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Prolog über Zufälle oder dreimal Kutschera im April 2006
Im Januar 2005 verlor in den Redaktionsräumen der Zeitschrift »Laborjournal« ein meterhoher Papierstapel sein Gleichgewicht und stürzte
in sich zusammen. Zum Vorsch(w)ein kam ein Rezensionsexemplar des Buches »Streitpunkt Evolution« von Ulrich Kutschera. Der zuständige
Redakteur Hubert Rehm (alias Siegfried Bär auch Autor des wissenschaftsbetrieb-pessimistischen Standardwerkes: »Die Zunft – Das Wesen der
Universität, dargestellt an der Geschichte des Professorwerdens...«) hielt das für ein »Wink Gottes« machte sich an die Lektüre
(des bereits in 2004 zugesandten Buches) und veröffentlichte das Ergebnis in der April 2006 Ausgabe des Laborjournals.
Dr. Heribert Illig, den nach eigenem (fast schon verdächtig häufigem) Bekunden weder »Kreationismus noch Intelligent Design als wissenschaftlichen Ansatz
beeindrucken« kann, greift, nachdem er Anfang Februar 2006 während des Vesperns in einer Sendung des Deutschlandfunks vom Nachweis eines neuen (bisher umstrittenen)
Mechanismus der Artbildung bei ›Buntbarschen‹ erfahren hatte, nicht etwa zur Flasche..., sondern zur Feder und dem »einschlägigen« Werk »Streitpunkt Evolution«
von Ulrich Kutschera – dem nach Einschätzung von Illig »wohl engagiertesten Biologen in Deutschland«. Er bespricht das Werk in
der April 2006 Ausgabe seines Zeitensprünge-Bulletin.
Der Website-Betreiber Christopher Handmann eröffnet Anfang Februar 2006 in dem Forum des Internationalen Bundes der Konfessionslosen u. Atheisten e. V. »Freigeisterhaus« eine
neue Front zur Beförderung und Verbreitung der Evolutions- und Chronologiekritik. Bis Ende April 2006 schreibt er rund 390 provokante
Beiträge. Durch seine heftigen Attacken auf die innovationsfeindliche und irrtumsanfällige Schulwissenschaft im Allgemeinen sowie den sich ›inquisitorisch‹ aufführenden
Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera im Speziellen avanciert er innerhalb kürzester Zeit zum meist beschimpften Forumsmitglied in der
Rubrik »Wissenschaft und Technik«.
Hauptabteilung über was dabei herauskommt, wenn der Herausgeber selber in die Bresche springt
Dr. Heribert Illig, der designierte ›Nestor‹ der deutschen Chronologiekritik und eifrige evolutionäre Laienprediger, hat wieder einmal versucht, die offene naturgeschichtliche Flanke in
seinem Zeitensprünge-Bulletin zu schließen. Trotz seines von ihm immer wieder beklagten, äußerst angespannten Zeitbudgets – als völlig überlasteter Herausgeber, Autor und Redakteur des
Zeitensprünge-Bulletins sowie äußerst penibeler Chronologist in eigener Sache – hat er nicht gezögert, den Mangel an qualifizierten Autoren dazu zu nutzen, selbst in die Bresche zu springen.
Das Ergebnis seiner umfangreichen, 26 Seiten füllenden Anstrengungen hat er mit der Überschrift »Gerät der Evolutionismus ins Abseits?« in sein Bulletin gestellt. Wo aber die Hauptüberschrift
höchste inhaltliche Erwartungen weckt, holt einen der Untertitel des Beitrages schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Statt »Von Charles Darwin bis Ernst Mayr – Ein kritische
Bilanz oder… – ein Vergleich der Fakten mit den Theorien« kündigt der von Illig gewählte Untertitel »Ulrich Kutschera – Hermann Müller-Karpe« Verwirrung
oder zumindest Stückwerk an. Wer sind diese beiden von Illig vereinten Hauptakteure und was mag sie außer Illigs Evolutionismus-Artikel verbinden?
