|
SciLogs-Initiator Carsten Könneker (links) gratuliert Michael Blume
zum SciLogs-Preis 2009, Foto: Spektrum der Wissenschaft/Richard Zinken
|
Auf den beiden größten deutschen Wissenschaftsblogplattformen ScienceBlogs und SciLogs bestimmen zwei
Autoren den Diskurs, die die islamische Kultur weißwaschen oder weichspülen. Trotz der zahllosen
Selbstmordattentate oder dem weitgehenden Scheitern des arabischen Frühlings behaupten sie, dass
der Islam über kein größeres gesellschaftliches Konflikt- oder Radikalisierungspotenzial als das
moderne Christen- oder Judentum verfügen würde und dass ein ohne Vorurteile betrachteter und in
wohlwollender Toleranz respektierter Islam eine Bereicherung, ja ein Segen für die westliche
Zivilisation sei. Und wenn es denn Fehlentwicklungen geben würde (›die im Übrigen kein
Alleinstellungsmerkmal des Islam seien‹) dann soll diesen mit einem ›gelungenem Miteinander‹ durch
verstärkte Dialogbereitschaft und nicht etwa durch verbindliche juristisch sanktionierte Vorschriften
entgegengewirkt werden. Wer diese beschönigende Darstellung des Islam und das pseudo-liberale
Toleranzgebaren gegenüber muslimischem Integrationsverweigern kritisiert, der wird von beiden
Bloggern reflexartig unter den Generalverdacht gestellt islamophob, rassistisch oder rechtsradikal
zu sein. Tatsächlich würde kein vernünftiger Mensch bestreiten, dass erhebliche Teile des muslimischen
Selbst- und Gesellschaftsverständnisses, wie die Ablehnung der strikten Trennung von Religion und
Staat, die patriarchalische Struktur der Kultur, in der die Familienehre weit über der Selbstverwirklichung
des Einzelnen steht, die Geschlechterapartheid oder die Intoleranz gegenüber Andersgläubigen weder mit
dem Deutschen Grundgesetz noch der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vereinbar sind.
Da hilft auch keine noch so nüchterne Statistik, die den mangelnden Integrationswillen
muslimischer Einwanderer, die unsägliche Diskriminierung der Frauen, die erschreckende Zahl
der Ehrenmorde oder die zunehmende Gewalt- und die auf niedrigem Niveau stagnierende
Bildungsbereitschaft vieler muslimischer Jugendlicher dokumentiert, um den Vorwurf zu
entkräften, fremden- und islamfeindlich zu sein. Genauso wirkungslos verpufft der Hinweis,
dass es nicht darum geht, den Muslimen ihren Glauben zu nehmen, sondern vielmehr um eine
Modernisierung und Säkularisierung des Islam. Die sind aber die notwendige Voraussetzung
für die Integration muslimischer Migranten in die westliche Zivilgesellschaft und deren Wunsch,
darin eine gleichberechtigte und innovative Stimme zu sein. Auch islamische Intellektuelle
machen keinen Hehl daraus, dass das große Problem des Islam darin besteht, dass er im
Unterschied zu den anderen monotheistischen Religionen noch nicht in der Neuzeit angekommen
ist. Stellvertretend für viele andere couragierte Kritiker des Islam sei der tunesisch-französische
Schriftsteller Abdelwahab Meddeb zitiert, der eine alarmierende Bilanz zieht1): »Der
Islam steckt in der katastrophalsten Krise seiner Geschichte. Die einzig mögliche Therapie habe
der Westen dem Islam gezeigt: Die heißt Aufklärung!«. Um nicht als ausländer- oder islamfeindlich
stigmatisiert zu werden, traut sich kaum ein deutscher Politiker in der Integrationsdebatte
öffentlich zu sagen, was Meddeb für unabdingbar hält. Das Ergebnis dieser Appeasement-Politik
ist bekannt: Dem Aufbau transfermittelabhängiger, muslimisch-nationalistischer Parallelgesellschaften
wird Vorschub geleistet und die sukzessive Aushöhlung des demokratischen Rechtsstaates in Kauf genommen.
Hier werden keine populistischen Horrorszenarien beschworen oder antiislamische Ressentiments
bedient, sondern ganz nüchtern Aspekte der deutschen Wirklichkeit beschrieben: Z. B. stellte
das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 2008 in einem Bericht zur
dramatischen wirtschaftlichen Lage der Migranten in Berlin fest, dass 75 Prozent der Migranten
türkischer Herkunft keinen Schulabschluss haben und fast jeder zweite arbeitslos ist und von
Transfermitteln lebt. Ferner haben 80 % der jugendlichen Intensivtäter in Berlin einen türkischen
oder arabischen Migrationshintergrund und terrorisieren ganze Stadtviertel. Und der promovierte
Volljurist und ehemalige stellvertretende Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Joachim Wagner
weist warnend darauf hin, dass sich unbemerkt von der Öffentlichkeit und sogar der Justiz in
muslimisch geprägten Einwandervierteln, eine rechtsstaatliche Werte ablehnende islamische
Paralleljustiz etabliert hat. Diese alarmierende Bildungsmisere, Gewaltbereitschaft und
Integrationsverweigerung will erst einmal realisiert werden, bevor man auf Beispiele gelungener
Karrieren und Integration muslimischer Migranten verweist. Interessanterweise haben Befragungen
türkischer Bildungsaufsteiger gezeigt, dass sie sich durch ein hohes Maß an Trennungskompetenz
auszeichnen. D. h. sie verfügen über die Fähigkeit, sich von den traditionellen Denkmustern
ihres Herkunftsmilieus zu distanzieren und die damit verbundene Unsicherheit auszuhalten2).
Es greift folglich zu kurz, wenn die Ursachen für die Bildungsmisere muslimischer Migranten
reflexartig in der fehlenden Akzeptanz der Zuwanderer oder der mangelnden Durchlässigkeit der
Aufnahmegesellschaft gesucht werden. Das Kernhindernis für einen Bildungsaufstieg junger Migranten
ist das muslimische Herkunftsmilieu mit seinen starken Loyalitätserwartungen3).
Im ersten Teil dieses
Beitrages
hatte ich mich mit dem tunesienstämmigen Schweizer Politikwissenschaftler Dr. Ali Arbia
auseinandergesetzt, der auf ScienceBlogs den Blog »zoonpolitikon« betreibt und
dazu neigt, den internationalen Islamismus zu verharmlosen. Im zweiten Teil werde ich mich mit dem
deutschen Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume beschäftigen, der auf SciLogs den
Blog »Natur des Glaubens« betreibt und vor allem die schleichende Islamisierung Deutschlands
schönredet. Den demografischen Dschihad verklärt er in seinen Studien zu den ›biologischen
Wurzeln der Religiosität‹ damit, dass Gläubige einen höheren Reproduktionserfolg und
erfüllteres Leben als Säkulare hätten. Er verschweigt dabei, dass eine moderne Gesellschaft
auf Dauer nur überleben kann, wenn der Reproduktionserfolg mit sozialem Erfolg korreliert.
Wer wie Blume glaubt, Darwins biologische Evolutionstheorie auf die
Gesellschaft übertragen zu können, kann nicht einfach so tun, als sei es egal, wer die
Kinder bekommt und dass Adaption und Selektion, also das Anpassungs- und Leistungsvermögen keine
Rolle spielen. Generationsgerechtigkeit kann es aber nur geben, wenn auch bildungsnahe Schichten
reproduktiv erfolgreich sind4). Darüber hinaus – und aufs Engste verwoben mit seiner
privaten und beruflichen Karriere – ist er auf geradezu messianische Weise davon überzeugt,
dass nur ein intensiver christlich-islamischer Dialog Integrationsprobleme lösen kann. Eine
Säkularisierung des Islam lehnt er dagegen ab, weil sie die Religionsfreiheit einschränken würde
und für die Moscheegemeinden mit Vorschriften verbunden wäre. Da dem Religionswissenschaftler Blume
bekannt sein sollte, dass auch die katholische Kirche von außen gedrängt wurde, sich zu modernisieren,
ist dies ein anschauliches Indiz für den Kuschelkurs den Blume gegenüber dem Islam propagiert.
Der Turboblogger mit Drang zur Selbstvermarktung und Missionierung
Blume gehört zur Spezies der Turboblogger, d. h. er ist einer derjenigen umtriebigen
Blogger, die nahezu ganztägig auf ihrem Blog präsent sind und in kürzesten Abständen zahllose
Beiträge publizieren oder kommentieren5). In seinen Blogposts wird zwar nicht unbedingt
originell und kompetent aber durchweg schreibgewandt und selbstgefällig über Gott und die Welt
schwadroniert. Wo immer möglich mit ausdrücklichem Bezug auf sein eigenes Werk und Wirken. Häufig
bestehen seine Blogposts aus einer provozierenden Mischung aus zum Widerspruch herausfordernden
weltanschaulichen und steilen wissenschaftlichen Positionen. Beste Voraussetzungen, um große
Teile des auf SciLogs versammelten Kommentariats in nicht enden wollende Diskussionen zu
verwickeln. Blume ist in den Debatten stets präsent und belohnt jeden halbwegs zustimmenden
Kommentar mit einer selbsterbaulichen Bemerkung wie ›Danke, das ist sehr ermutigend!‹. Die
ist insoweit geheuchelt, als er gar keines Zuspruches bedarf, weil er sich auch dann bestärkt fühlt,
wenn Kritiker ihn in die Defensive drängen oder heftig attackieren. Dies erhöhe – so Blume – nur
die Klickzahlen seines Blogs und mache ihn und sein Mission nur noch bekannter. Ohne Frage
verschafft es ihm eine tiefe Befriedigung, neben den Artikel- auch noch die Kommentarspalten
auf SciLogs zu dominieren. Wann immer ein Besucher die Startseite dieser Blogplattform
öffnet, grinst ihm daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Liste der aktuellen Artikel das
Gesicht von Blume entgegen. Der erklärt seine inflationäre Präsenz u. a. damit,
dass – zu seiner großen Freude – seine Forschungsschwerpunkte rasant an Bedeutung gewinnen und
sich Anlässe für neue Artikel somit ganz von selbst aufdrängen würden.
