Im Editorial der Zeitschrift »Laborjournal« 10/2009 war anlässlich der Eröffnung eines eigenen Wissenschaftsblogs zu
lesen: »Deutschland ist da momentan noch ein wenig anders. Die Wissenschaftsblogs haben gerade erst begonnen, schwach
zu pulsieren. Und dennoch macht bereits ein Vorurteil die Runde: In den USA oder Großbritannien schreiben
Wissenschaftler Wissenschaftsblogs, in Deutschland tun dies vorwiegend Wissenschaftsjournalisten.« Diesem Vorurteil
versuchen auf Scienceblogs, der größten deutschen Diskussionsplattform für bloggende Forscher und Wissenschaftsjournalisten,
einige aufstrebende Nachwuchswissenschaftler entgegenzuarbeiten. In vorderster Front hat sich die Diplom-Physikerin
Ludmila Carone mit ihrem Blog »Hinterm Mond gleich links« positioniert. Laut Wissenschafts-Café brilliert sie durch
ihre »scharfe Argumentation«, ihre »Diskussionsfreudigkeit« und ihre »flammenden Plädoyers für die Wissenschaft«. Sie gilt
als »Aushängeschild« für die wissenschaftliche Blogszene: »Es gibt Wissenschaftsblogger, die sich ausschließlich zum Kernbereich
ihrer wissenschaftlichen Expertise äußern und andere, für die kaum ein Thema zwischen Himmel und Erde nicht Anlaß für einen
Kommentar ist. Es gibt die Lautsprecher und die Bedächtigen…Und es gibt Ludmila Carone!« Im Unterschied zu ihrem exponierten
Status als Bloggerin backt sie im Wissenschaftsbetrieb eher kleine Brötchen. Carone arbeitet als wissenschaftliche Angestellte
in der Abteilung Planetenforschung des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität Köln und promoviert seit
ca. fünf Jahren über die Gezeitenwechselwirkung bei extrasolaren Planeten. Damit ist sie allerdings nur unvollständig beschrieben,
denn sie ist eine Wissenschaftskriegerin, die ihr Leben dem Kampf für die Wissenschaft gewidmet hat. Kein Wunder, dass sich ihre
Blog-Beschreibung wie ein Bekenntnis ihres innigen Glaubens an die Wissenschaft liest:
»Ich halte mich selbst für einen Wissenschaftler aus Leidenschaft und für einen Humanisten und Skeptiker. Ich schreibe für die
Aufklärung und Wissenschaft und wider die Unvernunft. Weil ich den Graben zwischen ›Normalsterblichen‹ und Wissenschaftlern
überbrücken möchte. Weil es mir Spaß macht, Wissen zu vermitteln. Weil ich der Ansicht bin, dass Wissenschaft nicht nur dazu da
ist, um schöne neue Technologien zu entwickeln, sondern auch um den geistigen Horizont zu erweitern. Weil ich finde, dass Wissenschaftler
sich nicht scheuen sollten, zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und der Anwendung von Wissenschaft und Technik insbesondere
Stellung zu beziehen und weil ich glaube, dass diese Beiträge wertvoll und wichtig sind. Weil hinter der Wissenschaft das Ideal der
Aufklärung steht, vernünftig und kritisch die Welt um uns herum zu begreifen und sein Weltbild z.B. nicht darauf zu beschränken, was
andere Leute einem erzählen. Ich halte dies für einen wichtigen Grundpfeiler der westlichen Kultur. Weil aber genau diese Sichtweise immer
wieder von verschiedenen Seiten angegriffen wird. Sei es durch Fundamentalisten, Esoteriker, Extremisten oder sonstige Elemente, die sich
das Prinzip der Unvernunft auf die Fahne geschrieben haben und sich nicht scheuen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ihre Thesen zu
verbreiten, obwohl diese keiner kritischen Analyse standhalten. Ja, manche gehen sogar soweit ein verzerrtes Bild der Wissenschaft zu
propagieren. Weil Wissenschaftler immer wieder wegen ihrer Arbeit angegriffen werden, wenn ihre Aussagen unbequem sind oder sie das
Verständnis der Menschen scheinbar überfordern oder sie den Dogmen religiöser Gruppen widersprechen.«
Um diesem freimütigen Bekenntnis des wissenschaftlichen Aberglaubens das i-Tüpfelchen aufzusetzen, fehlt am Ende nur noch das
Wörtchen »Amen«. Carone ist wahrlich ein Fels, auf dem die Wissenschaft ihre Kirche bauen kann. Wissenschaftler sind für sie hohe
Priester, die ›Normalsterblichen‹ nicht nur in forschungsrelevanten Fragen, sondern ganz allgemein bei der Interpretation und
Bewältigung der Welt überlegen sind. Sie ermutigt daher ihre Standeskollegen, ihrem Beispiel zu folgen und auch zu »aktuellen
gesellschaftlichen Entwicklungen« Stellung zu beziehen. Aber ist die Stimme der Wissenschaftler wirklich gewichtiger oder
gehaltvoller als die anderer sozialer Gruppen? Ganz sicher nicht! Denn was qualifiziert z. B. eine Physikerin wie Carone, die
ihre Diplomarbeit über Hochenergiephysik geschrieben hat und über extrasolare Planeten promoviert, besonders »wertvolle und
wichtige Beiträge« zu gesellschaftlichen Problemlagen abzugeben? Ihre hochspeziellen Forschungsgebiete tun dies sicherlich nicht,
sondern wenn überhaupt ihr gesunder Menschenverstand, an dem aber angesichts ihrer Wissenschaftsgläubigkeit Zweifel bestehen.