»karrierebewusster Hüter der reinen darwinistischen Lehre«
Der Pflanzenphysiologe und Vorsitzende der AG Evolutionsbiologe im Verband deutscher Biologen (vdBiol) Prof. Dr. Ulrich Kutschera profiliert sich seit einigen Jahren als eine Art missionarischer
und zugleich karrierebewusster Hüter der reinen darwinistischen Lehre und darüber hinaus als lautstark agierender Verteidiger der universitären Wissenschaften vor kreationistischer Unterwanderung oder
gar Bevormundung. In meiner Rezension seines Lehrbuches »Evolutionsbiologie« konnte ich zeigen, dass er der Glaubwürdigkeit des Wissenschaftsbetriebes mit seinem von Eigennutz und Empörung
getragenen ›Kreuzzug‹ gegen – von ihm zumindest für die deutsche Wirklichkeit völlig überzogen herbeigeredete – kreationistische Bedrohungen eher schadet als nützt. Dies liegt
erstens an seiner Neigung zum verwegenen weltanschaulichen Herumschwadronieren, zweitens an seinem schlichten Bild vom wissenschaftlichen Fortschritt, drittens an seiner erstaunlich geringen Kenntnis
von evolutionsbiologischen Forschungsfronten und viertens auch an einer kaum übersehbaren Angst vor einer direkten Konfrontation mit den führenden Vertretern seines kreationistischen Feindbildes.
»weitgehend unbeabsichtigte Ausarbeitung eines ›Altersticks‹«
Von ganz anderem Kaliber (und Alter) ist der Prähistoriker und Urnenfelderzeit-Spezialist Prof. Dr. Hermann Müller-Karpe. Im Unterschied zu Kutschera ist er bereits seit Jahrzehnten ein
verdienter – wenn auch ausgesprochen scholastisch agierender – Nestor der vorgeschichtlichen Forschung. Von Evolution oder gar Artbildungsmechanismen hat er allerdings – vielleicht abgesehen von
einer gewissen Kenntnis der spätpleistozänen Menschheitsgeschichte – keinen blassen Schimmer. Was Müller-Karpe da in seinem von Illig diskutierten Artikel »Geschichtlichkeit
des paläolithischen Menschen. Fakten und Anschauungen« zur übersinnlichen Herkunft der menschlichen Geistnatur zum Besten gegeben hat, darf man als wohl weitgehend unbeabsichtigte Ausarbeitung eines ›Altersticks‹ beschreiben.
Solche Ticks sind zuhauf von renommierten, während ihrer beruflichen Karriere völlig naturalistisch arbeitenden Physikern, wie z. B. Max Planck bekannt. In die Jahre gekommen, neigen sie
zur ›Altersfrömmelei‹ und entdecken plötzlich ›übersinnliche‹ oder ›hochgeistige‹ Wirkmechanismen in ›der Natur‹. Und nähert sich der Zeitpunkt der ›Letzten Ölung‹ scheuen sie sich nicht, diese
Wirkmechanismen sogar mit einem (christlichen) ›Gott‹ zu identifizieren. Von anständigen Biographen werden solche ›Altersticks‹ in der Regel übergangen oder in einer Randnotiz vermerkt.
Für Kreationisten sind sie eine äußert beliebte Berufungsinstanz.
»kein großer Wurf, sondern ein ›Kessel Buntes‹«
Illig, der von der Zeitschrift »Erwägen Wissen Ethik« (EWE) um Stellungnahme zu Müller-Karpes Artikel gebeten wurde, hat für solche Befindlichkeiten und Hintergründe wenig Gespür. Dies mag daran liegen,
dass sein Sachverstand arg leidet, wenn er sich wie hier – ausgelöst durch die Anfrage einer Zeitschrift – unerwartet hofiert fühlt. Getragen von dem Ziel endlich die Anerkennung zu erlangen, die seinem chronologiekritischem Wirken angemessen wäre, neigt er mit
der ihm eigenen Gründlichkeit dazu, nicht nur sich selbst, sondern auch die ›Ergüsse‹ derer, die überhaupt auf ihn eingehen, ernster zu nehmen als es der Sache förderlich ist. (Von solcher Art Motivlage
kann sich natürlich kaum jemand freisprechen, nur dass die meisten eine erheblich höhere Hemmschwelle haben, die Produkte solcher Motivlagen öffentlich auszubreiten). Wie immer kommt dabei in Abhängigkeit
von der tatsächlichen Sachkompetenz mal mehr und mal weniger Originelles und Erträgliches heraus. Illig hat in seinem Evolutionismus-Artikel den Bogen weit gespannt. Er versucht, seine Gedanken zu neu
entdeckten Artbildungsmechanismen, seine Stellungnahme zu Müller-Karpes ›Altersfrömmeleien‹, seine Besprechung von Kutscheras »Streitpunkt Evolution« und auch noch seine Auseinandersetzung mit den Gedanken
des Biophilosophen Franz M. Wuketits zur Sinnfrage in einen großen evolutionskritischen Zusammenhang zu stellen. Herausgekommen ist kein großer Wurf, sondern ein ›Kessel Buntes‹, in dem Stümperarbeit überwiegt.
