40 Jahren Berufserfahrung fiel es schwer, die quiekenden Jungen zu erschießen. ›Ich bin kein Metzger betont er, sein Anliegen sei es, das Wild zu hegen und zu pflegen‹«. Nachts streift der bewaffnete Jagdpächter übrigens mit greller Weste durch die Siedlung, damit man ihn nicht mit einem Kriminellen verwechselt.

    Doch das ist erst der Anfang, denn die einflussreichen Interessenverbände der Bauern, allen voran die Schweinpest verängstigten Mäster, fordern dem Wildschweinspuk durch den Einsatz von Nachtzielgeräten, Laservisieren, ganzjähriger Zwangsbejagung und wenn auch dies auch nicht hilft, mit Antibabypillen und Giftködern ein Ende zu bereiten. Die Jägerschaft gibt sich empört, meint aber immer noch, sich dem Problem verschließen zu können, indem sie sich in der Öffentlichkeit als Anwalt des Wildes und Retter in Not präsentiert. Dabei hat sich längst rumgesprochen, dass sie die Brandstifter sind und das von ihnen gezündelte Feuer längst außer Kontrolle geraten ist. Tatsächlich sind viele Jäger nicht einmal bereit, von der zwar zeitaufwendigen, aber dafür offenbar umso lustvolleren Ansitzjagd auf die effektivere revierübergreifende Drückjagd umzustellen.

    Um die kleinen Mannis ist es folglich nicht so gut bestellt, wie das obige Bild suggeriert. Und so manchen Jäger hat es wohl an seine lästige Pflicht erinnert, immer mehr von den süßen Kerlen zuerst ins Jenseits und dann die Aastonne zu befördern. Nicht viel besser steht es übrigens um die Candys. Nehmen wir einmal an, die obige Szene würde sich nicht in einem befriedeten Bezirk, sondern in einem Jagdrevier abspielen. Und Candy sei kein Jagdhund, sondern - wie das bei den eigenwilligen Terriern schon mal üblich ist - seinem Herrchen ausgebüchst, um einen Frischling zu verfolgen. Nichts könnte einen Jäger daran hindern, die beiden im Paket abzuschießen. Den Frischling aus den bereits genannten Gründen und den Hund, weil er auf frischer Tat beim Wildern erwischt wurde. Dass Candy einen Frischling verfolgt, der sowieso zum Tode verurteilt ist, gilt laut Jagdrecht nicht als strafmildernd.

    Kurioserweise macht das Jagdrecht aber hinsichtlich des Kalibers, mit dem Manni und Candy niederzustrecken sind, erstaunliche Unterschiede. Während laut § 19 Bundesjagdgesetz auf Wildschweine gleich welcher Größe und welchen Gewichtes nur mit Büchsenpatronen ab einem Kaliber von 6,5 mm geschossen werden darf, gibt es für die Geschossgröße und die Auftreffenergie bei wildernden Hunde überhaupt keine Vorschriften. Ganz egal, ob es sich um einen 4 Kilo schweren Jack-Russel-Terrier oder einen 40 Kilo schweren Schäferhund handelt, der Jäger dürfte eine Patrone (z. B. eine .22 Hornet) benutzen, mit der er sonst nur auf Kleinwild schießen darf. Im Fall des kleinen Candy mag dies noch kein wirkliches Problem sein, aber was ist, wenn Candy ein 80 Kilo schwerer Bernadiner ist?

    Warum kennen Jäger eigentlich so wenig Skrupel, einen Hund zu töten, von dem sie wissen, dass er mit einem Menschen verbunden ist? Und weshalb stört es sie nicht, dass ihnen das Jagdrecht nicht ausdrücklich verbietet, diesem Tier durch die Wahl einer zu kleinen Kugel auch noch unnötige Qualen zu bereiten? Schaut man in die einschlägigen Jagdforen liest man immer wieder dieselbe Rechtfertigung: Ein Tier, sei es ein Hund (»Streuner«) oder Fuchs (»Räuber«), das dem Jäger seine Beute (»Niederwildstrecke«) streitig macht, gehört erbarmungslos verfolgt. Und da macht es keinen Unterschied, ob ein Hund, der sich ins Revier verirrt hat, erschossen oder in einer Falle zerquetscht wird oder ob vor dem Bau spielende Fuchswelpen vor den Augen der Fähe mit einem Paketschuss zerschrotet werden.

    Natürlich kennen die Jäger auch Mitgefühl mit der geschundenen Kreatur, zum einen vorgeheuchelt, wenn es um den Schutz der ›armen Bodenbrütern‹ vor dem ›bösen Raubzeug‹ geht und zum anderen echt, wenn es um ihre eigenen Hunde geht, die sie vor allem dann, wenn sie gut ausgebildet sind, abgöttisch lieben. Dies wird immer dann deutlich, wenn einer dieser Lieblinge nicht den Heldentod durch ein wehrhafte Sau oder einen starken Hirsch erleidet, sondern bei einer Treib- oder Drückjagd erschossen wird, weil einer der geladenen Schützen den Finger zu locker am Abzug hatte. Dann wird das unschuldige Opfer bedauert, dem Halter sein aufrichtiges Beileid angesichts des schmerzlichen Verlustes bekundet und mahnend das ungeschriebene Gesetz beschworen, dass vor dem Schuss das Ansprechen des Wildes kommt.