Im übrigen wird sie genau das tun, was sie Nichtwissenschaftlern vorwirft und sich aus dem, was »andere Leute einem erzählen«,
ihre Meinung bilden. Nur mit dem Unterschied, dass wohl jeder Laie zu einem ausgewogeneren Urteil findet. Carone, die als
Wissenschaftlerin beansprucht, per se einen »vernünftigen und kritischen« Zugang zur »Welt um uns herum« zu haben und läuft
dagegen Gefahr, nur ihren eigenen Klischees aufzusitzen. Oder um es deutlicher zu formulieren, wenn sie nicht gerade über Physik,
sondern über Gott und die Welt oder die Kultur und die Gesellschaft philosophiert, verbreitet sie Bullshit, d. h. sie quatscht mit
dem vermeintlichen Rückenwind ihrer naturwissenschaftlichen Ausbildung und um ihrer extremen Selbstbehauptung willen dummes Zeug
über Dinge, von denen sie nix versteht.
Carone, die sich selbst als »Hardcore-Realistin« bezeichnet, kennt keinen Zweifel. Daher ist sie weder fähig noch willens, ihren
wissenschaftlichen Aberglauben zu reflektieren. In ihrem Blog verschließt sie sich einem tieferem Wissenschaftsverständnis, indem
sie alle, die daran zweifeln, dass die wissenschaftlich rationale Vernunft das Maß aller Dinge ist oder sich überhaupt nicht dafür
begeistern können, von ihr »aufgeklärt« zu werden, zu Ignoranten oder Feinden der Wissenschaft erklärt. Vor allem Letztere sind für
sie ganz widerwärtige »Fundamentalisten, Esoteriker, Extremisten oder sonstige Elemente«, die nach dem »Prinzip der Unvernunft« agieren
und unter dem »Deckmantel der Meinungsfreiheit« »ein verzerrtes Bild der Wissenschaft propagieren«. In die unangenehm kriminell
konnotierende Kategorie »sonstige Elemente« fallen dabei auch Nestbeschmutzer aus den eigenen Reihen. Das sind Leute, die ein
differenziertes Bild von Wissenschaft vermitteln, das weniger an der realen Außenwelt festgezurrt ist, als an den realen Handlungen
von Menschen, die Wissenschaft betreiben. Als einem solchem Wissenschaftler erlaubt wurde, auf Scienceblogs zu bloggen, legte sie
ihr ganzes Gewicht in die Schale, um ihn wieder heraus zu mobben. Was war geschehen?: Der Naturwissenschaftler, Philosoph und
Softwareunternehmer Jörg Friedrich hatte sich in einem provokanten Einstiegsbeitrag »Wann ist Wissenschaft?« darüber Gedanken gemacht,
ob die Wissenschaftler nicht (vergleichbar dem Verhältnis von Künstlern und Museen) eine Öffentlichkeit außerhalb ihres Schaffensbetriebes
benötigen, die entscheidet, was Wissenschaft ist und was nicht. Eine durchaus berechtigte Frage, denn entgegen landläufigen Vorstellungen
gibt es keine allgemeingültige Demarkationslinie zwischen Wissenschaft und sogenannter Pseudowissenschaft, sondern ob etwas Wissenschaft
ist, kann nur im Nachhinein, also aus der historischen Perspektive beurteilt werden.