Blume macht keinen Hehl daraus, dass eine der Hauptintentionen seiner Online-Präsenz
darin besteht, Reklame für sich und seine Werke zu machen. Z. B. hat er sein zusammen mit Rüdiger Vaas
publiziertes Erstlingswerk seit seinem Erscheinen in 2009 in mindestens 14 Blogposts auf SciLogs
inklusive einer großformatigen Abbildung des Einbandes angepriesen6). Ein prominenter
Nachbarblogger, der sich um das Renommee der Plattform sorgte, warnte kürzlich (leider an falscher Stelle,
da die SciLogs-Redaktion Blume Narrenfreiheit gewährt), dass mit solch unverhohlener
Selbstvermarktung das Portal vor die Hunde geht und es für derlei Gesichtspflege Facebook gibt. Blume
fühlt sich über solcherlei Mahnungen erhaben und sieht, wenn jemand an seinem Ruhm kratzt oder ihn
argumentativ in die Schranken weist, stets Neider seiner Karriere am Werk. Bleibt die Frage, warum er
seinen aufdringlichen Hang mit seinem Werk hausieren zu gehen, so ungeniert auslebt? Abgesehen von
einer gewissen Dickfelligkeit, die er sich zugelegt hat, vermute ich, dass Blume so von sich
berauscht ist, dass für ihn jede Beförderung seiner persönlichen Karriere auch eine Beförderung des
wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts darstellt. Z. B. antwortete er einem Leser, der
ankündigte, eines seiner Bücher zu kaufen: »Danke, das ist sehr ermutigend! Ob ›Gott, Gene und Gehirn‹ oder
eben BERMB, jedes gekaufte und erst Recht gelesene Buch fördert direkt ein Stück Wissenschaft
bzw. hier konkret Evolutionsforschung.« Diese Selbsttrunkenheit würde zugleich seinen Hang
zur Missionierung erklären, denn er sieht seinen Blog als wahrhaftiges Bollwerk gegen das populistische
Heer der Islamkritiker, »die Hass- und Verschwörungstheorien verbreiten und Andersdenkende bedrohen« und
sich als einen begnadeten Prediger, der andere Menschen zu tieferen Einsichten führt.
Damit der Leser sich ein Bild über Blume machen kann, füge ich im Folgenden einige Kostproben
seines vereinnahmenden Stils zu bloggen und seiner islamophilen Weltanschauung an.
Zunächst ein Kommentar, in dem er sich bei einem anderen SciLogs-Blogger für dessen positive
Besprechung seines Büchleins »Evolution und Gottesfrage – Charles Darwin als Theologe« bedankt7):
»Lieber Hermann,
vielen Dank für diese Buchrezension im Dir so eigenen Stil! Ich bin nun wirklich glücklich,
denn genau da wollte ich hin: Dass Menschen (ob Atheisten, Agnostiker oder Theisten, ob
Natur-, Kultur- oder Geisteswissenschaftlerinnen etc.) eine neue, tiefere Wahrnehmung von
dem großen Viktorianer gewinnen, der in vielem schon weiter (oft: differenzierter!) war als
manche heutige Debatte...
Es freut und ehrt mich sehr, dass Dir das Buch Neues gebracht hat.«
|
Ähnlich selbsterbaulich und verzückt seine Reaktion als er den Lesern seines Blogs darüber
berichtet, dass er in der letzten Dezember-Ausgabe des Magazins DER SPIEGEL (52/2012), die
traditionell der Religion gewidmet ist, zitiert wurde:
»Hatten Sie ein schönes Weihnachtsfest? Ich wünsche Ihnen das sehr! Meine persönliche Bescherung
setzte in diesem Jahr schon zwei Tage vorher ein - am 22.12.2012 (…) erschien die neue Ausgabe des
SPIEGEL, die diesmal die Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen als Titelthema hat!
Als ich vor einigen Jahren das Bloggen begann, war genau dies mein Traum gewesen: Über den engeren
Bereich der Wissenschaft hinaus Menschen zu erreichen und sie dazu einzuladen, die Welt mit etwas
mehr Wissen und Tiefe zu entdecken. Die Vorstellung, dass in diesen Tagen überall im Land
SPIEGEL-Leserinnen und Leser diese Chance ergreifen macht mich glücklich.«
|
Schon diese beiden O-Töne bestärken den Eindruck, dass Blumes Bekenntnisse nicht nur von einer
inflationären Herzlichkeit überquellen, sondern dass er sich auch als ein Verkünder tiefergehenden Wissens
betrachtet und in der Rolle eines ›Menschenfischers‹ sieht. Der Unterschied zum neutestamentarischen
Petrus besteht allerdings darin, dass dieser laut Lukas-Evangelium von Jesus
zum Menschenfischer berufen wurde. Blume dagegen neigt dazu, sich selber zu berufen und mit seinen
Heilsbotschaften hausieren zu gehen.
Da in den Medien fast täglich negative Berichte über den Islam erscheinen, sieht Blume seine zentrale
weltanschauliche Mission im Abbau von Vorurteilen oder Vorbehalten gegenüber dem Islam. So verklärt er
in seiner »Am Nasenring der Vorurteile« übertitelten euphorischen Besprechung des
Buches »Der Islam-Irrtum« vom 21.06.2011 den Beitrag des Islam zum arabischen Frühling und
zur Emanzipation der Frauen:
»Thema für Thema führt uns Thumann zu interessanten Personen, die gängige Klischees in Frage
stellen: Ägyptische Demonstranten, einfache Menschen, die in der Erfahrung spontaner,
demokratischer Selbstorganisation Würde und Selbstvertrauen gewonnen haben. Muslimbrüder,
die untereinander um die Frage ringen, ob und wie sie am demokratischen Prozess teilnehmen.
Und ägyptische Intellektuelle, die sich westlich-aufgeklärt geben, aber von Politik immer
fern gehalten haben, um die ihnen von der Diktatur gewährten Privilegien nicht zu gefährden.
Arabische Frauenrechtlerinnen von Marokko bis Saudi-Arabien, die durchaus nicht einig sind,
ob Fortschritte gegen oder durch den Islam zu erringen sind. (…)Sein Buch ist darüber hinaus
eine eindringliche Beweisführung für den Schaden, den intellektuelle Bequemlichkeit
gegenüber ›dem Islam‹ im In- und Ausland anrichtet. Die arabischen Aufstände haben nicht
nur Regime, sondern auch lieb gewordene Vorurteile erschüttert. Thumann zeigt, dass darin
eine echte Chance liegt.«
|
Blume unterschlägt, dass die einfachen Menschen nicht aus religiösen, sondern aus
säkularen Beweggründen auf dem Tahir-Platz für Gleichberechtigung, Respekt, Freiheit und
Verantwortung demonstriert haben. Genau deshalb wurden sie später von den Milizen der
Muslimbrüder, die sich mit den Militärs verbündeten und andere Ziele als die Errichtung
einer Demokratie im Sinn hatten, zusammengeschlagen. Die Muslimbrüder haben die
demokratischen Spielregeln nur genutzt, um an die Macht zu kommen und planen,
einen auf dem islamischen Recht der Scharia gegründeten weiteren Gottesstaat zu
errichten. Wie in anderen arabischen Ländern ist es ihnen gelungen, die
Aufstände zu unterwandern, in dem sie den Kampf um die Demokratie gegen die
Abstimmung über Himmel und Hölle ausgetauscht haben. Sollte Blume wirklich
entgangen sein, dass den revolutionären Umwälzungen des arabischen Frühlings
ein arabischer Winter gefolgt ist?
Ich vermute, er will es nicht sehen, weil es nicht in sein islamophiles Weltbild passt. Dazu
passt, dass er auch über den Kampf um Gleichberechtigung der systematisch in islamischen
Ländern unterdrückten Frauen schwärmerisch berichtet. Dabei würde ihm jede profilierte muslimische
Frauenrechtlerin bestätigen, dass in den patriarchalisch strukturierten islamischen Ländern nur
gegen die Religionswächter und Imame Fortschritte in Sachen Emanzipation zu erringen sind. Als
eine saudische Tageszeitung auf ihrer Website über Tierschutz in der Schweiz berichtete, bemerkte
eine Leserin8): »Ich wünschte, ich wäre ein Kuh in der Schweiz!« Dieser
Wunsch zeigt auf tragisch-komische Weise, dass das, was Blume als »gängige Klischees«
und »intellektuelle Bequemlichkeit« gegenüber dem Islam anprangert, ziemlich genau
den deprimierenden Zustand der Menschenrechte in islamischen Staaten widerspiegelt.
Blumes beschönigende Darstellung des Islam geht soweit, dass er sogar der Scharia
einen Platz in unserer Gesellschaft einräumt. Auf,
wo er ein fleißiger Rezensent ist, wird deutlich, dass er ein gestörtes Verhältnis zu
westlichen Grundwerten hat, wenn er in Begeisterung über das Buch »Der Islam – Alltagskonflikte
und Lösungen, rechtliche Perspektiven« verfällt (24.09.2001):
»Das islamische Recht - die Sharia - wird hier im Westen oft als grusliges
Sortiment präsentiert, angeblich unvereinbar mit westlichen Grundwerten.
Die Folge: Unsicherheit sowohl bei der nichtmuslimischen Mehr-, wie der
muslimischen Minderheit. Das vorliegende Buch klärt dagegen in geradezu
vorbildlicher Weise sachlich auf, ohne dabei zu verzerren oder zu idealisieren.