    Zu richtigen Gefühlsausbrüchen kommt es aber erst, wenn ein Jagdhund im jagdlichen Einsatz gezielt erschossen wird, also genauso gnadenlos exekutiert wird, wie ein Haushund, der sich in ein Revier verirrt hat. Dies kommt zum Beispiel bei Bewegungsjagden vor, wenn ein weitjagender Stöberhund bei der Verfolgung einer Spur in ein Nachbarrevier wechselt, das einem missgünstigen Jagdpächter gehört. Empfindet der das Eindringen des Hundes als nicht hinnehmbare Belastung für sein Revier, äußert sich sein Unmut schon mal darin, dass er den in der Jägersprache als »überjagend« bezeichneten Hund schlicht als »wildernden Streuner« erschießt. In solch einem Fall (und nur in solch einem Fall) wird aus einem Jagdpächter, der vielleicht vorher als wackerer Jägersmann galt, urplötzlich ein »verrohter Mensch«, der seine Verbitterung und Boshaftigkeit an einem unschuldigen Tier auslässt.

    Ein betroffener Hundeführer, dessen Wachtelrüde bei einer Stöberjagd als wildernder Hund erschossen worden war, zeigte sich völlig erschüttert: »Ich habe meine Stimme gestern im Wald verloren, weil ich geschrien habe vor Schmerz.« In einer Mischung aus Trauer und Wut verfasste er sogar einen zweiseitigen Nachruf auf seinen »treuen Begleiter« Die gewählte Überschrift »Halali oder setzt dem Wahnsinn ein Ende« könnte allerdings auch eine Antijagdschrift schmücken. Anklagend heißt es darin aus der Sicht seines »Hannibals«: »Jägerlein, wer Du auch sein magst. (...) Du schießt auf mich (...) Was hast Du als nächstes vor? Auf Pilze sammelnde Kinder schießen?(...) Jeder hundeführende Jäger wird Dich verachten.« Da kann man nur hinzufügen, das ist doch schon ein guter Ansatz, jetzt müssen die Jäger nur noch lernen, dass ein »wildernder Streuner« im Prinzip den selben Schutz wie ein »überjagender Hund« verdient und die Welt wäre schon wieder ein bisschen besser.

    Wir können resümieren, dass sich hinter dem anmutig-heiteren Bild von Candy und Manni jagdliche Abgründe auftun, die einer zivilisierten Gesellschaft nicht würdig sind. Die Ursachen dafür liegen in einer überkommenen Gesetzgebung, die im Wesentlichen nur die Interessen der einflussreichen Jagdverbände widerspiegelt. Die Lösung kann daher nur in einer grundsätzlichen Reform des Jagdrechts liegen. Die hat dafür Sorge zu tragen, dass die Erhöhung des jagdlichen Erlebniswertes (kurz: des Lustgewinns) nicht mehr das dominierende Motiv des jägerischen Handelns ist. Da sich jagdliches Handeln häufig in dunkler Abgeschiedenheit vollzieht, sind den Jägern zudem staatlich bestellte Ranger an die Seite zu stellen. Deren Aufgabe ist es, die Abschaffung der übelsten Missstände, wie das Mästen von Wild, das Aufstellen von Totschlagfallen oder das Abknallen von Haustieren zu überwachen.

    G.M., 28.05.09


     

     

    ›Hornberger Schießen‹

    Baron von Gemmingen-Hornberg hat schwer an seinem ›Weltrekord‹-Geweih zu tragen... Baron von Gemmingen-Hornberg hat schwer an seinem ›Weltrekord‹-Geweih zu tragen...

    Die Jagdverbände sind redlich bemüht, das schlechte öffentliche Image der Jägerschaft durch das Bild von der Jagd als angewandten Naturschutz aufzuwerten. Nicht elitäre Tötungsgier, sondern die Natur zu schützen sei das ureigenste Anliegen der Jäger. Der Naturschutz habe in ihren Reihen eine mehr als hundertjährige Tradition, weil der Gedanke der Waidgerechtigkeit seit jeher den schonenden Umgang mit der Natur fordere. Die Naturschutzverbände stehen solcher Selbstinterpretation oder Selbstpropaganda skeptisch gegenüber. Sie weisen darauf hin, dass die Jagd traditionell ein Vergnügen der höheren Stände ist. Und daran habe sich bestenfalls geändert, dass sie heute auch noch ein großes Geschäft geworden ist.

    Zum Ärgernis der Jagdverbände erfährt dieses Feindbild immer wieder Unterstützung von hochrangigen Vertretern aus ihren eigenen Reihen. Dieses Mal von dem passionierten Jäger und Großgrundbesitzer Baron von Gemmingen-Hornberg, der für einen puristischen Naturschützer alle Klischees (adelig, reich und trophäengeil) erfüllt, um das alte Feindbild zu bestätigen. Der deutsche Baron rühmte sich im Herbst 2005 damit, in Bulgarien einen neuen Weltrekord-Hirsch erlegt zu haben: Einen 42 Ender, mit über 16 kg Geweih- und 300 kg Gesamtgewicht! Das war die Jagdsensation des Jahres 2005 und Bild des Baron mit dem Rekordhirsch schmückte jede Jagdzeitschrift.