Dagegen ist für Carone, die an die Existenz einer klar definierten, universellen wissenschaftlichen Methode glaubt, der
Begriff »Pseudowissenschaft« ein ganz wichtiger Kampfbegriff. Sie benötigt ihn, um sich von unliebsamen Gegnern außerhalb des
etablierten Wissenschaftsbetriebes abzugrenzen. Mit Friedrichs Idee, dass eine außerwissenschaftliche Öffentlichkeit über
innerwissenschaftliche Fragen mitentscheiden soll, war für sie die Schmerzgrenze weit überschritten. Wissenschaft hat sich
für sie an der Realität und nicht am Urteil einer aus ihrer Sicht inkompetenten außerwissenschaftlichen Öffentlichkeit zu bewähren.
Und was real ist, hat natürlich nicht die Öffentlichkeit, sondern allein die Wissenschaft zu entscheiden. Damit der Leser sich ein
Bild von ihrer eingeübten Empörung und ihrem aufgeblasenen Umgangston machen kann, zitiere ich etwas ausführlicher aus ihrem ersten
Kommentar zu Friedrichs zuvor angeführten Einstiegsbeitrag: »Herr Friedrich. Das ist also Ihr erster Text hier? Sie reihen
Behauptungen an Behauptung - natürlich ohne Belege. Und besonders neu sind die auch nicht. Sie fassen nur mal eben das zusammen, was
vorgebliche Wissenschaftskritiker an Geschützen gegen die Wissenschaft auffahren. Wobei ganz klar erkennbar ist, was deren Motivation
ist. Ihnen gefallen die Ergebnisse der Wissenschaft nicht und oft möchten sie sogar ihre eigene Doktrin anstelle von objektiven
überprüfbaren und immer wieder kritischer Untersuchung unterzogenen und sich wunderbar bewährenden Prozessen setzen. (...) Es gibt
nämlich ziemlich genau definierte Regeln, wie man wissenschaftlich diskutiert: a) Beleg Deinen Scheiß, b) Begründ Deinen Scheiß und
zwar vernünftig (...) Sonst geht es Ihnen aber gut, ja? Ich soll also mal eben akzeptieren, dass Sie und andere, das Recht für sich
in Anspruch nehmen über uns zu diskutieren und vermutlich auch über uns zu richten. Aber mitsprechen dürfen wir dabei nicht? (...)
Herr Friedrich, ich prophezeie Ihnen eins: Sie werden vor allem Zulauf von folgenden Leuten haben werden: AIDS-Leugner, Kreationisten,
Klimawandelleugnern, Relativitätsleugnern, Esoterikern, usw. usf. Das war jedenfalls mein letzter Besuch hier. Es ist nicht nur so
schlimm, wie ich befürchtet habe, es ist schlimmer.«
Carones aufgeregte Beschimpfungen liefen in mehrfacher Hinsicht ins Leere1). Erstens war es noch lange nicht ihr letzter Besuch auf
Friedrichs Artefakten-Blog und schon gar nicht ihre letzte Auseinandersetzung mit ihm. Und Zweitens war es wirklich »schlimm«, als
sie sich selber in einem Beitrag an der Frage »Was ist Wissenschaft?« versucht hatte. Sie wollte darin das Vorurteil aus der Welt
schaffen, »dass Wissenschaft ein Glaubenssystem« sei und zeigen »wie Wissenschaft ganz grundsätzlich funktioniert«. Das forsche Vorhaben
endete in einem Debakel, denn im Verlauf der Diskussion musste sie einräumen, dass sie sich noch nie ernsthaft mit Wissenschaftstheorie
beschäftigt hatte: »Ich kann weder zu Kuhn, noch zu Popper noch zu Fleck was sagen, weil ich bis vor kurzem noch nie davon gehört habe.