»thematisch arg verdächtiges Signalwort ›billig‹«
Wie gelingt es Illig, den ihm viel zu großen Schuh auszufüllen, ohne dass dem braven Zeitensprünge-Leser die Mogelpackung sofort ins Auge sticht? Ein hilfreicher Blick ins Literaturverzeichnis seines Evolutionismus-Artikel zeigt, dass er die
Aufgabe nur bewältigen kann, indem er quellenmäßig aus zweiter oder gar dritter Hand in den Mund lebt. Illig ernährt sich also überwiegend sekundär bis tertiär und muss dabei in Kauf nehmen, dem Leser ungewöhnlich großzügige
Einblicke in sein Alltagsleben zu geben. Wir erfahren, dass Illig das meinungsbildende und ziemlich geschwätzige Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« (wohl auch in der verzückten und nach all den Jahren vielleicht schon etwas
vergilbten Hoffnung, eines trüben Montagmorgen seines eigenes Konterfei auf dem Titel zu erblicken) liest, als bajuwarischer Patriot, die nicht gerade durch ihren Wissenschaftsteil bekannte Süddeutsche Zeitung abonniert
und regelmäßig das durch seine eher oberflächlich-spektakuläre Berichterstattung glänzende Wissenschaftsblättchen »Bild der Wissenschaft« konsumiert. Ferner dürfen wir vermuten, dass er gelegentlich die »FAZ« (z. B. wenn in einer
Überschrift das thematisch arg verdächtige Signalwort ›billig‹ auftaucht) kauft und dass er beim Vespern schon mal (vor allem wenn es um sein Steckenpferd »Evolution« geht) die Sendung »Forschung aktuell« im seriösen Deutschlandfunk hört.
»ein reichlich verstaubtes Werk des übergroßen Altmeisters‹
Vor diesem sekundären Hintergrunde kann und will Illig uns nicht verbergen, dass er stolz darauf ist, schon seit über einem Jahrzehnt Eigentümer eines relativ aktuellen evolutionären Werkes zu sein, das vielleicht noch am Ehesten den
Titel ›Primärquelle‹ in seiner Literaturliste verdient, nämlich das Buch: »...und Darwin hat doch recht. Charles Darwin, seine Lehre und die moderne Evolutionstheorie« von dem im letzten Jahr in hohem Alter verstorbenen Apostel Darwins »Ernst Mayr«.
Dieses in 1994 in deutscher Übersetzung erschienene, rund 230 Taschenbuchseiten füllende kleinformatige Buch wendet sich nach eigener Darstellung an »alle gebildeten Leser, nicht nur an Biologen«. Da hat es mit Illig gerade den richtigen Leser gefunden,
denn gebildet ist er allemal, auch wenn es ihm substanziell an biologischem Sachverstand mangelt. Hinsichtlich seines eigenen sachlichen Nährwertes ist das Büchlein allerdings zwischenzeitlich reichlich verstaubt. Trotzdem scheint das Werk des übergroßen
Altmeisters der Evolutionslehre unserem Herausgeber so ans Herz gewachsen zu sein, dass er es bei passender Gelegenheit immer wieder gerne in Hand nimmt, um daraus fachkundig zu zitieren und sich daran krittelnd zu profilieren.