    Der Baron machte gegenüber der Presse keinen Hehl daraus, dass er sich einen Lebenstraum erfüllt habe. Das Erlegen dieses gewaltigen Hirsches sei »ein Jagderlebnis, das sich tief im Jägerherzen einnistet«. Und auch drei Monate nach dem Erlegen seines »Lebenshirsches« zeigte sich Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg in einem Interview von seinem Erlebnis überwältigt: »Einfach unglaublich!«. Noch konnte (oder wollte) der Baron nicht ahnen, dass sein überwältigendes Erlebnis, sich schon bald in seine größte Blamage verwandeln würde. Im Mai 2006 tauchte im Internet ein Bild auf, das den Rekordhirsch nicht nur im Bast, sondern auch in »unglaublicher« Umgebung zeigte.

    Der Riesen-Hirsch befand sich in einem Gatter mit Futtertrog und Raufe. Umgehend wurde der vermeintliche Weltrekord annulliert und nach polizeilichen Recherchen stellte sich heraus, dass der Riesen-Hirsch kein wildes Tier war, sondern einem österreichischen Kleingatter entstammte. Nach Auskunft seines einstigen Besitzers war er zahm wie ein Lamm, hörte auf den Namen »Burlei« und ließ sich von Kindern mit Schokolade füttern. Im Sommer 2005 verkaufte der Wildzüchter seinen besten Hirsch für 20.000 Euro. Über Mittelsmänner landete er schließlich bei einem bulgarischen Jagdunternehmen. Das entließ ihn in die freie Wildbahn und suchte einen zahlungskräftigen Schützen für den kapitalen Gatterhirsch.

    Den fanden sie in dem passionierten Jäger Baron von Gemmingen-Hornberg, der bereit war, 65.000 Euro für die Erlegung des Hirsches zu zahlen. Am 1. September 2005 ging es auf die Pirsch. Begleitet von einem Jagdführer und Kameramännern entdeckte der Baron den rekordverdächtigen Hirsch äsend auf einer Lichtung. Fest davon überzeugt ein wildes Tier vor sich zu haben, trug der Baron – wie es in der Jägersprache so schön verharmlosend heißt – dem Hochkapitalen den Schuss an. Der zutrauliche Burlei, der vermutlich erwartet hatte, gefüttert statt exekutiert zu werden, ruckte im Schuss und brach nach zehn Metern Flucht fassungslos zusammen. Voller Ehrfurcht stand der ›gehörnte‹ Erleger vor diesem kapitalen Geschöpf vermeintlich langjähriger Hege: »Der Respekt gehört sich, schließlich geht es bei der Jagd ja auch um den Tod eines Tieres«. Der Baron glaubte tatsächlich, mit diesem Moment des Gedenkens, der Waidgerechtigkeit genüge getan zu haben.

    Als Hornberg später erfuhr, dass er einem Knochengeschäft auf den Leim gegangen war, trat er die Flucht nach vorne an und verkündete, dass es vielleicht gut war, dass gerade er das Opfer eines solchen Betruges geworden ist. »Denn ich werde umfassend für Aufklärung sorgen. Ich will neben einer starken Trophäe auch eine anständige Jagd erleben«. Dieser Wille zur Aufklärung und Bekenntnis zur passionierten Jagd kommt ziemlich spät, denn tatsächlich funktioniert das Knochengeschäft nur, weil es so trophäenbesessene und finanzkräftige Jäger wie den Baron gibt. Allein in Österreich soll es einige 1.000 Zuchtgatter geben, in denen starke Hirsch gezüchtet und gemästet werden, um sie dann auf Viehtransportern in europäische Jagdreviere zu exportieren. Dieses Knochengeschäft sollte aber gerade einem ›blaublütigen‹ Jäger nicht verborgen bleiben, da der Adel eine lange Tradition darin hat, sich das Wild schuss- und lustgerecht servieren zu lassen.

    Bei den sogenannten Lustjagden wurden die Bauern dazu verpflichtet, dass Wild aus einem großen Umkreis in eine mit Tüchern abgehängte Kammer und später in den »Lauf« zu treiben. Auch der Lauf war eine große mit Tüchern und Netzen abgeteilte Fläche mit dem Lusthaus in der Mitte. In diesem Lusthaus, das einer Kirmesbude ähnlich sah, saßen die Damen und Herren, um das eingetriebene Wild zu erlegen. Kurt Klüter, ein Nachfahre eines fürstbischöflichen Jägers, beschreibt anschaulich wie die »Lustjagd« ihrem Höhepunkt zusteuerte: »Auf ein Zeichen des Landesherrn wurde der durch Rolltücher abgetrennte Lauf für kurze Zeit geöffnet und ein Teil der Tiere ob Hirsch, Wildschwein oder Reh hineingetrieben. Dann begann das große Töten. Zwischendurch musste man eine Pause einlegen, damit sich der Pulverdampf verzog. Bei so einem Aufwand musste sich die Jagd auch lohnen«. Dass dachte sich sicherlich auch der Baron gedacht, als er dem bulgarischen Jagdunternehmen 65.000 Euro auf den Tisch blätterte...