Ist das jetzt eine peinliche Bildungslücke? Ich fürchte schon.« Ihre Einsicht in die eigene Ahnungslosigkeit ist allerdings reine Koketterie,
denn sie verschanzte sich hinter der Behauptung, dass ihr eine derartige Diskussion unter Wissenschaftlern noch nie untergekommen sei und
behaarte auf ihren hanebüchenen Kriterien für echte Wissenschaft. Und die lauten: »Es darf keinen Widerspruch mit der Realität geben«, »auf
die Expertenmeinung vertrauen«, »streng mathematisch vorgehen« und »die richtigen Experimente machen« und »kritisch rational arbeiten«. Für
ähnliche, allerdings viel weniger dümmliche Allgemeinplätze hatte der scharfsinnige Wissenschaftsphilosoph Paul Feyerabend einmal gezeigt,
dass nach solchen Kriterien auch jeder erfolgreiche Tresorknacker ein erfolgreicher Wissenschaftler sei. Und so bemerkte ein Leser von
Carones Beitrag sichtlich irritiert: »(...) ich weiß nicht recht, ob ich ihren Mut oder Vorwitz bewundern soll, ›Wissenschaftstheorie‹ als
Tag hinzuzufügen. Man kann allerdings auf die Dauer nicht Wissenschaft betreiben, ohne sich ernsthaft mit Wissenschaftstheorie (...) zu
beschäftigen, ohne also seine eigene Tätigkeit einigermaßen zu reflektieren.« Aufgrund ihrer unverschämt-harschen Attacken gegen den
wissenschaftstheoretisch versierten Philosophen Friedrich könnte man pointierter auch so formulieren: Dumm und auch noch dreist, das haben wir gerne!
Nehmen wir einige von Carones Allgemeinplätzen einmal näher unter die Lupe. Beginnen wir mit dem Kriterium »Experten zu vertrauen«. Darüber
hatte sie in einem anderen Blogbeitrag mit dem Titel »Wenn Journalisten falsche Experten erschaffen« schon ausführlicher
berichtet: »Medien fallen anscheinend gerne auf falsche Experten herein. Hauptsache sie erzählen spannende Geschichten.
Ob es dann auch wahr ist? Wen interessiert das noch? Richtig schlimm wird es, wenn Journalisten Leute zu Experten überhöhen,
die bei näherem Hinsehen einiges an Renommee verlieren.« Als Beispiel führte sie zwei vermeintliche Experten an, die von
einem Journalisten, der dem Alarmismus der Klimaerwärmungslobby kritisch gegenübersteht, als Gewährsleute dafür zitiert
wurden, dass die Häufigkeit und Intensität von Hurrikanen in den letzten 150 Jahren nicht zugenommen hat. Sie recherchiert
allerdings nicht selber, sondern polemisiert im Fahrwasser eines Blogbeitrages des ambitionierten Klimatologen
Stefan Rahmstorf: »Das soll jetzt ausreichen um Hurrikan-Experte zu werden? Hat der überhaupt mal einen Hurrikan aus
der Nähe gesehen?«2) Das »nähere Hinsehen« überlässt sie den Kommentatoren ihres Beitrags. Die legen zur ihrer Verblüffung
reichlich Belege dafür vor, dass es sich bei den vermeintlich falschen sehr wohl um richtige Experten handelt. Carone streicht
daraufhin fast alle inhaltlich relevanten Passagen ihres Beitrags durch und ergänzt sie durch Richtigstellungen, in denen sie
die von ihr voreilig diskreditierten Experten rehabilitiert. Allerdings versäumt sie den Titel ihres Beitrags anzupassen, der
jetzt treffender lauten müsste: »Wenn Wissenschaftler richtige Experten niedermachen«. Immerhin räumt sie ein: »(...), ich bin
ja auf dem Gebiet auch ›nur‹ Laie und wenn mein Debakel eins gezeigt hat, dann vor allem das: Zu bestimmen wer Experte ist und
wer nicht, das ist heikel«. Mit anderen Worten: Wenn überhaupt, kann nur ein Experte einen Experten erkennen, womit sich das
Kriterium als Argument in den Schwanz beißt. Carone tröstet sich damit, dass sie zum richtigen Thema (vermeintliche) »Experten
in den Medien« einfach »den falschen Aufhänger genommen« hat. Da kann man mit Blick auf ihre anderen Fehleinschätzungen nur
hinzufügen: So ein wiederholtes Pech aber auch!
Ein weiteres Kriterium lautet, »es darf keinen Widerspruch mit der Realität geben«, was ja soviel heißt wie, ›immer schön
mit der Wirklichkeit übereinstimmen...«. Da möchte man stoßseufzend hinzufügen: »O, sancta simplicitas!«, denn es gibt bekanntlich
nicht nur die Wirklichkeit, sondern eine Fülle unterschiedlichster Wirklichkeiten. Und diese Wirklichkeiten liegen nicht wie
Ostereier im Nest herum, sondern sind immer konstruiert. Nach Feyerabend sind nicht die wissenschaftlich konstruierten Wirklichkeiten
die Wirklichkeiten, die letztlich zählen, sondern die Wirklichkeiten, die die Leute für die Wirklichkeit halten, also die Alltagswelt.