Sowohl muslimische wie christliche Freundinnen & Freunde zeigten sich
begeistert von Anspruch & Klarheit – ich kann, ja muss dieses Buch einfach
vielen Lesern weiterempfehlen!«
|
Die »Unsicherheit« oder genauer gesagt, die Vorbehalte der »nichtmuslimischen Mehrheit« gegenüber
dem islamischen Recht der Scharia sind wohl begründet, denn es beansprucht die Macht über Justiz und Gesetze. Und so
wäre die Einführung der Scharia in den modernen westlichen Gesellschaften nicht weniger absurd als würde man die
mittelalterliche oder frühneuzeitliche Inquisition neben der zivilen Gerichtsbarkeit wieder einführen. Der
Islamkritiker Hamed Abdel-Samed diagnostiziert9): »Aus den Hadithen (den außerkoranischen
Aussagen des Propheten) ist die größte Gebrauchsanweisung der Geschichte entstanden. Gebote, Verbote und
Empfehlungen, die einen Muslim vierundzwanzig Stunden täglich und in jeder Lebenssituation begleiten. Das macht
es vielen Muslim bis heute schwer, den Gedanken der Säkularisierung nachzuvollziehen.« Und zwar nicht nur in
ihren islamischen Herkunftsländern, sondern auch in ihren europäischen Aufnahmegesellschaften. Islamische
Streitschlichter praktizieren bereits jetzt in Deutschland ein Familienrecht, das sich zu Lasten der Frauen
und zu Gunsten der Männer und der Ehre des Familienclans an der Scharia orientiert. In England sind laut einem
Bericht der Zeitung Guardian bereits 85 Scharia-Gerichte Teil des britischen Justizsystems. Und in
London durchstreifen vermummte Jugendliche die Stadt, um in der Umgebung von Moscheen Menschen zu
vertreiben, ›die Allah beleidigen‹, also z. B. leichte Kleidung tragen oder Alkohol trinken. Natürlich
praktizieren bisher alle nur eine Scharia light, also ohne Steinigung und Händeabhacken, aber natürlich mit
Diskriminierung der Frauen, die z. B. zu arrangierten Heiraten genötigt werden. Auch die Scharia light, verehrter
Herr Blume, ist nicht nur »angeblich«, sondern ganz sicher unvereinbar mit westlichen Grundwerten.
Wir brauchen – wie es der zuvor zitierte Hamed Abdel-Samed bemerkte – im christlich-jüdisch geprägten
Abendland keine Scharia light, sondern einen Islam light, also einen säkularisierten Islam. Und um den herbeizuführen,
sind so Religionswissenschaftler wie Sie Herr Blume völlig kontraproduktiv, weil sie substanzielle Unterschiede
zwischen den monotheistischen Religionen verwässern und vorbehaltlose Dialogbereitschaft predigen, also auf
Laissez-faire setzen.
Und abschließend noch ein Beispiel für einen jener frömmlichen Kommentare, die bei einem Besuch von Blumes Blog
immer wieder den Eindruck nahelegen, dass es sich bei Wissenschaftsplattform SciLogs um ein evangelikales
Religionsportal handelt:
»Lieber Hussein,
zum Opferfest wünsche ich Dir, Deiner Familie und allen muslimischen SciLogs-Leserinnen und -Lesern
von Herzen alles Gute und Gottes Segen! Möge die gemeinsame Erinnerung an Abraham zu Frieden & Toleranz
beitragen, an denen es unserer Welt noch immer so sehr mangelt.«
|
Dieser Segenswunsch ist übrigens nicht so einfältig und herzlich gemeint, wie er zunächst anmutet. Erstens
versucht Blume damit, Islam-Basher anzulocken, um sie anschließend auf Religionsfreiheit pochend
als intolerante, dumme und von Angst oder Hass erfüllte Menschen beschimpfen zu können. Zweitens verwischt
er substanzielle Unterschiede zwischen dem in der Neuzeit angekommenen Christentum und dem im Mittelalter
steckengebliebenen Islam, in dem er einem direkten Vergleich ausweicht und in der Bibel bis auf gemeinsame
Vorväter wie Moses, David oder Abraham zurückgeht. Die mögen zwar Gründervater beider Religionen sein, sind
aber für das heutige Selbstverständnis von Christen und Muslimen ziemlich irrelevant. Und Drittens weist er,
vorsorglich oder wann immer jemand Beispiele für die menschenverachtende Intoleranz des Islam auflistet,
die Probleme nivellierend daraufhin, dass es überall auf der Welt, also auch in unserer christlich-säkularen
Gesellschaft, noch an Frieden und Toleranz mangelt…
Der islamophile Blume nutzt seine Schreibgewandtheit, um auch noch die offensichtlichsten die
Menschenrechte verletzenden Traditionen des Islam zu beschönigen und zu relativieren. Damit
vergrault er auf Dauer alle Leser, die mit Sachargumenten versuchen, ein realistisches Bild
des Islam darzustellen. Erweisen sich islamkritische Kommentatoren als hartnäckig, werden sie
von ihm reflexartig als intolerant, rechtslastig oder rassistisch abgekanzelt. Leser, die
seiner Islamophilie zugeneigt sind, lässt er dagegen an seiner persönlichen Erfolgsgeschichte
teilhaben und umgarnt sie, in dem er sich für wertvolle Anregungen bedankt, die seine Studien
befördert hätten. Blume hat keine Scheu, jedes noch so randständige Ereignis in seinem Leben
in einem Beitrag zu vermarkten. Große Teile seiner persönlichen Vita sind daher ein öffentliches
Phänomen. Schauen wir uns deshalb einmal näher an, wie aus dem Sohn eines areligiösen
Republikflüchtlings ein durch und durch islamophiler Religionswissenschaftler geworden ist.
Vom sozialen Außenseiter zum erfolgreichen Islambeauftragten9)
Blume wurde 1976 im württembergischen Filderstadt, einer Kleinstadt im südlichen
Speckgürtel der Landeshauptstadt Stuttgart, als Sohn von Republikflüchtlingen geboren. In
seinen ersten Schuljahren litt er unter Stigma eines Außenseiters, da er keine Freunde fand.
Die heimische Jugend betrachtete ihn als ausländischen Sachsen (›Wossi‹) und die
türkische Minderheit als nicht dazugehörigen Deutschen (›Kartoffel‹). Aufgeschlossenere
Gesinnungsgenossen, mit denen er sich identifizieren konnte, fand er ersatzweise in
Büchern und Filmen, vor allem des Ritter- und Fantasygenres. Die machten ihm Hoffnung,
weil sie (vergleichbar mit seiner Situation) von Einzelkämpfern handelten, die nach
hartem Ringen für ihre heroischen Ruhmestaten reiche Belohnung erfuhren. Um seinem sehnlichen
Ziel näher zu kommen, endlich dazuzugehören und Anerkennung zu finden, engagierte sich Blume
in einer Filderstädter Jugendorganisation. Mit viel jugendlichem Elan und zähem Willen
kümmerte er sich um die Gruppe der ›entwurzelten‹ vor allem türkischstämmigen
Jugendlichen. Deren Schicksal empfand er, nachdem er die eigene Ausgrenzung überwunden
oder vielleicht auch nur verdrängt hatte, noch viel beklagenswerter als sein eigenes.
1998 gründete er mit einigen Freunden die Christlich-Islamische Gesellschaft (CIG)
Region Stuttgart e. V., die sich in Begegnung und Dialog engagiert. Entgegen den
Befürchtungen seiner christlich-demokratischen Parteifreunde entwickelte sich sein Einsatz
für die Integration von Moslems für ihn selber zu einem politischen Erfolg. 1999 wurde er
bei den Kommunalwahlen zum mit Abstand jüngsten Stadtrat in Filderstadt gewählt. Nach eigener
Darstellung markierte dies für ihn endgültig den Punkt, an dem er sich »›angekommen‹ fühlen
durfte, ein anerkannter Bürger meiner Stadt, dessen Kinder (…) einmal den Schulweg nicht
alleine würden zurücklegen müssen…«. Offenbar ist hier ein Ausgegrenzter im Dialog mit
anderen Ausgegrenzten der Isolation entronnen und zu einem respektierten Mitglied der
Mehrheitsgesellschaft geworden. Originalton Blume: »Wer einmal Ausgrenzung erlebt hat, wird
den Hunger nach ›Zugehörigkeit‹ besser verstehen.« Es ist davon auszugehen, dass diese
hochemotionale persönliche Erfahrung ihm den nüchternen Blick auf die Integrationsprobleme
muslimischer Migranten für immer verstellt hat. Und zwar Integrationsproblemen, die ihre
Hauptursache in dem Bestreben der Migranten haben, sich von der Aufnahmegesellschaft
abzugrenzen, in dem sie das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Herkunftskultur konservieren.
Also Problemen, die mit Blumes Ausgrenzungserfahrung nur oberflächlich zu tun haben,
da dessen Integration keine Loyalitäts- oder Zugehörigkeitserwartungen seiner
ostdeutschen ›Herkunftskultur‹ entgegenstanden.
Von den ›entwurzelten‹ muslimischen Jugendlichen, um die sich Blume kümmerte,
suchten viele ihren Halt in der Religion und/oder einem übertriebenen Nationalismus. Der übertriebene
Nationalismus führte ihn zu der Einsicht, dass solche »abstrakten und mythenschweren Ferngebilde
wie ›Staat‹, ›Nation‹ oder ›Zivilisation‹« für die Integration junger Muslime hinderlich sind.
Er plädiert dafür, sie durch einen bürgernahen »Dorfethos« am konkreten Ort des Lebens der
Menschen zu überwinden oder zu ergänzen. »Die Wiederentdeckung der Stadtbürgerschaft« würde
Ausländer in Stadtbürger verwandeln und die von Alteingesessenen dominierte Bürgergesellschaft
bereichern. Diese naive Vorstellung mag vielleicht dazu geeignet sein, dem Kind eines Republikflüchtlings,
der sich mit einem totalitären Regime angelegt hat, um unter den Schutz der Grundwerte einer
humaneren Gesellschaft zu kommen, die Eingliederung in der neuen Heimat zu erleichtern. Sie ist
aber zum Scheitern verurteilt, wenn muslimische Migranten auch noch in der zweiten oder dritten
Generation an Strukturen festhalten, die ihrer nationalen Herkunftskultur näher stehen als der
deutschen Aufnahmegesellschaft. Die deutsche Nation ist kein ›mythenschweres‹
überholtes ›Ferngebilde‹, sondern ein identitätsstiftendes und politische Stabilität sicherndes
Konzept, das sich durch gleiche oder ähnliche Sprache, Grundwerte und vor allem kulturelle und historische
Gemeinsamkeiten auszeichnet. Migranten, die hier heimisch werden wollen, müssen sich daher in das kulturelle
Gefüge der Aufnahmegesellschaft integrieren, um keine Parallelgesellschaften oder destabilisierende
Brückenköpfe für ihre Heimatländer zu bilden. Blumes Vision von einer Stärkung der
Stadtbürgerschaft würde dagegen die Migranten bestärken, an ihrer nationalen Herkunftskultur
festzuhalten und die Integration zu verweigern.