    Das ›Hornberger Schießen‹ in Bildern

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    Baron von Gemmingen-Hornberg und ein bulgarischer Berufsjäger, der das »Wild« (also den zahmen Burlei!) nach Angaben des Barons vor der Exekution »gewissenhaft ansprach«.

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    Der von dem überwältigenden Jagderlebnis ebenso ergriffene wie stolze Baron und der vermeintliche Weltrekord-Hirsch Burlei schmücken die Titelblätter der Jagdzeitschriften.

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    Der mit Spezialfutter gemästete, zahme Burlei in einem österreichischen Zuchtgatter, als er noch nicht ahnen konnte, dass er bald in einem Viehtransporter in ein bulgarisches Jagdrevier transportiert wird, um als ›Wild‹ für teuer Geld exekutiert zu werden.

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    Die ›Weltrekord‹-Trophäe, die nach Bekannt werden der Blamage, nun im Keller des Schlosses des betrogenen Barons von Gemmingen-Hornberg zum Verkauf bereitsteht...

    G.M., 23.10.06


    ›Waidgerechtigkeit‹*

    * Geschickt gewählte Bezeichnung, die suggerieren soll, dass es bei der Jagd nicht grausam sondern human zu gehe.

    I. Federschütze mit dem Schießpferde


    M. E. Ridinger

    »Auch heute noch werden Haustiere wie z. B. Pferde in den Dienst der Jagd genommen. Dort, wo Rehe Pferde kennen, etwa in der Nähe von Gestüten, Reiterhöfen oder Haltern von Rückepferden, erleichtert ein solches Haustier das Anpirschen sehr. Mit gutem Wind und stets in Deckung des Pferdekörpers gelingt das Sich-dem-Reh-Nähern im allgemeinen recht gut« (Jäger, 5/2000)

    II. Angepflockte Uhus bei der Hüttenjagd

     

    »Da glänzen die Augen der altgedienten Jäger, die es noch erlebt haben und davon berichten. Und die der Jungen, die mit offenem Mund staunend zuhören, erst recht. Als der ›Auf‹ – so nannte man den zahmen Uhu, der zur Hüttenjagd eingesetzt wurde – majestätisch auf seiner Jule thronte, die zeternde Schar der hassenden Krähen über sich. Als er seinen Kopf nach allen Seiten drehte, um ja keinen Angriff eines einzelnen schwarzen Gesellen zu verpassen. Als die Flinten krachten, die wütende Bande auseinanderspritzte und am Ende einiger aufregender Stunden wieder ein knappes Dutzend Krähen zur Strecke kam und damit dem Niederwild und den Bodenbrütern geholfen war.« (Wild und Hund 2003)

    III. Knochengeschäft

    Knochengeschäft

    Der Trophäenkult der Jägerschaft verursacht eine enorme Nachfrage nach starken Geweihen, die durch Geweihträger aus der freien Wildbahn kaum zu decken ist. Diese Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird durch das sogenannte Knochengeschäft reguliert. In Zuchtgattern werden zu tausenden Geweihträger gemästet und später auf Viehtransporter in die Jagdreviere transportiert. Wie erst jetzt bekannt wurde, werden Gatterhirschen nicht nur hohe Calciumgaben während der Wachstumsphase ihrer Geweihe verabreicht, sondern das Geweihwachstum wird zusätzlich durch intensive Massage der Basthaut angeregt. Eine Pflegemethode, an der die zur Exekution ›Geweihten‹ offenbar mehr Gefallen finden als ihre exotischen Masseure.

    G.M., 19.10.2006

    IV. Vogelscheuche - Das umstrittene Original

    Vogelscheuche

    OSTERHOLZ-SCHARMBECK (dpa): Ein Bauer aus Leuchtenburg (Kreis Osterholz) darf weiterhin tote Saatkrähen, die er an selbst gebauten Galgen aufgeknüpft hat, als Vogelscheuchen verwenden. Es gebe kein Gesetz, das dies verbietet, sagte ein Sprecher der Kreisverwaltung in Osterholz-Scharmbeck am Montag. Auch die Jagdbehörde habe den Fall nun geprüft und keinen Verstoß festgestellt. Der Landwirt hatte in der vergangenen Woche mit seiner martialischen Aktion vor allem bei Tierschützern eine Protestwelle ausgelöst (TAZ vom 8.4.2003)

    G.M., 06.11.2006

    V. Ganter hinter Gittern

    Ganter hinter Gittern

    Wie dem Fuchs das Sprichwort zum Verhängnis wird...