An der nimmt z. B. die Planetologin Carone teil, wenn sie bei einem Discounter einkauft, um ihren Kühlschrank aufzufüllen. Wenn sie
über extrasolare Planeten forscht, beschäftigt sie sich allerdings mit einer Wirklichkeit, die nicht nur weit weniger real und wichtig
als die Alltagswelt, sondern auch als fast alle anderen wissenschaftlichen Wirklichkeiten ist. Die Erforschung von Exo-Planeten ist
eine höchst zufällige, hochsubventionierte wissenschaftliche Sonderwirklichkeit, die abgesehen davon, dass sie die Neugierde von
einigen Leuten befriedigt, auch zukünftig wenig technologischen oder gesellschaftlichen Nutzen verspricht. Für die wirkliche Wirklichkeit
außerhalb der Wissenschaft ist sie in etwa so bedeutend wie die Erforschung von Geistererscheinungen oder Klopfzeichen aus dem Jenseits.
Ja, man kann sogar sagen, dass es sich bei Carones Exo-Planeten um eine wissenschaftliche Spielzeugwelt handelt, die weit irrealer
als z. B. die Welt eines Gläubigen ist, der an den lieben Gott glaubt. Denn, während es in 100 Jahren mit Sicherheit noch Leute gibt,
die wie schon ihre Urahnen an Gott glauben, sind nach dieser Zeit die Theorien und Erkenntnisse der erst wenige Jahrzehnte alten und
noch mit vielen Kinderkrankheiten behafteten Exo-Planetenforschung schon längst überholt und zu einem großen Teil im Mülleimer der
Geschichte verschwunden.
Schauen wir uns einmal näher an, wie diese sonderbare wissenschaftliche Spielzeugwelt erzeugt und als Wirklichkeit vermarktet
wird? Carone arbeitet in einem Team, das mit der sogenannten Transitmethode nach extrasolaren Planeten sucht. Dabei werden aus
periodischen Helligkeitsschwankungen von Sternen, Wirklichkeiten herausgekitzelt, die nach Ausfilterung von Störsignalen im
günstigsten Fall als Exo-Planeten klassifiziert werden können. Die Helligkeitsveränderungen werden mittels Teleskopen gemessen,
die auf der Erde oder im Weltraum stationiert sind. Die Daten, die Carone auswertet, stammen von dem Weltraumteleskop CoRoT.
Hinter CoRoT (»Convection Rotation and planetary Transits«) verbirgt sich eine 170-Millionen Euro teure Satellitenmission der
französischen Raumfahrtagentur unter Beteiligung Deutschlands und weiterer Länder. CoRoT umkreist seit Ende 2006 die Erde und
soll bis 2010 nach erdähnlichen Planeten außerhalb des Sonnensystems fahnden, wobei »erdähnlich« sich nicht auf die Bewohnbarkeit,
sondern auf die Größe und Masse eines Planeten bezieht.3) Bisher sind 7 Exo-Planeten (davon 2 erdähnlich) und ein schwer
klassifizierbares planeten- oder sternenähnliches Objekt identifiziert worden. Gemessen an der vor dem Start der Mission
erwarteten Häufigkeit, ist die Ausbeute bisher als eher mager zu bezeichnen. Von den verschiedenen Teams, die nach Exo-Planeten
forschen, sind inzwischen über 400 Planeten-Kandidaten identifiziert worden. Kein Wunder, dass das öffentliche Interesse an dieser
wissenschaftlichen Spielzeugwelt nachlässt. Das spiegelt sich auch darin wider, dass die Entdeckung von neuen Exo-Planeten inzwischen
gleich Dutzendweise bekannt gegeben wird. Um das Interesse an der Exo-Planetenforschung zu fördern und ihre Ergebnisse dinglich
existenter (»realer«) erscheinen zu lassen, werden in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen statt der abstrakten Helligkeitskurven
fast durchweg farbenfrohe künstlerische Darstellungen der konstruierten Planeten abgebildet. Tatsächlich ist, gerade wenn sie einige
hundert oder tausend Lichtjahre entfernt und sehr nahe an ihrem Muttergestirn aufgespürt wurden, aber nicht einmal sicher, ob sie zum
Zeitpunkt ihrer Entdeckung überhaupt noch existieren.