Tatsächlich sind es vor allem türkisch- oder arabischstämmige muslimische Migranten, die zwar
Deutschland zu ihrer Wahlheimat gemacht haben, aber in nationalistisch-patriarchalischen
Parallelgesellschaften leben, die weder der Wiederentdeckung der Stadt- noch der
deutschen Staatsbürgerschaft förderlich sind.
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich bemerkte dazu in einem, in der
Berliner Morgenpost vom 23.12.2012
veröffentlichten Gespräch mit Berlins Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein treffend:
»Wenn jemand sagt, er will in Deutschland leben, hier sollen seine Kinder und Enkel ihre Zukunft
haben, dann sage ich ›Willkommen‹. Sie sollen dann aber auch bitte Deutsche, also Bürger dieses
Landes, werden, damit es keinen Loyalitätskonflikt gibt. Für mich ist nicht akzeptabel, wenn
beispielsweise die türkische Regierung die bei uns lebenden türkischen Zuwanderer als politischen
Brückenkopf in Europa instrumentalisiert.« Innenminister Friedrich reagiert damit auf Aussagen
des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der hatte die Assimilation
türkischer Einwanderer in Deutschland als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« bezeichnet
und türkisch-stämmige Politiker eindringlich dazu aufgefordert hat, die Interessen der Türkei in
ihren Einwanderungsländern aktiv (auch durch den Erwerb der jeweiligen Staatsbürgerschaft)
zu vertreten. Die von Blume favorisierte Stärkung des ›Dorfethos‹ als Lösung
der Integrationsprobleme erscheint vor diesem Hintergrund als realitätsfremde Farce, um es nachsichtig
auszudrücken. Die deutsche Nation braucht keine ›Stadtbürger‹, die nationalistische Brückenköpfe in ihre
Herkunftsländer bilden, sondern Migranten, die die freiheitlich-demokratischen Grundrechte in ihrer neuen
Wahlheimat stärken, in dem sie sich als Verfassungspatrioten bekennen.
Kommen wir nun zu der Frage, wie Blume zu dem zweiten Integrationshemmnis, der archaisch
anmutenden Religiosität vieler muslimischer Zuwanderer steht. Erneut lenkt er von der gesellschaftlichen
Dimension dieses Problems ab. Diesmal, in dem er seine persönliche Begegnung mit Muslimen zu einem
existenziellen Gewinn an Selbsterfahrung stilisiert: Ihn, der bisher keiner Religionsgemeinschaft
angehörte, habe der Dialog mit den strenggläubigen muslimischen Jugendlichen zur Auseinandersetzung
mit der Bibel, Jesus und Lessings ›Nathan der Weise‹ veranlasst und schließlich
in den Schoß der protestantischen Kirche geführt10). Eine nette Anekdote, auf welch‘ gewundenen
Weg jemand zum christlichen Glauben finden kann, aber leider keine Gebrauchsanweisung, wie man
islamische Gläubige in eine säkulare Welt integriert. Auch sein privates Glück verdankt er seiner
Aktivität im christlich-islamischen Dialog. Schon in der Schule lernte er die Türkin Zehra kennen,
die im Ethikunterricht neben ihm saß und insoweit zur jungen türkischen Elite in Deutschland
gehörte, als sie zusammen mit ihm das deutsche Abitur erwarb. Allen Widerständen zum Trotz gründete
er mit ihr eine christlich-islamische Ehe, aus der zwischenzeitlich eine glückliche Familie mit drei
Kindern hervorgegangen sei. In Danksagungen versäumt Blume nie zu betonen, dass diese Ehe
sich auch über die Maßen günstig auf seine berufliche Karriere ausgewirkt hat. Nach Ableistung des
Wehrdienstes und einer Banklehre, die ihm ein sicheres Auskommen versprach, hatte seine berufstätige
Frau ihm ermöglicht, seiner »Faszination der Religionswissenschaft ohne festes Berufsbild« nachzugehen,
in dem sie über Jahre hinweg vertrauensvoll sein Studium mitfinanzierte.
Man muss kein Analytiker sein, um zu bemerken, dass Blumes idealisierende Darstellung des
Islam als segensreiche Bereicherung für die westliche Zivilisation ihre Wurzeln darin haben könnte,
dass er dem Dialog mit der islamischen Minderheit fast seine gesamte private und berufliche Karriere
verdankt. Kein vernünftiger Mensch wird Blume dafür kritisieren, dass er über den engen
Kontakt mit der muslimischen Minderheit zu seiner Selbstverwirklichung gefunden hat. Skepsis ist
aber angesagt, wenn Blume seinen persönlichen Lebensweg als Blaupause für die Lösung
massiver gesellschaftlicher Probleme bei der Integration muslimischer Einwanderer anpreist und all
diejenigen, die das kritisch sehen oder als weltfremd beurteilen, als islamophob, rechtslastig oder
rassistisch beschimpft.
Ein Fest der ›Grauen Wölfe‹ vor Blumes ›Haustür‹ in Filderstadt
2003 hat Blume sein Religions- und Politikwissenschaft an der Universität Tübingen mit
der Magisterarbeit »Die Öffnung des Islam in Deutschland durch eine neue islamische Elite« abgeschlossen.
Schon auf dem Titelblatt lesen wir zum Geleit auf deutsch und arabisch »Beim Namen Gottes, des Allbarmherzigen«,
eine herausragende Gebetsformel, die fromme Muslime vor jeder bedeutungsvollen Tätigkeit sprechen und wohl
deshalb anbiedernd Blumes Magisterarbeit ziert11). Der kommt in seiner empirisch auf
Interviews mit jungen Muslimen basierenden Studie zu dem erstaunlichen Ergebnis, »dass eben nicht ›der Islam‹ zu
politischem Extremismus oder gar Terrorismus führt, sondern dass die islamische Religiosität im Gegenteil
dazu beitragen kann und soll, Identitätsfragen zu beantworten und -krisen zu lösen«. Um dies
glaubhaft zu machen, verharmlost er zunächst den Einfluss, der von islamistisch-nationalistischen
Gemeinschaften wie ›Milli-Görüs‹ und ›Grauen Wölfen‹ auf türkische Einwanderer
ausgeht. Beide Organisationen propagieren ganz offen integrationsfeindliche Ideologien und haben
ein antidemokratisches Staatsverständnis. Sie stehen deshalb unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Nachdem er das Gefährdungspotenzial, das von diesen Organisationen ausgeht, entschärft hat,
wendet er sich gegen jegliche gesellschaftlich oder gar staatlich verordnete (Zwangs-)Liberalisierung
des Islam. Ein solches Ansinnen sei nicht nur unter dem Aspekt des Grundrechtes der Religionsfreiheit
bedenklich, sondern würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit kontraproduktiv auswirken12).
Dann behauptet er, dass junge Muslime sich auf der Suche nach Anerkennung im Spagat zweier Kulturen
verlieren und Radikalisierungstendenzen ihre alleinige Ursache in Identitäts- und Akzeptanzproblemen
haben. Die Lösung der Integrationsprobleme bestünde daher »so ›banal‹ es also zunächst klingen mag« darin:
»Umso mehr es der deutschen Gesellschaft insgesamt gelingt, die Religion des Islam als Teil ihrer
modernen Identität anzuerkennen, umso eher wird es auch den Muslimen gelingen, die deutsche
Staatsbürgerschaft als Teil ihrer Identität zu bejahen – und vice versa.« Radikalisierend
sei folglich nicht der Islam, sondern die in der westlichen Gesellschaft von ihm überall erlebte
»starke und oft unausgesprochene Tendenz, die Hinwendung zum Islam, wenn nicht gar generell
zur Religion, als tendenziell integrationshemmend, wenn nicht gar gefährlich, zu werten«.
Die Therapie von islamistisch verursachten Integrationsproblemen ließe sich dagegen in einem Satz,
der zugleich der Schlussakkord von Blumes Magisterarbeit ist, zusammenfassen:
»Wer den Islamismus überwinden will, sollte versuchen, die Religion des Islam zu respektieren«.
Angesichts dieser trivialisierenden Aufarbeitung eines drängendsten gesellschaftlichen Probleme in
Deutschland möchte man belustigend hinzufügen: »Greife lieber zur HB! – Dann geht alles wie von selbst.«
Das mit der bedingungslosen Anerkennung des Islam als Teil der modernen deutschen Gesellschaft
nicht ›alles wie von selbst‹ geht, wurde Blume spätestens im November 2009 in
Filderstadt vor Augen geführt; also ausgerechnet in seiner Heimatstadt, die – wenn man an den
integrationsstiftenden Erfolg seines ambitionierten Engagements für den christlich-islamischen
Dialog glaubt – eine der Keimzellen gelungener Integration in Baden-Württemberg sein müsste. Dort
hatten die ›Grauen Wölfen‹, deren Einfluss Blume in seiner Magisterarbeit
heruntergespielt hatte, eine als türkisches Kulturfest getarnte rechtsradikale Propagandafeier
für die türkisch-muslimische Jugend veranstaltet. Dies gelang dank tatkräftiger Unterstützung
des örtlichen deutsch-türkischen Freundschaftsvereins. Dem war es gelungen, eine städtische
Halle anzumieten, in dem er die islamistisch-nationalistische Veranstaltung in ein harmloses
türkisches Kulturfest (bzw. eine Mitgliederversammlung des Vereins) umdeklarierte. Was sich
dann in dieser Halle wirklich abspielte, und welche Ziele die ›Grauen Wölfe‹ verfolgen,
schilderte die Filder-Zeitung (eine Lokalausgabe der Stuttgarter Zeitung)
vom 10.12.2009. Dort heißt es unter der Überschrift »Türkische Rechtsnationalisten feiern in Filderstadt«:
»Es sieht alles ganz harmlos aus und klingt auch so. Auf der Bühne singt ein türkischer
Sänger Folklore, dahinter bunte Fahnen, davor ein fröhliches türkisches Publikum. Es
wird mitgesungen und getanzt, angeblich eine Kulturveranstaltung. Doch harmlos ist das,
was sich am 21. November in der Bonlandener Uhlberghalle abspielte, nicht. Nach inzwischen
gesicherten Erkenntnissen handelte es sich um ein Jugendfest der ›Föderation der
Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF)‹, die als Sammelbecken
extrem nationalistischer Türken gilt und seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Von dem Fest kursieren mehrere Videos im Internet. Nach einem Hinweis der Filder-Zeitung sahen
sich Verfassungsschutz-Experten Ausschnitte davon an. Die Schlussfolgerung ist eindeutig:
Hinter der Bühne hängen zwar eine deutsche und eine türkische Fahne, aber eben auch Flaggen
der ADÜTDF und von deren Mutterorganisation in der Türkei, der MHP. Die wiederum ist
besser bekannt unter dem Namen ›Graue Wölfe‹ und stützt sich, so heißt es im jüngsten
Verfassungsschutzbericht, in ihrer Ideologie auf einen übersteigerten Nationalismus und
Panturkismus. Ziel der Grauen Wölfe ist die Vereinigung aller Türken vom Balkan bis nach
Zentralasien in einer Großtürkei. Zentraler Aspekt dabei ist die islamische Religion.