    »Zwei Fangplätze liegen im Weihnachtsbaumgatter und einer liegt draußen im Feld. Völlig frei. Den kann ich [wegen der Spaziergänger] nur benutzen, wenn wirkliches Sauwetter (Sturm wie letzten Donnerstag ist sehr gut) angesagt ist. Ist aber mit Abstand der Beste! Wer beim Fallenstellen sofort sicher und tödlich fängt, der lügt! Nach einigen Fehl- und Brantenfängen [Pfoten der Beutegreifer], steht das Eisen jetzt so, dass der Fuchs immer über die Federn kommen muss. Einige geschickt drapierte Steine lassen keine andere Wahl. Auch der Fang über den losen Bügel klappt nicht immer. Ich hatte schon Kopffänge kurz über dem Seher. Der war zwar mausetot aber der Weg des Stellbügels ist offensichtlich zu lang. Da besteht bei einem kleinen Fuchs noch die Möglichkeit, dass er hochgeschleudert und nur mit dem Kiefer gefangen wird.«

    »Ein Tipp um Brantenfänge zu minimieren. Der Köder auf dem Schwanenhals muss mit einer Schnur (Angelschnur) so angebunden sein , dass er 3 - 4 cm Spiel hat. Der Fuchs kann so mit der Brante am Köder spielen, ohne sie auszulösen, die Falle darf nicht allzu leicht auslösen. Nach diesem Test macht er den Hals schön lang und zieht ab. Fast immer tödlich. Glaubt einem Mann dessen Vater über 1000 Füchse gefangen hat!«

    »1000 Füchse mit der Falle ist verdammt viel ›Holz‹. Da zieh ich echt den Hut vor so viel Fachwissen und Passion.«

    »Ich habe mal bei einem Abzugseisen den Fleischköder mit viel Spiel aufgebunden - so wie in den Fachbüchern immer beschrieben. Der Erfolg war, dass eine Katze mit der Prante [Pfote] sich gefangen hatte. Selbstkritisch muss ich sagen, das sind lange Nächte für die Kreatur. Da vergeht mir die Fallenjagd. Aber vielleicht bin ich zu sensibel gestrickt.... «

    (alle Zitate stammen aus einem Jagdforum, Ende 2004; das im Prinzip noch relativ harmlose Foto wurde mir freundlicherweise von einem Menschen zur Verfügung gestellt, der für den brutalen Umgang der Fallen-Jäger mit der Kreatur kein Verständnis hat)

    G.M., 31.12.2006

    VI. Schlaufuchs

    Der Schlaufuchs

    Nachdem das Britische Unterhaus in 2003 die Hetzjagd auf Füchse verboten hat, sind findige Jäger auf die Idee gekommen, die Füchse durch Hundemeuten erlaubterweise einem Falkner zu zutreiben. Wie man hier sieht, sind auch die Füchse nicht dumm, weil sie dem Greif den Zugriff auf die Beute nicht gerade einfach machen.

    G.M., 21.03.2007

    VII. Ohne Jäger kein Wild?

    Zum festen Bestandteil jagdlicher Folklore gehört der mahnende Spruch: »Ohne Jäger kein Wild!«. Halbwegs Sinn macht er nur auf der begrifflichen Ebene, denn ohne Jagd würde alles Wild wieder als das benannt, was es in Wirklichkeit ist: Frei lebendes Getier! Doch damit genug auch die Hasen könnten zu Ostern wieder ungestört das tun, wozu sie der Überlieferung nach da sind, nämlich ohne sich vor Jagdhunden fürchten zu müssen, Ostereier verteilen!

    G.M., 05.04.2007

    VIII. Die jagdliche Intensivstation

    Fasanen Fütterung
    Fasanenschutzdach mit Fütterung
    Norwegischer Krähenfang
    Verbotener Norwegischer Krähenfang

    Zum fundamentalen Bestandteil des jagdlichen Selbstverständnisses gehört die Behauptung, dass die Jagd die natürlichste Angelegenheit der Welt sei. Daran irritiert, dass die Jäger andererseits betonen, nicht nur ins Revier zu gehen, um zu erlegen, was die Natur ihnen so vor die Flinte stellt, sondern vor allem um zu hegen, sprich ›der Natur‹ oder genauer gesagt der Jägernatur etwas auf die Sprünge zu helfen. Wie passt das zusammen?

    Dazu muss von zunächst wissen, dass aus jagdlicher Sicht die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts in einer industriell überformten Welt stark beeinträchtigt ist. Ähnlich wie für den Naturschützer gibt es also für den Jäger in der modernen Landschaft kein funktionierendes ›ökologisches Gleichgewicht‹ mehr. Der Jäger sieht sich daher verpflichtet, in den Naturhaushalt einzugreifen, d. h. konkret die Lebensgrundlagen des Wildes zu verbessern.

    In der Jägersprache werden diese Eingriffe auch Hege genannt. Ein ganz wichtiger Bestandteil der Hege sind Futterstellen für das jagdbare Wild. Fast noch wichtiger sind aber Fallen für das verhasste Raubzeug (Füchse, Marder, Krähen etc.). Beide Anlagen sollen sicherstellen (und hier unterscheidet sich die Jagd vom Naturschutz), dass es in Feldflur immer einen hohen Bestand an jagdbarem Niederwild, sprich immer was zu schießen gibt.

    In (von mir) so genannten ›jagdlichen Intensivstationen‹ sind beide Anlagen kombiniert, weil die eine Anlage die andere bedingt. Die Fütterung führt dazu, dass nicht nur das gehegte Niederwild angelockt wird, sondern auch das verhasste ›Raubzeug‹, das hier leichte Beute wittert. Nur konsequent, dass die Jäger diese Anlagen immer häufiger kombinieren. Rein von der Logik her gibt es da durchaus Verbindungen zu Flakstellungen, die Versorgungsbunker vor feindlichen Fliegerangriffen schützen sollen.