Abstrakte Lichtkurve und künstlerische Darstellung des (Höllen-)Planeten CoRoT-7-b
Carones wichtigstes Kriterium für (echte) Wissenschaft lautet »kritisch rational arbeiten«. Dieses Kriterium leitet sie aus ihrer
persönlichen Erfahrung in Ausbildung und Beruf ab und betont, dass sie auch in ihrem »Privatleben wunderbar damit fahre«... Sie
wirft es gerne in den Ring, wenn in wissenschaftsphilosophischen Diskussionen deutlich wird, dass sie nicht die geringste Ahnung
von Wissenschaftstheorie hat: »Ich kann daher nur sagen, dass sowohl im Laufe unseres Studiums als auch im Rahmen
unserer [wissenschaftlichen] Arbeit nur kritisch rational gearbeitet wird.« Den Begriff »kritisch« verwendet Carone in trivialer
Weise, denn kritisch ist sie nicht ihrer eigenen Forschung oder gar sich selbst, sondern nur Andersdenkenden gegenüber. Z. B.
gegenüber Sven Türpe, der es auf ihrem Blog gewagt hatte, sie auf ihr verklärtes Bild von Wissenschaft und ihren Mangel an
Selbstreflexion aufmerksam zu machen: »Und Sie sitzen beharrlich einem Irrtum auf. Wissenschaft zeichnet sich nicht primär
dadurch aus, dass sie von versierten und erfahrenen Experten ausgeführt wird, sondern durch ihren Umgang mit Beobachtungen, mit
Interpretationen und mit menschlichen Schwächen beim Beobachten und Interpretieren. Einen Umgang, den Sie hier bisher kaum gezeigt
haben, denn sie erlauben sich die wichtigste Tugend des Wissenschaftlers nicht: den Zweifel.« Für Carone war damit die Grenze des
Erträglichen überschritten: »Ist eigentlich jemandem die Rhetorik von Herrn Türpe aufgefallen? Tue und denke (!), was ich Dir sage
und Du wirst gerettet werden (...) tue es nicht und Du wirst verdammt sein. (...) Herr Türpe wird hiermit erneut gesperrt und er
bleibt gesperrt. Es kommen keine neuen Argumente und (...) ich denke niemand hier findet seine Argumente und seine Rhetorik
konstruktiv.« Als ein anderer Kommentator sie mit der Bemerkung »mit der zweiten Aussperraktion gegen Herrn Türpe versuchen Sie
erneut, symbolisch die Tür zu einem tieferen, kritischeren Wissenschaftsverständnis und einer realistischeren Selbsteinschätzung
als Wissenschaftlerin zu schließen« zur Einsicht bewegen wollte, verschanzte Carone sich hinter ihrer Autorität als
Blogherrin: »Das ist immer noch mein Blog und damit habe ich hier das Hausrecht, Kommentatoren auszusperren, wenn ich das Gefühl
habe, dass eine weitere Diskussion nichts bringt.«
Kommen wir nun zu der Frage, was Carone meint, wenn sie behauptet, dass Wissenschaft »rational« funktioniere. In einem Kommentar
auf Friedrichs Arte-Fakten-Blog stellt sie über den Fortschritt in der Wissenschaft fest: »Alles baut aufeinander auf. Es ist eher
eine Pyramide. Aber kein Flickenteppich.« In ihrem bereits erwähnten Beitrag »Was ist Wissenschaft?« führt sie aus: »Wissenschaft
ist niemals die Exklusiv-Veranstaltung eines einzelnen Genies, es sind immer Gemeinschaftsveranstaltungen. Einsteins Theorien hätten
sich nicht durchgesetzt, wenn nicht bis zum heutigen Tag andere Wissenschaftler die Vorhersagen seiner Relativitätstheorien immer
und immer wieder überprüft hätten. Das soll Einsteins Verdienst nicht schmälern, viel früher als der Rest der Menschheit auf den
richtigen Trichter gekommen zu sein, dass Zeit und Raum anders funktionieren, als wir uns das so vorstellen. Genies starten sozusagen
den Turbo in der Wissenschaft, vorwärts kommen tun wir aber auch ohne sie - es dauert nur eben länger.« Carone ist davon überzeugt,
dass Wissenschaftler durchgängig mit rationalen Kriterien arbeiten und nur Genies den Eindruck erwecken, dass es in den Wissenschaften