›Zur eigenen Positionierung bedient sich die Bewegung seit jeher auch ethnischer und
politischer Feindbilder‹, erläutert der Verfassungsschutz. Der antidemokratische Charakter‹
der MHP sei geprägt von Kurdenfeindlichkeit, Intoleranz gegenüber anderen Völkern und
der Einschränkung der Freiheit von Frauen. Krasser drückt es eine Türkei-Expertin aus,
die nicht namentlich genannt werden möchte: ›Historisch leitet sich das Programm der MHP
von Hitler und dem Nationalsozialismus ab.‹ Folgerichtig sei daher auch Antisemitismus Teil
der Ideologie. Die Bezeichnung ›Kulturfest‹ werde in Deutschland als Deckmantel benutzt
für Propagandaveranstaltungen, die vor allem junge Leute ködern sollen.
Noch heute wird der MHP-Gründer, der 1997 verstorbene Alparslan Türkes, von den Anhängern
verehrt. In der Uhlberhalle hing ein großes Bild von ihm. Ebenfalls deutlich zu sehen ist
auf den Videos, wie Männer und Frauen im Publikum mit abgespreiztem kleinen Finger und
Zeigefinger den Wolfsgruß formen. Auf der Bühne singt Ali Kinik, ein Star in nationalistischen
Kreisen. Eines seiner Stücke heißt übersetzt ›Die professionellen Idealisten.‹«13)
|
Damit war die Geschichte für den deutsch-türkischen Freundschaftsverein Filderstadt noch nicht
ausgestanden. In der Ausgabe vom 23.12.2009 berichtete die Filderstädter Zeitung, dass
die Stadtverwaltung Filderstadt den deutsch-türkischen Freundschaftsverein verwarnt habe.
Der Vorsitzende Özkan Yesilay habe offen eingeräumt, Kontakte zur nationalistisch
eingestuften ADÜTDF zu haben, würde sich aber ebenso offen von integrationsfeindlichen
Ideologien distanzieren. Da sein Eingeständnis und sein Bekenntnis kaum miteinander vereinbar sind,
liegt der Verdacht nahe, dass es sich um reine Lippenbekenntnisse handelt. Dass wird sich wohl auch
die Stadtverwaltung gedacht haben, denn in der Ausgabe der Filder-Zeitung vom 10.02.2010 wird
berichtet, dass der Verein auf Drängen der Stadt einer Grundsatzerklärung über interkulturelle
Leitlinien zugestimmt habe: »Wir bemühen uns um Offenheit, Verständnis und Verständigung,
wir suchen das Gespräch, wir entwickeln gemeinsam Ideen und setzen sie um, wir setzen uns für
Chancengleichheit aller ein. Der Freundschaftsverein befürwortet und unterstützt im Sinne der
Handlungsgrundsätze aktiv die Integrationsbemühungen in Filderstadt und lehnt extrem nationalistische,
rechtsextremistische und antisemitische Tendenzen ab und trägt zur Völkerverständigung bei.«
Skepsis blieb, denn nicht alle Mitglieder des Filderstädter Stadtrates waren davon überzeugt,
dass diese Ehrenerklärung das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben wurde. Zumal Özkan Yesilay
Vorsitzender des Vereins blieb und der Kölner Journalist Ahmet Senyurt zwischenzeitlich aufgedeckt
hatte, was bisher nur vermutet wurde (ebd.): »Der Vorsitzende des Freundschaftsvereins und
Ansprechpartner Filderstadts, Özkan Yesilay, fungiert für die ›Föderation der Türkisch
Demokratisch en Idealistenvereine in Deutschland‹, kurz ›Türkische Föderation‹, als Regionalchef.
Man kennt sie auch als die ›Grauen Wölfe‹.«
Der Fall sorgte als typisches Beispiel dafür, dass islamistisch-nationalistische Organisationen
sich auf lokaler Ebene mit harmlos anmutenden Vereinsnamen tarnen, für bundesweites Aufsehen14).
Ausführlich berichtete der Deutschlandfunk
in der Sendung »Zwischen Schönreden und Wegschauen – Vom
schwierigen Umgang mit islamistischen Vereinen« darüber. Aufgrund der Wachsamkeit der lokalen
Presse hatte sich die Geschichte im Nachhinein zu einem Debakel für die ›Grauen Wölfe‹ entwickelt.
Es irritiert allerdings, dass kein Filderstädter Bürger im Vorfeld etwas über wahren Charakter
der Veranstaltung bemerkt haben will. Da drängen sich einige Fragen auf: Trägt die auf interkulturellen
Dialog bauende Christlich-Islamische Gesellschaft, deren Gründungs- und Ehrenvorsitzender Blume
ist, dazu bei, ein geschöntes Bild von der Integrationsbereitschaft türkisch-stämmiger Migranten zu
vermitteln? Haben die ›Grauen Wölfe‹ vielleicht sogar gezielt Filderstadt als Veranstaltungsort
gewählt, weil dort der Blick auf islamistisch-nationalistische Radikalisierungen durch schwärmerische
Integrationsprojekte und romantische Multikulti-Visionen getrübt ist? Und zu guter Letzt noch eine
ganz persönliche Frage an Sie, Herr Blume: Gehören die vielen Jugendlichen, die auf der rechtsradikalen
Propagandafeier begeistert mit Fingern und Hand den Wolfskopf geformt haben, eigentlich auch zu
der ›jungen islamischen Elite‹, die sie sechs Jahre zuvor in ihrer Magisterarbeit besungen
haben? Ein offenbar ortskundiger Kenner der Szene hat in einem Webkommentar darüber spekuliert, wieso
dem Islamkenner Blume die islamistisch-nationalistischen Ziele des Festes im Vorfeld nicht
aufgefallen sind: »Interessant ist vor alle, daß die damalige Veranstaltung der Grauen Wölfe
wochenlang in Filderstadt durch eine große Plakataktion angekündigt wurde, und niemand nahm davon
Notiz, insbesondere Michael Blume (…), der mit seiner türkischstämmigen Frau dort wohnt, denen
müßte es sicher aufgefallen sein, aber der Wille dazu fehlte wohl von ihm (…)«.
Kommen wir nach diesem Ausflug in die heile Welt des interkulturellen christlich-islamischen Dialogs
und die bedrohliche Parallelwelt islamistisch-nationalistisch gesinnter deutsch-türkischer
Freundschaftsvereine zurück zu Blumes beruflicher Entwicklung. 2003 war für ihn ein
rundum gutes Jahr, denn erst verlieh die Universität Tübingen ihm den Magistergrad, dann erhielt
er eine Anstellung als Islamberater im Staatsministerium und schließlich sicherte seine
Frau (obwohl sie zuvor eine Tochter geboren hatte) ihm zu, ihm nach dem Magisterstudium
auch noch Rücken für ein Promotionsstudium frei zu halten. Originalton Blume im Vorwort
seiner Dissertation: »Dazu gehörte auch das Einverständnis für den Erwerb zahlreicher
Bücher der verschiedensten Disziplinen, die neu oder zu speziell waren, um sie in den
Bibliotheken ausreichend anzutreffen – für ein halbes Familieneinkommen mit Kind keine
Selbstverständlichkeit.« Aber vielleicht eine wissenschaftliche Notwendigkeit, denn Blume
hatte wieder einmal Großes vor. Seine neurotheologischen Studien sollten »der religionswissenschaftlichen
Erforschung und Neugewinnung naturwissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Terrains dienen«.
So kennen wir Blume, der, wenn es um seine Selbsteinschätzung geht, nie um Superlative
verlegen ist. Der Titel seiner Dissertation lautete »Neurotheologie – Chancen und Grenzen
aus Religionswissenschaftler Perspektive«. Dafür verlieh ihm die Universität Tübingen 2005
den akademischen Grad ›Doktor der Philosophie‹.
Da Blume uns in diesem Beitrag weniger als Neurotheologe, denn als ›Weichspüler des Islam‹
interessiert, sehen wir hier einmal davon ab zu prüfen, ob er die im Vorwort angeführten hehren
wissenschaftlichen Ziele erreicht hat. Stattdessen schauen wir uns seine berufliche Karriere an,
denn die machte 2003 im Schlepptau seiner akademischen und vor allem seiner politischen Karriere
im Filderstädter Stadtrat einen bemerkenswerten Sprung. Der baden-württembergische Staatsminister
Christoph Palmer verschaffte Blume als Referent für interkulturellen und
interreligiösen Dialog eine Anstellung in seinem Ministerium. Palmer hatte aber wohl kaum
damit gerechnet, dass diese Personalie schon kurz nach der Amtseinführung zu einem Eklat in der
Landesverwaltung führen würde. Der leitende Mitarbeiter des baden-württembergischen
Verfassungsschutzes Herbert Landolin Müller fand die Stellenbesetzung, nachdem er Blumes
Magisterarbeit unter die Lupe genommen hatte, höchst bedenklich. Der promivierte Islamwissenschaftler
erkannte in Blumes Interviewpartnern »nicht selten die altbekannte ›Kundschaft‹ des
Verfassungsschutzes« und war von ihrer Essenz so schockiert, dass er sie als völlig
unkritischen »Selbsterfahrungstrip in Sachen Religion« bezeichnete. In der überregionalen
Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT
vom 15.08.2003 findet sich ein ausführlicher »Mit Allah in
der Staatskanzlei – Baden-Württemberg: Trotz Experten-Warnung hält Staatsminister Christoph Palmer
an seinem umstrittenen Islamberater Michael Blume fest« übertitelter Bericht15):
»Daß eine echte Männerfreundschaft so manches aushalten kann, wurde in den vergangenen
Wochen in Baden-Württemberg eindrucksvoll belegt. Dort hielt eine CDU-Männerfreundschaft
sogar bislang sicherheitspolitischen Bedenken stand. So holte der baden-württembergische
Staatsminister Christoph Palmer seinen Parteifreund Michael Blume klammheimlich als ›Islam-Berater‹
in die Grundsatzabteilung des Staatsministeriums. Klammheimlich bedeutet in diesem Falle,
daß es Palmer nicht für nötig hielt, die Öffentlichkeit oder gar die eigene Innenbehörde
über diese wichtige personelle Veränderung zu informieren.
Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten meldete ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes,
der promovierte Islamwissenschaftler Herbert Landolin Müller, alsbald Bedenken an. Er habe die
mit Bestnote ausgezeichnete Magisterarbeit des 27jährigen Blume gelesen und sei schockiert
gewesen. ›Das ist keine Wissenschaft, das ist ein Selbsterfahrungstrip in Sachen Religion‹, wird
Müller von in den Medien zitiert. Blume übernehme einfach die Thesen von Islamisten, er blende
die Gefahr, die von ihnen ausgeht, völlig aus und handle selbst ausgewiesene Moslem-Extremisten
›völlig unkritisch‹ ab.
Die Befürchtungen der Islam-Experten des Verfassungsschutzes gehen sogar noch weiter. Die
Gesprächspartner, die Blume für seine Magisterarbeit interviewte, seien nicht selten die
altbekannte ›Kundschaft‹ des Verfassungsschutzes. Bei dem vielgepriesenen ›Dialog‹ werde
einer ›schleichenden Islamisierung‹ der Gesellschaft Vorschub geleistet.«
|
Weiter heißt es in dem Artikel, dass in der Folge nicht Blume suspendiert, sondern
der bis dahin von der Landesregierung vielgelobte Islam-Experte Müller regelrecht
abgewatscht wurde, der immerhin Leiter der »Kompetenzgruppe Islamismus« (KGI) im
Landesamt für Verfassungsschutz sei. In einer gemeinsamen Stellungnahme des Staatsministeriums
und des Landesinnenministeriums würde der Skandal als »abwegig und an den Haaren herbeigezogen«
bezeichnet. Es bestünden keine Zweifel, »daß Blume für sein Tätigkeitsfeld uneingeschränkt geeignet« sei.
Ferner habe das Landesamt für Verfassungsschutz »zu keinem Zeitpunkt Bedenken gegen die Verfassungstreue
von Herrn Blume geltend gemacht«. Der Redakteur der JUNGE FREIHEIT kommentierte: Ein
ungelenker Versuch Blume aus der Schusslinie zu ziehen, denn seine Verfassungstreue
stand »nie zur Debatte – es ging lediglich um Blumes problematisches Verhältnis zu islamischen Extremisten«.
Damit war die Geschichte für Blume noch nicht endgültig ausgestanden, denn sieben Jahre
später entwickelte sich sein unbefangen-positiver Umgang mit umstrittenen islamischen Bewegungen
erneut zu einem Politikum. Am 08.09.2010 berichtete der Überschrift »Islamexperte im Zwielicht«
berichtete die Stuttgarter Zeitung:
»Der Justizminister [Ulrich Goll] antwortete differenziert wie immer, aber am Ende doch eindeutig.
Was er eigentlich von der türkischen Fethullah-Gülen-Bewegung halte, um deren geplante Schulgründung
es in Freiburg gerade einigen Wirbel gebe? Der ›umstrittene Prediger‹ und seine Lehre seien nicht
leicht einzuschätzen, erwiderte Goll bei einem Auftritt als Integrationsbeauftragter der Landesregierung.
Nicht nur in Freiburg, auch sonst werde die Bewegung kritisch hinterfragt - etwa kürzlich bei einem
Treffen kommunaler Ausländerbeauftragter.
Einerseits, so der Minister, sehe er erfreuliche Aspekte, die zu einer gewissen Hoffnung
berechtigten - etwa die klare Absage Gülens an Gewalt. Andererseits verträten Anhänger
von ihm hochproblematische Ansichten, ›nämlich dass man seiner Frau am besten zwischendurch
eine Tracht Prügel verpasst‹, und der ›Guru‹ schreibe auch noch ein Vorwort dazu. Gut oder
schlecht - das müsse man in jedem Einzelfall beurteilen, bilanzierte Goll. Für ihn jedenfalls ›überwiegen,
Stand heute, die bedenklichen Aspekte‹.(…)
[Anders dagegen, der frisch zum Referatsleiter für interkulturellen und interreligiösen
Dialog beförderte Michael Blume, G.M.:] Seit mehreren Jahren profiliert sich der Ministeriale
als Fürsprecher eben jener Gülen-Bewegung, die der Justizminister für überwiegend bedenklich
hält. In Vorträgen, wissenschaftlichen Ausarbeitungen und Internetkommentaren nimmt er den
Prediger und seine Anhänger gegen den Verdacht in Schutz, sie verfolgten unter dem Deckmantel
hehrer Bildungsinitiativen noch andere Ziele. Während Goll sie zwischen ›Traditionalismus,
wo es eher nach Islamismus riecht‹, und de r Moderne verortet, hat sich Blume schon entschieden:
Für ihn überwiegt klar das Gute.(…)
Lässt es der Regierungsmitarbeiter mit Lehraufträgen an mehreren Universitäten an der
nötigen Distanz fehlen? Gegen diesen Verdacht musste sich Blume schon einmal wehren.
Vor sieben Jahren, im Land regierte noch Erwin Teufel, holte ihn dessen Staatsminister
Christoph Palmer als Islamberater in die Staatskanzlei. Das stieß dem Islamexperten des
Landesamts für Verfassungsschutz, Herbert Landolin Müller, sauer auf: In seiner
Magisterarbeit über die ›junge, islamische Elite‹, monierte Müller, übernehme
Blume ›völlig unkritisch‹ Thesen von Islamisten, mit problematischen ›Kunden‹ seiner
Behörde führe der Religionswissenschaftler eine geradezu freundschaftliche Korrespondenz.
Ein ›allzu kühner Wurf‹ sei die Arbeit, sekundierte die Islamexpertin Ursula Spuler-Stegemann.
Zumindest ein Extremist werde darin als ›Prototyp eines Elitemuslims‹ vorgeführt.
Die Diskussion wogte heftig hin und her, Blume fühlte sich missverstanden, Palmer und das
Staatsministerium hielten zu ihm: Sein Vertrag wurde verlängert. Auch diesmal wehrt sich
Blume, der für die StZ nicht zu sprechen war, dem Vernehmen nach gegen den Vorwurf mangelnder
Distanz; er moniere bei der Gülen-Bewegung etwa fehlende Transparenz. Doch auf einschlägigen
Internetseiten wird er gerne als Gewährsmann der Gruppe aufgeführt - nicht nur als Wissenschaftler,
sondern auch als Mitarbeiter der Landesregierung. Das gibt seinen Wortmeldungen doppeltes Gewicht.«
|
Am 03.11.2010, also kaum zwei Monate später, folgte dann in der gleichen Zeitung
ein mit »Gülen-Bewegung – Der Justizminister warnt« übertitelter
Fortsetzungsbericht:
»Die Änderung auf der privaten Homepage von Michael Blume (blume-religionswissenschaft.de) fällt
kaum auf. Neben Geburtsdaten und Familienstand war dort bisher der Arbeitgeber samt aktuellem
Status angegeben: das Staatsministerium Baden-Württemberg, wo der 34-Jährige erst als Referent
und neuerdings als Referatsleiter fungiert - genauer: als Stabsstellenchef der neuen Staatsrätin
für interkulturellen und interreligiösen Dialog. Inzwischen heißt es nur noch knapp ›berufstätig‹,
mehr nicht.
Die Korrektur dürfte die Folge eines zunehmenden Unbehagens darüber sein, wie bei Blume die
Grenzen zwischen dem Hauptjob im Staatsdienst und der wissenschaftlichen Nebenbetätigung
verschwommen sind. Ob er sich (nur) als unabhängiger Forscher äußerte oder (auch) als
Landesbediensteter, blieb oft unklar. In den vergangenen Wochen aber wurde das immer
relevanter, weil die Ansicht des Wissenschaftlers so gar nicht mit der offiziellen Meinung
des Landes übereinstimmte: in der Frage nämlich, wie die islamische Gülen-Bewegung zu
beurteilen sei.
Justizminister Ulrich Goll (FDP) hatte die Debatte über die Anhänger
des ›umstrittenen Predigers‹ Fethullah Gülen mit klaren Worten eröffnet.
Er sehe zwar durchaus positive Aspekte bei der Bewegung, die Deutschland
mit einem Netz von Bildungseinrichtungen überzieht, sagte er als
Integrationsbeauftragter des Kabinetts, aber daneben registriere er
einen ›Traditionalismus, wo es eher nach Islamismus riecht‹. Für ihn,
so Golls Fazit, überwögen ›Stand heute die bedenklichen Aspekte‹. Das
klang ganz anders als das, was Michael Blume landauf, landab als Experte
verkündete. Er avancierte in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten
Fürsprecher der Gülen-Leute - oft mit dem Hinweis auf seine dienstliche
Funktion (die StZ berichtete). ›Staatsministerium Baden-Württemberg‹ stand
hinter seinem Namen wiederholt im Programm, wenn er bei Tagungen das aus
seiner Sicht überwiegend segensreiche Wirken der Muslime würdigte.«
|
Der umstrittene Prediger Fethullah Gülen wurde 1941 in der Türkei als Sohn eines
Dorfimans geboren und ist seit 1999 ein in den USA lebender Medienzar und weltweit erfolgreicher
Unternehmer. Er will den Islam mit der modernen Welt versöhnen, lässt den Koran aber unangetastet.