    Manchmal gelingt es, eine besonders hochkarätig ausgestattete Station ausfindig zu machen. Gut versteckt in einem Feldgehölz bestand sie aus einer Fasanenfütterung inklusive imposanten Schutzdach, einem Fasanenauswilderungsgehege, einem illegalem norwegischem Krähenfang und einer ebenfalls illegalen Lebendfalle »Modell Warburg« für Raubzeug. (Hinweis: Nach dem Einschreiten der zuständigen Unteren Jagdbehörde hat der verantwortliche Jagdpächter einen Großteil der Station umgehend abgeräumt).


    Der Schlaufuchs

    Die illegale Lebendfalle »Serien-Modell Warburg« ist eine regionale Besonderheit der ›Hege‹ in einigen Revieren Ostwestfalens. Der am Boden liegende Köder (hier ein totes Wildkaninchen) ist über eine Schnur mit dem Auslösemechanismus (einer Mausefalle in dem kleinen Kasten rechts) verbunden. Ist das schwere Drahtgittergehäuse erst einmal gefallen, hat das Opfer keine Chance mehr zu entkommen, denn im Boden befindet als Gegenstück ein Fundamentring.

    Was will uns diese Geschichte über jagdliche Intensivstationen sagen? Erstens wohl, dass Jäger auf dem besten Wege sind, durch völlig verfehlte und übertriebene Hegemaßnahmen das letzte bisschen ›Natur‹ aus der Landschaft zu vertreiben. ›Natur‹ kann in einer zivilisierten Welt immer nur ein unbeabsichtigtes, sich zufällig einstellendes Nebenprodukt von Nutzungen sein: Die trittresistente Pflanze in der Pflasterritze, das Unkraut im Garten oder auf dem begrünten Mittelstreifen einer Straße, der Hase auf der Wiese oder der Fasan im Ackerrain.

    Zweitens, dass in der Jägerschaft eine beträchtliche Bereitschaft besteht, auch illegale Mittel einzusetzen, um die vorhandene Restnatur in eine hegerische Erwartungen erfüllende Jägernatur umzugestalten. Daraus folgt nicht notwendigerweise, dass Jäger über ein vermindertes Rechtsbewusstsein verfügen. Die tiefverankerte (und bei jeder Gelegenheit von ihren Verbänden hinausposaunte) Überzeugung, aktiven Naturschutz zu betreiben, täuscht vielen Jägern aber vor, auch dann noch gemeinwohlverträglich zu handeln, wenn sie jagdgesetzliche Vorschriften ignorieren.

    Es gibt deshalb kaum einen Interessenverband, dem man so intensiv auf Finger schauen sollte, wie dem der Jägerschaft – und dies gilt vor allem für seinen traditionell erbarmungslosen Feldzug gegen das ›Raubzeug‹.

    G.M., 05.07.2007

    IX. Von verlottertem Wild in befriedeten Bezirken

    Fuchs üeberquert Straße

    Es ist kaum mehr zu übersehen, immer mehr Wild treibt sich statt in Feld, Wald und Wiese in den Vorstädten und auf den Straßen herum. Schuld sind die Jäger! Deshalb haben sie sich auch schon einiges einfallen lassen, um diesem aus ihrer Sicht unerwünschten Treiben Einhalt zu gebieten: Reich bestückte Luderplätze, leckere Salzlecksteine und – allerdings nicht ganz jugendfrei – verführerische Pheromon-Lockmittel aus natürlichem Wildurin. An der Landflucht des Wildes hat dies wenig geändert, denn das Wild leidet weniger an Hunger oder sexuellen Notstand als an Todesangst. Es fürchtet sich im Revier, denn kein Salzleckstein, kein Luderplatz und kein Pheromon-Lockmittel, in dessen unmittelbarer Nähe nicht ein Jägerstuhl oder eine Falle steht. Und seit sich beim Jungwild herumgesprochen hat, dass beim Schlecken, Fressen und Flirten große Gefahr besteht, abgeknallt zu werden oder gar in einem Fangeisen zu verrecken, kehrt es der angestammten Heimat seiner Ahnen (von Jägern auch Revier genannt) immer häufiger den Rücken zu. In der Stadt und auf der Straße erwartet die Flüchtlinge ein reich gedeckter Tisch aus feinstem Rasenschnitt, erlesenen Ziersträuchern, kalorienreichem Abfall und naturbelassenem Aas. Und auch die Gefahren, die dort drohen, sind erheblich berechenbarer und nicht so heimtückisch wie in Feld, Wald und Wiese. Nicht ohne Grund spricht die ansonsten nüchterne Jagdgesetzgebung in diesem Zusammenhang fast ehrfürchtig von »befriedeten Bezirken«.