sprunghaft und nicht schrittweise voran geht. Das ist natürlich purer Blödsinn, denn es ist eine Binsenweisheit, dass jeder bedeutenden
Entdeckung ein Bruch mit den bisherigen Konzepten vorausgeht. Das war bei Newtons Gravitationstheorie nicht anders als bei Einsteins
Relativitätstheorie oder auch Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie. Was Carone da über den Fortschritt in der Wissenschaft als
stetige Akkumulation immer besserer Einsichten vorschwebt, das ist höchstens so etwas wie der normalwissenschaftliche Alltag von
Subalternen oder Dogmengläubigen, also günstigstenfalls eine Beschreibung ihrer Wirklichkeit als wissenschaftliche Angestellte. Große
Erfindungen und Entdeckungen beruhen wie Feyerabend einmal formulierte nicht darauf, dass man sich an die Vernunft (also an die
vorhandenen Theorien) gehalten hat, sondern weil man vernünftig genug war, unvernünftig vorzugehen. Er wollte damit übrigens nicht – wie
ihm immer wieder vorgeworfen wurde – die erstaunliche Erkenntniskraft der Naturwissenschaften schmälern (an der angesichts der
technologischen Erfolge kein Zweifel besteht), sondern der fürchterlichen Tyrannei der Objektivität, die für menschliche Kreativität
und Vielfalt kaum mehr Platz lässt, Einhalt gebieten. Und damit meinte er ganz sicher auch die von Carone so vehement verfochtene ebenso
eindimensionale wie einfältige Rationalität der wissenschaftlichen Methodik.
Fortsetzung folgt...
Anmerkungen
1) Die mehrfache Verwendung des Begriffes »Scheiß« in dem angeführten Kommentar ist kein Ausrutscher. Vermutlich um ihrem Standpunkt
mehr Gewicht zu verleihen, meint Carone, sich regelmäßig der Fäkalsprache bedienen zu müssen. Der Begriff »Scheiße« gehört dabei zu
ihrem Standardrepertoire: »Wissen Sie was Herr Friedrich? Irgendwo in Münster wird sich sicherlich auch ein theoretischer Teilchenphysiker
finden lassen, der Ihnen ganz genau erklären kann, wo Sie gequirlte Scheiße über theoretische Teilchenphysik erzählen.(...)« Einen anderen
Kommentator fertigte sie in der gleichen Diskussion mit folgender Bemerkung ab: »Nur wenn Sie mal Ihren Mist zu Ende denken würden, dann
würde Ihnen vielleicht auffallen, dass ein System, das Scheiße mit der größten Weisheit gleichsetzt, nur eines hervorbringt: Einen
ungenießbaren völlig wertlosen Einheitsbrei. Den kein Mensch essen möchte.« Als das Opfer ihrer Beleidigung sie auf ihre Gossensprache
aufmerksam machte, belehrte sie ihn wie folgt: »Tja, Siegmund, echtes Wissen verträgt auch Fäkalsprache. Nur Schwätzer halten die Form
für wichtiger als den Inhalt.«
2) Carones dümmliche Polemik ist schon deshalb ein Rohrkrepierer, weil Deutschlands bekanntester Unwetterprophet und
Klimaerwärmungsapostel Prof. Dr. Mojib Latif laut TAGESSPIEGEL vom 18.08.2002 niemals auf die Idee käme, Unwetterkatastrophen selbst
in Augenschein zu nehmen: »Wenn ein Forschungsaufenthalt in Florida ansteht, legt Latif den Termin in den hurrikansicheren Winter. Er
bevorzugt Sonnenuntergänge und ruhige Spaziergänge an der Elbe oder in Norwegen, wo seine Frau herstammt.«
3) Mit dem Weltraumteleskop CoRoT können nur Objekte entdeckt werden, die sich sehr nahe an ihrem Zentralgestirn befinden
(noch erheblich näher als der Merkur an der Sonne). Die mit dieser Mission gefundenen Planeten sind daher, auch wenn sie bezüglich
der Masse und Größe erdähnlich sind, wie z. B. der »Höllen-Planet« CoRoT-7-b, der sein Zentralgestirn extrem nahe umkreist, mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unbewohnbar.
G.M., 27.10.09