»sichtlich bemüht aber doch ziemlich einfältig agierend«
Man könnte dies als verzeihliche ›Marotte‹ abtun, wenn es da nicht z. B. meine – für Illig mindestens ebenso gut wie sein verstaubtes Buch zugängliche – Internetseite geben würde, die er aus verständlichen oder doch zumindest bekannten
Gründen vor seiner Zeitensprünge-Leserschaft vorenthält. Darin sind alle von ihm in seinem Evolutionismus-Artikel angeschnittenen Fragen vom ›Rätselraten um den Artbegriff‹, zu ›sympatrischer, allopatrischer oder wie auch
immer Artbildung‹ und ›Irritationen über (wechselnde) Evolutionsgeschwindigkeiten‹ bis hin zu den ›geläufigen Weginterpretationsversuchen der lückenhaften fossilen Überlieferung‹ schon außerordentlich differenziert, kritisch
und aktuell abgehandelt. Und zwar auf einem weit höherem Niveau als es ›unser‹ zwar sichtlich bemühter aber bezüglich evolutionärer Forschungsfronten doch ziemlich einfältig und bruchstückhaft agierender Herausgeber jemals zu
schaffen vermag. Kurz: Menting statt Mayr! Und an dieser Einschätzung wird sich auch dann nichts ändern, wenn die noch verbleibende Restlebenszeit ›unseres‹ Herausgebers – vergleichbar dem im Methusalemalter von 100 Jahren
verstorbenen Evolutionsbiologen Ernst Mayr – sehr großzügig bemessen wird! Weshalb so harte Worte?
»sturer Herausgeber und rigider Lektor«
Bereits während unserer ersten Krise in der redaktionellen Zusammenarbeit in 2001 hatte ich Illig gebeten, mich in seinen ›kritischen‹ Beiträgen zur Evolution möglichst nicht mehr, d. h. vor allem nicht als Gewährsmann zu zitieren.
Schon damals war mir klar, dass es Illig hier an Substanz und Verständnistiefe fehlte. Seine Beiträge wiesen regelmäßig Schieflagen auf und verwässerten oder entstellten meine Argumentation. In seinem neuerlichen Evolutionismus-Artikel
ist Illig meiner Bitte (und durchaus eigennützigen Warnung), sich nicht auf mich zu berufen, wieder einmal nicht gefolgt. In seinen einleitenden Einlassungen zu neu entdeckten oder bestätigten Artbildungsmechanismen ohne räumliche
Trennung verweist er auf meinen Artikel zur explosiven Artbildung bei ostafrikanischen Buntbarschen. Selbstgefällig und stur wie unser Herausgeber nun mal ist, zitiert er nicht die brandaktuelle Fassung auf meiner Website oder die
immerhin schon aktualisierte Fassung in der Naturwissenschaftlichen Rundschau, sondern die zwischenzeitlich ziemlich veraltete ursprünglich in seinem Bulletin veröffentlichte Version. Dies kann man wohlwollend als Zugeständnis an
bequeme Zeitensprünge-Leser oder auch weniger wohlwollend als fahrlässige oder gar gezielte Provokation interpretieren. Ich befürchte aber noch Schlimmeres, nämlich dass Illig sich für die älteste Version entschieden hat,
weil – wie er schon einmal bemerkte – alles was unter seinem rigiden Lektorat im Bulletin erschienen ist, so gut wie kein Verfallsdatum hat.
»wenn die ebay-Software einfach nur ›-arsch‹ versteht«
Auf eine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit Illigs neuerlichen Einlassungen zu Artbildungsmechanismen verzichte ich hier, weil dabei nur herauskommen kann, was ich auf meiner Internetseite schon pointiert herausgearbeitet habe.
Ich versuche daher, die Bauchschmerzen, die mich bei Illigs Bearbeitung der Evolutionsthematik regelmäßig befallen, an einer kleinen Anekdote zu verdeutlichen. Bei meinen ersten Versuch, mich bei ebay einzuloggen, machte ich folgende
Erfahrung: Zu Beginn des eigentlich narrensicheren Vorganges wurde ich von der ebay-Software wiederholt freundlichst darauf hingewiesen, dass Mammut, Wollnashorn, Säbelzahntiger, Dodo und andere spektakuläre ausgestorbene Arten als Benutzername
schon vergeben wären. Als relativ versierter Naturkundler habe ich es dann – in der Gewissheit das Programm zu überlisten, mit meinem ›Flaggfisch‹ Buntbarsch versucht. Ziemlich überraschend wurde auch dieser Begriff von dem Anmeldeprogramm
abgelehnt, aber diesmal aus einem anderen Grund, nämlich mit dem Kommentar »ordinär«! Wie das? Die ebay-Software hatte einfach nur »-arsch« verstanden, weil sie kein elementares Verständnis vom Buntbarsch als artenreiche Fischfamilie oder
erfolgreiches Evolutionsvehikel hat. Nicht viel besser ist es um Illigs hauseigene ›Software‹ in Sachen »Evolutionsmechanismen« bestellt. Für das ebay-Anmeldeprogramm wäre sie aber sicherlich eine sinnvolle Erweiterung...