Millionen Muslime verehren ihn weltweit. Seine Anhänger haben Schulen, Banken, Medienhäuser,
Kliniken, Versicherungen und eine Universität gegründet. Laut SPIEGEL-ONLINE- Artikel
»Der Pate«
vom 06.08.2012 gilt die Gülen-Bewegung nach Einschätzung von US-Diplomaten als
mächtigste islamistische Gruppierung der Türkei: »Sie kontrolliert Handel und Wirtschaft
und hat die politische Szene tief unterwandert.« Die Bewegung habe keine transparente
Organisation, sondern operiere im Verborgenen, wobei Gülen mit seinen Schriften den
Kurs und die Ausrichtung bestimme. Seit die islamisch-konservativen AKP-Regierung des
Ministerpräsidenten Erdogan in 2002 die Parlamentswahlen in der Türkei gewonnen habe,
habe auch dort sein Einfluss wieder zugenommen. Der Ministerpräsident sei zunächst aus
wahltaktischen Gründen eine strategische Partnerschaft mit Gülen eingegangen und
später ein enger Verbündeter von ihm geworden. Ein Blick auf die Entwicklung der Menschenrechte
in der Türkei ist daher nützlich, um sich ein Bild von den wirklichen Zielen dieses Predigers
zu machen. Laut einem Bericht der EU-Kommission aus dem Jahre 2010 gab es unter der
islamisch-konservativen AKP-Regierung des Ministerpräsidenten Erdogan keinerlei
Fortschritte in Bezug auf elementare Grundrechte und die Meinungsfreiheit wurde auch im Hinblick
auf die Religionen eingeschränkt. In der türkischen Provinz ist laut einem Bericht in der
Zeitung DIE WELT vom 20.06.2008 unter der AKP-Administration eine erstickende
muslimische Gesellschafts-Matrix entstanden.
In einer seiner Reden hat Gülen gefordert, in der Türkei ein neues islamisches Zeitalter
zu begründen. In der Praxis sieht das so aus, dass seine Bewegung unter dem Deckmantel eines modernen
Islam liberale Institutionen und emanzipatorische Bewegungen unterwandert oder mittels Repressalien
unterdrückt. Wer in der Türkei gegen Gülens mafiöse Netzwerke, sei er nun Staatsanwalt
oder Journalist, vorgeht, lebt laut zuvor zitierten SPIEGEL-Artikel vom 06.08.2012 gefährlich.
Auch in Deutschland ist daher höchste Wachsamkeit im Umgang mit der Gülen-Bewegung geboten.
Da ist es nicht erstaunlich, dass CDU- und SPD-Landtagsabgeordnete laut Bericht der Stuttgarter Zeitung
vom 03.11.2010 »irritiert dreinschauen« wenn der schwärmerische Blume in einer Publikation
bilanziert: Die Gülen-Bewegung sei ein »Glücksfall« und gehöre ohne Zweifel »zu den global
produktivsten islamischen und interreligiösen Akteuren«. Produktiv ist sie in der Tat,
denn Gülen fordert seine Anhänger auf, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, Ineffizienz
und Faulheit gelten für ihn als unislamisch. Seine Botschaft lautet »Baut Schulen statt
Moscheen. Unser Dschiad ist die Bildung.« Die darf allerdings nicht im Widerspruch zum
Koran stehen oder von ihm wegführen, denn für Gülen sind der Koran und Hadith
sakrosankt, d. h. wahr und absolut. Der wesentliche Unterschied zu anderen erzreaktionären
islamischen Predigern besteht folglich darin, dass er die Gläubigen auffordert, sich die
Welt aktiv anzueignen und nicht in einem fatalistischen »Inschallah« zu verharren.
Auch hierzulande hat die Gülen-Bewegung in fast jeder größeren Stadt Nachhilfezentren
und einige Dutzend Privatschulen eröffnet, die fast ausschließlich von Deutsch-Türken besucht
werden. Zu diesen Bildungseinrichtungen gehören auch sogenannte ›Lichthäuser‹, eine Mischung
aus studentischer Wohngemeinschaft und Koranschule. Sie bieten – selbstverständlich nach Geschlechtern
getrennt –günstigen Wohnraum und dienen der religiösen Unterweisung der muslimischen Bewohner
und der Rekrutierung von Eliten für Gülen-Bewegung. Junge Muslime werden hier zu treuen
Dienern der Bewegung erzogen, die ihr Leben dem Dienst am Islam widmen. Nur wenige Aussteiger
berichten über ihre Zeit in den Lichthäusern und wenn dann aus Angst vor Repressalien
unter falschen Namen. Einer dieser Aussteiger hat für ein Gespräch mit dem SPIEGEL
(vgl. ONLINE-Artikel vom 06.08.2012) den Namen Serkan Öz gewählt:
»Einrichtung und Alltag im Lichthaus, so Öz, glichen eher der Kargheit und
Strenge eines Klosters als der Leichtigkeit einer Studenten-WG. In seinem Haus
wohnten nur Männer, es gab keinen Damenbesuch und auch keinen Alkohol. Ein Vorsteher,
den alle Bewohner ›Agabey‹ (großer Bruder) nannten, bestimmte den Tagesablauf - wann
es Zeit war zu arbeiten, zu beten, zu schlafen. ›Wir wurden wie in einem Gefängnis
bewacht‹, erinnert sich der Aussteiger. Täglich las Öz im Koran und studierte Gülens
Schriften«.
Zum Dienst an der Bewegung gehört selbstverständlich, dass die Bewohner der Lichthäuser
aufgefordert sind, glaubensfeste Muslime zu heiraten und Ungläubige, mit dem Ziel sie zu
missionieren, als Freunde zu gewinnen16). Weshalb Blume die streng
islamisch ausgerichtete Bewegung als »produktiven interreligiösen Akteur« am
Beginn des 21. Jahrhundert bezeichnet, bleibt daher rätselhaft. In der deutschen Öffentlichkeit
ist bisher wenig über die mächtige Gülen-Bewegung bekannt. Dies liegt auch daran,
dass sie zunächst auf Verschleierungstaktik gesetzt und Verbindungen zu Bildungseinrichtungen
geleugnet hat. In den letzten Jahren hat die Gülen-Bewegung ihre Strategie geändert
und betreibt eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit. In 2009 hat das Forum für Interkulturellen Dialog e.V. (FID),
dem Fethullah Gülen als Ehrenvorsitzender vorsteht, zusammen mit der Universität Potsdam
eine große internationale Konferenz zu Gülens Werk und Wirken organisiert.
Zu dem Kongress »Muslime zwischen Tradition und Moderne – Die Gülen-Bewegung als Brücke
zwischen den Kulturen« war auch der Gülen-Fan Blume als Referent eingeladen.
Sein Vortrag lautete: »Die Gülen-Bewegung und die Wissenschaft«. Darin hat er – als
einer der wenigen Referenten – auch kritische Aspekte der Gülen-Bewegung angesprochen.
So bemängelt er, dass sie die Evolutionstheorie als unwissenschaftliche im Widerspruch
zur Wahrheit des Korans stehende Illusion ablehnt.
Ein nachrangiger Makel, denn es gibt erheblich schwerwiegendere gesellschaftliche Konflikte,
die sich aus dem für Gülen unverhandelbaren Offenbarungscharakter des Korans ergeben.
Der hat z. B. unverblümt verkündet, dass der Islam allen anderen Religionen überlegen sei,
Atheismus ein schwerwiegenderes Verbrechen als Mord ist und ein Abfall vom islamischen Glauben
einem Hochverrat gleich kommt. Solche Auffassungen lassen sich kaum mit einem emanzipatorischen
Menschenbild und einem liberal-pluralistischen Gesellschaftsverständnis vereinbaren. Blumes
Fazit seines in einem Tagungsband veröffentlichten Kongress-Vortrages erscheint daher in vielerlei
Hinsicht befremdlich: »Für die Förderung von Menschenrechten, Demokratie, vor allem aber auch
von Bildung, Wissenschaft und des interreligiösen Dialogs sind die Lehren von Fethullah Gülen
und die zivilgesellschaftlichen Initiativen der Gülen-Bewegung ein Glücksfall«.
Dagegen urteilt Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann über die Gülen-Bewegung
alarmierend (vgl. SPIEGEL-ONLINE-Artikel vom 06.08.2012): »Sie ist die wichtigste
und gefährlichste islamistische Bewegung in Deutschland. Sie sind überall.« Auch die bekannte
deutsch-türkische Islamkritikerin Necla Kelek warnt eindringlich (vgl. FAZ-Artikel
»Die Anhänger Fethullah Gülens«
vom 21.07.2008): »Nach außen hin vertritt er [Gülen]
eine Art Islam light, nach innen propagiert er einen machtbewussten islamischen Chauvinismus.«
Sie nennt seine Bewegung eine »Sekte mit Konzernstruktur«. Nicht alle Kritiker urteilen so hart,
aber fast alle sind sich einig, dass es der Gülen-Bewegung an Transparenz ihrer Organisation,
Toleranz gegenüber anderen gesellschaftlichen Strömungen und dem Grundrecht der Religionsfreiheit mangelt.
Blume scheint die zeitweilig massive Kritik an seiner schwärmerischen Einstellung
zur Gülen-Bewegung gelassen ausgesessen zu haben. Die politische Entwicklung in
Baden-Württemberg hat ihm dabei zugearbeitet. Im Mai 2011 wurde die CDU/FDP-Regierung mit
dem Gülen skeptischen Justizminister Ulrich Goll (FDP) durch eine in
weiten Teilen immer noch Multi-Kulti-romantische SPD/Grüne-Koalition abgelöst. Der neue
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigt ebenso wenig Berührungsängste
zur Gülen-Bewegung wie der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir, der
sogar ein ausgewiesener Unterstützer der Bewegung ist. Bleiben für Blume nur noch
zwei Institutionen bzw. Personen, die seine schwärmerische Einstellung zur Gülen-Bewegung
kritisch sehen: Zum einen die Presse und hier vor allem die Stuttgarter Zeitung, deren
Redaktion sich noch gut daran erinnert, dass der Ex- Justizminister erhebliche Vorbehalte gegenüber
der Gülen-Bewegung hatte und immer wieder kritisch Bericht erstattet. Und zum anderen
ausgerechnet die türkischstämmige Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), die
laut StZ-Artikel »Öney meidet Schulen der Gülen-Bewegung« vom 06.03.2013 im
Unterschied zum Kabinett Kretschmann zur Gülen-Bewegung »vorsichtshalber auf
Distanz [geht], ohne das freilich an die große Glocke zu hängen«.