    G.M., 02.11.2008

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    »Es wird nirgendwo soviel gelogen, wie vor der Hochzeit, auf der Beerdigung und bei der Jagd« (Zitat aus einem Jagdforum)

     

    X. Indigo-Hasen

    Eulenspiegel

    Mit großer Sorge beobachten Jäger seit einiger Zeit eine neue Generation aufmüpfig-selbstbewusster Hasen, die völlig atypische Verhaltensmuster zeigen. Im Vergleich zu ihren Vorläufergenerationen revoltieren sie gegen jede Form von Autorität und lassen sich überhaupt nicht davon beeindrucken, wenn einer mit der Schrotflinte über der Schulter, einem Jagdhund an der Leine und der Lizenz zum Töten in der Tasche daherkommt. Sie treten für eine zeitgemäße Neuordnung der Jäger-Beute-Beziehung ein, also einer ganzjährigen Schonzeit oder doch zumindest der Verteilung schusssicherer Westen in der Jagdzeit. Sie verweigern auch in Notzeiten konsequent die Aufnahme von Ernährungszusatzstoffen, also die Winterfütterung. Darüber hinaus sind sie zu allem Unglück auch noch ausgesprochen schusshart, d. h. nur aus kurzer Distanz zu erlegen.

    Diese Hasen werden in Anlehnung an ein bei Kindern beschriebenes Phänomen Indigo-Hasen genannt. Der Begriff Indigo-Kinder wurde von einem amerikanischen Medium geprägt. Seit den späten 1970er Jahren will es eine starke Zunahme von Neugeborenen festgestellt haben, die eine indigofarbene >Aura< und außergewöhnliche psychische Merkmale aufweisen. Da die Entdeckung in verschiedenen Büchern publiziert wurde, erlangte der Begriff zunehmende Bekanntheit in der Esoterik-Szene. Ein früher Vertreter eines Indigo-Kindes soll übrigens Mahatma Gandhi gewesen sein. Als prominentes Beispiel soll er zeigen, welche besonderen Fähigkeiten und welch enormes Potenzial in Kindern steckt, bei denen Schulmediziner in der Regel eine Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostizieren. Für die verunsicherten Eltern stellt sich daher die schwierige Frage, ob ihre extrem nervigen Kinder einer psychiatrischen Behandlung bedürfen oder ob sie gerade Zeuge eines geheimnisvollen spirituellen Prozesses sind, der die Welt in ein neues Zeitalter führt.

    Von der Skeptikerbewegung wird die Existenz von Indigo-Kindern natürlich vehement bestritten, da sie keinerlei wissenschaftlicher Überprüfung standhalten würde. Doch seitdem jetzt auch Jäger immer häufiger von solchen auffälligen Verhaltensmustern berichten, hat das Indigo-Phänonem erheblich an Realität gewonnen, zumal ja kaum die Parallele zwischen den aufmüpfigen Hasen und Mahatma Gandhi zu übersehen ist, der sich ja auch nicht von Gewehren der englischen Kolonialherren einschüchtern ließ! Am meisten ärgert die Jäger, dass Indigo-Hasen nicht mehr bereit sind, sich in das ihnen alljährlich im Winter zugedachte Schicksal als lebendige, Zickzack schlagende Zielscheibe zu fügen. Stattdessen lassen diese aufsässigen Hasen keine Gelegenheit aus, den Jägern ihre bislang vergnügliche Passion nachhaltig zu vermiesen. So verhöhnt der oben abgebildete Hase seinen routinierten Erleger noch post mortem genau da, wo der am Verwundbarsten ist, nämlich beim Pochen auf traditionelle Werte. Die werden bekanntlich von den Jägern selbst regelmäßig bemüht, um ihr blutiges Hobby zu legitimieren.

    Wenn diese Geschichte mal keine frohe Osterbotschaft ist!

    G.M., 01.04.2010


     

     

     

     

    XI. Über die legale Verwandlung einer zauberhaften Begegnung in ein blutiges Gemetzel

    Foto: Igor Shpilenok

    Der Russe Igor Shpilenok staunte nicht schlecht, als seine Katze Rvska diesen Fuchs, der in ihr Territorium eindringen wollte, mit ihrem resoluten Auftreten in die Flucht schlug1). Stellen wir uns einmal vor, diese beeindruckende Szene hätte sich in Deutschland abgespielt und wäre von einem Jagdausübungsberechtigten in seinem Revier beobachtet worden. Nach der üblichen waidmännischen Gesinnung und in völliger Übereinstimmung mit dem geltenden Jagdrecht hätte er beide Tiere mit einem Paketschuss zerschrotet. Den Fuchs, der in den meisten Bundesländern keine oder eine völlig unzureichende Schonzeit hat, als bevorzugtes Zielobjekt der Hege mit der Flinte, weil er als gefährlicher Niederwildräuber gilt und seine intensive Bejagung die beste Besatzpflege für Hase, Fasan und Rebhuhn sein soll. Und die Katze, weil sie außerhalb des ihr gesetzlich zugebilligten Schutzraumes um ein bewohntes Gebäude (je nach Bundesland 200 bis 500 m) als streunender Räuber unter dem Deckmantel des Jagdschutzes ganzjährig getötet werden darf. Ein Jäger hätte diese bezaubernde winterliche Szene also – abgesichert durch ein äußerst komfortables Jagdrecht – innerhalb kürzester Zeit in einen grausigen Schauplatz mit zwei blutigen Kadavern verwandelt, weil die beiden Protagonisten als bedingungslos zu verfolgendes Raubzeug gelten.