»ahnungsloser Herumschwadronierer in theologischen Sachfragen«
Bei aller Neigung zur schonungslosen Kritik können und wollen wir hier nicht verschweigen, dass Illigs Evolutionismus-Artikel auch gelungene Passagen enthält. Zu diesen zählt neben dem Kapitel »Wasserschlauch und Automobil« zweifellos
das Kapitel »Christentum und Naturwissenschaften«. Hier macht sich Illig die lohnende Mühe, Kutscheras Analyse der Christlichen Glaubenslehre, Kirchengeschichte und religiösen Symbolik zu hinterfragen. Kutschera gibt sich auch in
diesem – ihm eigentlich fachfremden – Themenbereich demonstrativ als »logisch-nüchtern-sachlich« denkender Wissenschaftler. Illig gelingt es hier überzeugend, Kutschera als ahnungslosen Herumschwadronierer in theologischen
Sachfragen zu entlarven. Z. B. interpretiert Kutschera eine auch für Experten kaum überzeugend zu deutende Adler/Fisch-Abbildung aus dem ersten Jahrtausend ohne Literaturbezug aus dem hohlen Bauch heraus als Versinnbildlichung
der »Wiedergeburt durch die Taufe und Christi Himmelfahrt«. Kutschera praktiziert hier genau das, was er den Kreationisten immer wieder unterstellt, nämlich ›saudumm‹ über Sachen daher zu reden, von denen er zwar ›null‹ Ahnung,
aber dafür umso mehr anmaßende Gewissheit hat. Und so dürfen wir uns mit Illig wundern, »wie kraus und unbedarft sich ein reiner Verstandesmensch geben kann, wenn er die Grundzüge abendländischer Religion skizzieren will«.
»von maßloser Selbstgefälligkeit motivierter Herausgeber«
Meine Zustimmung gilt jedoch nicht fürs ganze Kapitel, denn was Illig da an dessen Ende fabriziert, untermauert das Bild eines immer wieder von maßloser Selbstgefälligkeit motivierten Herausgebers. Aber der Reihenfolge nach: Kutschera
hatte meinen in der Naturwissenschaftlichen Rundschau (NR) erschienenen Buntbarschartikel – worauf mich erst Illigs Evolutionismus-Artikel aufmerksam machte – in seinem Buch »Streitpunkt Evolution« im Unterkapitel »Infiltration von
Fachzeitschriften« - zitiert und zwar als erstklassiges Beispiel für die »subtile Strategie der zwar kaum bekannten aber sehr aktiven deutschen Kreationisten«, »Einfluss auf Schule und Universität zu gewinnen«. (Im Übrigen ein schönes Beispiel
für die Paranoia orthodoxer Evolutionisten gegenüber Kreationisten oder auch nur Evolutionskritikern.) Wie kam ich zu der Ehre? In meinem bereits erwähnten, in der NR erschienenen Übersichtsbeitrag zur Buntbarschevolution hatte ich
mir (mit Einverständnis der Redaktion) erlaubt, neben anderen Evolutionsmodellen auch kurz das kreationistische Grundtypenmodell zu erwähnen. Der zum biologischen Wissenschaftsaberglauben neigende Wissenschaftstheoretiker Dr. M. Mahner
hatte darauf hin in einem empörten Leserbrief dagegen protestiert, dass in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift kreationistische Pseudowissenschaft beworben wird.