Anmerkungen
1) »›Der Islam ist krank‹ – Der tunesisch-französische Schriftsteller
Abdelwahab Meddeb über die Ursprünge des Fundamentalismus, den Schleier seiner Mutter
und den tieferen Sinn des Satzes: Gott ist tot«. – In:
Frankfurter Rundschau-Online vom 07.02.2002
2) vgl. Aladin El-Mafaalani (2011): »Bildungsaufsteigerinnen aus
benachteiligten Milieus – Habitustransformation und soziale Mobilität bei Einheimischen und
Türkeistämmigen«
3) Dies wird auch durch nichtmuslimische Zuwanderer untermauert, deren
Kinder aus der ersten Generation vielfach schon mit deutschen Schülern um das beste
Abitur konkurrieren. Die gelungene Integration dieser Migranten zeigt einmal, dass die
Probleme in ihrem Kern nicht hausgemacht sind, sondern von den muslimischen Zuwanderern
mitgebracht wurden und konserviert werden.
4) »Generationengerechtigkeit bedeutet, dass die heutige Generation der
nächsten Generation die Möglichkeit gibt, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen
Ausmaß wie die heutige Generation zu erfüllen. Dazu muss sie aber insbesondere alle Merkmale,
die ihr im Leben behilflich waren, an die nächste Generation weitergeben, denn dann dürften
die Nachkommen im Schnitt gleich gut oder sogar besser als ihre Eltern an diejenige Umwelt
angepasst sein, in der Selektion stattfand.« aus: Peter Mersch (2007):
»Hurra, wir werden Unterschicht! – Zur Theorie der gesellschaftlichen Reproduktion.« – Norderstedt
5) Die Beiträge tragen – um einige Beispiele aus der jüngsten Zeit zu nennen – für
einen Wissenschaftsblog eher deplatziert erscheinende Titel, wie »Kennen Sie eigentlich
die Amish Paradise?«, »Warum feiern wir eigentlich - Silvester? – Was bedeuten
die Rituale?« oder »Wie (mich) Facebook gewann - durch meine Frau, Charles Darwin
und Herder«. Mancher Leser, der an einem fundierten Wissenstransfer interessiert ist,
wird wohl spontan antworten: ›Kenne ich nicht, weiß ich nicht und brauche ich nicht!‹
Im Fall der ersten beiden zuvor angeführten Titel wirbt Blume ganz unverblümt für
zwei seiner neuen EBooks, die im sciebooks-Verlag seiner Frau erschienen sind.
Die EBooks sollen nach eigener Darstellung die »wunderbare Chance [bieten], Wissen für
Interessierte schnell und kostengünstig verfügbar zu machen«. Regelmäßig hinterlassen
Besuche auf Blumes Blog den faden Beigeschmack an einer populärwissenschaftlichen
Kaffeefahrt teilzunehmen genommen, auf der aufdringlich die Vorzüge von Publikationen angepriesen
werden, die bisher niemand vermisst hat.
6) Blumes Hang zur Selbstbewerbung erscheint umso deplatzierter als der
Blogbetreiber, die Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft, bereits für viele seiner
Werke auf jeder von Blumes SciLogs-Webseiten in der Rubrik Science-Shop.de
wirbt. Ich überlasse es dem Leser, ob er Blumes Hang immer wieder neue Anlässe oder
Vorwände zu bemühen, um seine Werke zu bewerben, spitzfindig, dreist, oder schamlos bewertet.
7) Blume will in seinem Werk »Evolution und Gottesfrage – Charles Darwin
als Theologe« nach über 150 Jahren Darwin-Rezeption einen bisher unbekannten, also
den »echten-historischen Darwin« erkannt haben. Der habe sein »empirisches
Handwerkszeug [nicht auf der Beagle, sondern] bei den Theologen der Uni Cambridge gelernt«.
Eine absurde These. David Quammen (2008) schreibt in seiner Darwin-Biographie: »Und
so war Charles schlicht nach Cambridge geflüchtet, um dort etwas Nüchternes, weniger
Grausiges [als Medizin] zu studieren. Dort am Christ's College, hatte er eine Ordination
als Geistlicher angestrebt, und zwar nicht, weil er sich irgendwie berufen gefühlt
hätte (er war kein frommer Mensch) oder wegen irgendeiner kirchlichen Bindung (seine Mutter
stammte aus einer Familie von Unitariern, und sein Vater wie auch der alte Onkel Erasmus
waren Freidenker gewesen), sondern weil dies das kleinere Übel war und es ihm ermöglichen
würde, sich nach dem Vorbild Gilbert Whites in einer ehrbaren Nische als naturforschender
Pastor einzurichten. Doch dann war die Reise der Beagle dazwischengekommen.« Darwin mag die
Beagle als bibelgläubiger Theist oder Zweifler betreten haben, aber er hat sie als
ausgebildeter Biologe, der an seinem Glauben zweifelte oder ihn verlor, verlassen.
8) vgl. Hamed, Abdel-Samed (2010): »Der Untergang der islamischen Welt – Eine Prognose«. – München
9) Die in diesem Abschnitt enthaltenen, zum Teil recht persönlichen Daten stammen
vor allem aus dem autobiographischen Essay
»Heimat & Identität – knappe Güter unserer Zeit«
den Blume 2001 im Rahmen eines vom Bundesinnenministerium ausgelobten
Studenten-Wettbewerbes zur Integration von Ausländern in Deutschland geschrieben
hat.
10) Nach dem Koran, der nicht wie die Bibel als menschengemacht, sondern
als »letzte Offenbarung Allahs« gilt, kann es bekanntlich nur eine wahre Religion
den Islam geben. Und alle, die das nicht glauben, sind schlimmer als das Vieh. Kein
Wunder, dass Blume Lessings Ringparabel (die besagt, dass alle
monotheistischen Religionen gleichwertig sind) bemüht, um zu erklären, dass ihn
einerseits gläubige Muslime – wie er immer wieder anekdotisch betont – zur Religion
geführt haben, er sich aber andererseits für eine christlich-monotheistische Religion
entschieden hat. Also eine weltoffene Religion, die im Unterschied zum Islam in der
Moderne angekommen ist, ihn aber aus Sicht strenggläubiger Muslime weiterhin als verachtenswerten
Ungläubigen dastehen lässt. Daran ändert auch die zwischenzeitlich verstaubte Ringparabel nichts.
11) Die Gebetsformel »Beim Namen Gottes [=Allahs], des Allbarmherzigen« ist eine
Kurz- oder abgewandelte Form des Basmala genannten Eröffnungsverses »Im Namen Gottes,
des Erbarmers, des Barmherzigen« des Korans. Er steht mit einer Ausnahme am Anfang jeder der
insgesamt 114 Koran-Suren. Seine Verwendung durch Blume als Geleitwort ist nicht nur ein
anschauliches Beispiel für die Überstilisierung seiner Werke oder seine Überanpassung an den Islam,
sondern dokumentiert auch seinen blauäugigen Umgang mit dem islamischen Fundamentalismus.
Die Basmala betont zwar die Barmherzigkeit Allahs, steht aber auch für den
Alleinvertretungsanspruch des Islam, der sich in der Einteilung der Welt in Recht- und Ungläubige
niederschlägt. Vermutlich wird er deshalb manchen muslimisch motivierten Selbstmordattentäter als
letzte Worte über die Lippen gegangen sein, wenn er im Namen Allahs, des Erbarmers und
Allbarmherzigen Ungläubige in die Luft gejagt hat.
12) Schon einer Moscheegemeinde vorzuschreiben, dass sie dieses oder jenes Dialog- und
Integrationsprojekt zu vollziehen habe, hält er daher »für einen kontraproduktiven Vorstoß
gegen die Religionsfreiheit«. »Klug und vernünftig« sei es dagegen, jene Moscheegemeinde,
»die aus eigener Initiative hier jedoch vorbildlich tätig würde, dann auch zu loben und ggf. auszuzeichnen«.
13) Entsprechende kurzzeitig im Internet kursierende Videos von der Veranstaltung in Filderstadt
wurden von den verantwortlichen Funktionären zwischenzeitlich gelöscht. Um sich einen Eindruck vom ultrarechten
Wolfsgruß zu machen, habe ich hier
einen Link auf ein Video einer Veranstaltung der ›Grauen Wölfe‹ in der Reutlinger Christuskirche (!) eingestellt.
14) In Baden-Württemberg sind laut Innenministerium rund 100 türkische (Moschee-)Vereine
den sogenannten ›Grauen Wölfen‹ (ADÜTDF), ein Sammelbecken extrem nationalistischer
Personen mit türkischem Migrationshintergrund, zuzurechnen. Allein 10 dieser Vereine tragen den
Namen ›Türkisch-Deutscher Kultur- oder Freundschaftverein‹ im Namen. – vgl. »Extremistische
Bestrebungen in Moscheevereinen«, Landtags-Drucksache 15/362 vom 27.07.2011
15) Nach einem Urteil Bundesverfassungsgerichtes (2005) ist es eine unzulässige
Einschränkung der Pressfreiheit, die Junge Freiheit als rechtsextrem in den Bericht
des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes aufzunehmen. Ihr Begründer und
Chefredakteur Dieter Stein bezeichnet sie als ›liberal-konservatives‹ Medium.
16) »Gülen erteilt in seinen Schriften dafür Ratschläge: Die Schüler sollen die
Ungläubigen als Freunde gewinnen, sich notfalls verstellen. ›Mit der Geduld einer Spinne legen
wir unser Netz, bis sich Menschen darin verfangen.‹« – In:
SPIEGEL-ONLINE vom 06.08.2012
G.M., 07.04.13