    Jenseits der sattsam bekannten Propaganda- und Lügengeschichten, mit denen die Jägerschaft ihr bestialisches Handeln legitimiert, sprechen die Fakten eine andere Sprache: Nur ein geradezu lächerlich kleiner Teil des Wildes fällt Hauskatzen zum Opfer. Dagegen werden jährlich einige hunderttausend Katzen von Jägern getötet, denen offenbar völlig gleichgültig ist, ob sie damit Entsetzen und Trauer bei den Besitzern der Tiere auslösen. Ferner ist es den Jägern trotz intensivster Verfolgung und aller martialistischer Vernichtungsmaßnahmen (u. a. Begasung und Zerstörung von Bauten, Vergiftung mit Ködern, Zerquetschung und Verstümmelung in Schlageisen) nicht gelungen, die Fuchsbestände nennenswert zu reduzieren. Tatsächlich hat der massive Jagddruck auf Füchse (jährlich über eine halbe Millionen Opfer) nur die Umwandlung von stabilen Familienverbänden in gestresste, sich abnorm vermehrende Populationen bewirkt2). Die intensive Verfolgung von Füchsen und Katzen ist folglich nichts anderes als eine legalisierte Form der Tierquälerei. Nach realistischen Schätzungen kommt z. B. auf jeden mit der Büchse oder Flinte erlegten Fuchs, ein angeschossener Fuchs, der oft erst nach stundenlanger Nachsuche getötet werden kann oder wenn es ihm gelingt, seinen Verfolgern zu entrinnen, elendig leiden muss bis er endlich zu Grunde geht.

    Die Jägerschaft wird nicht müde, ihre erbarmungslose Raubzeugbekämpfung der Öffentlichkeit gegenüber als wichtigen Beitrag zur Besatzpflege in Niederwildrevieren oder sogar zum Natur- und Artenschutz zu präsentieren. Mit allen nur erdenklichen Ausreden3) versucht sie zu verschleiern, dass die gewalt- und grausame Aneignung von Wildtieren ein blutiges, offenbar archaische Glücksgefühle erzeugendes Hobby ist, also eine Art erlebnisorientierter Schießsport auf wildlebende Ziele4). Der weitaus überwiegende Teil der Bundesbürger lehnt die Jagd und die weitgehenden Rechte, die der gesellschaftlichen Minderheit der Jäger eingeräumt werden, in ihrer jetzigen Form ab. Trotzdem hat der Gesetzgeber bisher wenig Anstrengungen unternommen, dieses unzeitgemäße Privileg auf eine mit der Natur- und Tierschutzgesetzgebung verträglichere Grundlage zu stellen5). Dies ist kein Ruhmesblatt für eine zivilisierte Gesellschaft, sondern ein Indiz dafür, dass die Jagdlobby auch heute noch über einen völlig unangemessenen Einfluss auf die Gesetzgebung verfügt. Allerdings gibt es auch Licht am Ende des Tunnels: Aufgrund von veränderten politischen Konstellationen in einigen Bundesländern gibt es erste vorsichtige Novellierungen von Landesjagdgesetzen, die von einer Mehrheit der Bundesbürger begrüßt und der Mehrheit der Jäger empört abgelehnt werden6).

    Anmerkungen

    1) Igor Shpilenok wurde mit dieser Aufnahme Veolia Environnement Wildlife Photographer of the Year 2009

    2) Die Zerstörung von Sozial- und Territorialstrukturen durch intensive Bejagung führt nicht nur zu einer Ankurbelung der Vermehrung, sondern auch zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und verstärkten Ausbreitung von Seuchen, also zum Gegenteil von dem, was die Jäger vorgeben, erreichen zu wollen.

    3) Empfehlenswerter Link: FRECHER FUCHS – Die Ausreden

    4) So gilt die Jagd auf den als listig geltenden Fuchs als besonders reizvolle und spannende Herausforderung.

    5) Zu den kurzfristig anzustrebenden Reformen für eine zeitgemäße Jagdgesetzgebung vgl. detailliert: AKTIONSBÜNDNIS NATUR OHNE JAGD

    6) So hat der Deutsche Jagdschutz-Verband E. V. (DJV) Anfang 2010 eine bundesweite Unterschriftenaktion gegen rückwärts gewandte ›Reform‹-Bestrebungen in einigen Bundesländern (mit einer derzeit jagdpolitisch ungünstigen Konstellation) gestartet, die zu einer Zersplitterung des Jagdrechts führen und die geeignet sind, die Grundfesten der Jagd in Deutschland zu unterhöhlen! Ein hoffnungsvolles Indiz dafür, dass zumindest einige Landesgesetzgeber auf dem richtigen Weg sind!!

    G.M., 10.08.2011


     

     

     

    So hätte die zauberhafte Begegnung enden können, wenn sie im Sommer passiert wäre und der Jagdaufseher die beiden Protagonisten nicht mit der Schrotflinte, sondern mit einer durchschlagskräftigen Kugel niedergestreckt hätte.


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