»genussvolle Reinwaschung von einem selbstkonstruierten Verdacht«
In Mahners Leserbrief und meiner später veröffentlichten Replik wird auch auf meine Autorentätigkeit für das Zeitensprünge-Bulletin Bezug genommen, Illig aber namentlich nicht erwähnt. Kutschera hat sogar in seiner Rezeption des Konfliktes
im »Streitpunkt Evolution« sorgfältigst die Verweise auf das Bulletin herausgeschnitten. Der Grund für diese ›Schnibbelarbeit‹ liegt auf der Hand: Kein Leser seiner wissenschaftseuphorischen Streitschrift sollte mehr als unbedingt erforderlich
auf ›pseudowissenschaftliches‹ Gedankengut aufmerksam gemacht werden. Trotzdem zeigt sich Illig in seiner Funktion als Verleger von Mentings kurzer Geschichte des Waldes im höchstem Maße betroffen. Schließlich war eine Ursprungsversion des
Buntbarschartikels in seinem Zeitensprünge-Bulletin erschienen. Für Illig ist dies Anlass genug, sich von dem – ›freilich‹ von ihm selbst konstruierten – Verdacht reinzuwaschen, auch er habe in seinem Bulletin kreationistisches Gedankengut
beworben. Anhand eines äußerst ›dürftigen‹ Textvergleiches der Passage meines Buntbarschartikels, in der es um das kreationistische Grundtypenmodell geht, kommt er zu folgendem verblüffenden Ergebnis: Aufgrund der Auslassung des relativierenden
Wörtchens »sollen« in der Version, die in der NR erschienen war, soll sich der entsprechende Passus im Zeitensprünge-Bulletin »entscheidend [!] anders«, d. h. weniger Kreationismus bewerbend lesen.
»Wahn, der sich schon erheblich von der Realität gelöst hat«
Das grenzt zweifellos an Wahn im fortgeschrittenem Stadium, also Wahn, der sich schon erheblich von der Realität gelöst hat. Ich darf hier ›ungefragt‹, d. h. ohne vorliegendes Einverständnis des Absenders, aus einer an mich gerichteten Mail
von Prof. Dr. Werner Kunz (Institut für Genetische Parasitologie der Universität Düsseldorf) zitieren. Kunz teilte mir mit, dass er zwar mit Mahners Ablehnung des kreationistischen Gedankengutes übereinstimmt, in meinem in der NR veröffentlichten
Buntbarschartikel aber »nichts« entdecken konnte, worauf sich Mahners Verdächtigungen beziehen könnten. Für Zweifler darf ich hinzufügen, dass Kunz schon deshalb ein vertrauenswürdiger Gewährsmann ist, weil er mit dem Ankläger Mahner befreundet ist.
Von den Realitäten nun wieder zu den Wahnvorstellungen: Wie meistens entwickeln sich diese aus sehr pragmatischen Ängsten: Illig musste sich von Beginn der Phantomzeitdebatte an heftigst (und zeitraubend) gegen den Verdacht wehren, Pseudowissenschaft
zu betreiben. Daher fasst er – um böswilligen Kritikern nicht noch zusätzliche Angriffsflächen zu bieten – kreationistisches Gedankengut nur mit äußert spitzen Fingern an. Zweifelsfrei wäre er, um der Beförderung seiner Phantomzeitthese willen,
sogar bereit, seine eigene Religiosität zu verleugnen.
»hetzerische und verleumderische Antikreationismus-Kampagne«
Angesichts der geschilderten Sachzwänge habe ich für Illigs monomanes Verhalten, sich ständig als nüchternst und objektivst denkender Wissenschaftlicher zu profilieren zu müssen, ein gewisses Verständnis. Das hört allerdings auf, wenn ihm vor lauter Genuss an
öffentlichen Reinwaschungen der eigenen Haut von (selbst-) konstruierten Verdächtigungen, der eigentliche Skandal an der Geschichte verborgen bleibt. Kutschera zitiert nämlich bei seiner Schilderung des Konfliktes in seinem »Streitpunkt Evolution« zwar ellenlang
aus dem empörten Leserbrief von Mahner aber nur einen (!) Halbsatz aus meiner ebenfalls veröffentlichten Replik. So gekürzt und entstellt, ist es nicht verwunderlich, dass sich der unbedarfte oder wissenschaftsgläubige Leser ein falsches Bild von meiner Position
in der Kreationismus-Evolutionismus-Debatte machen muss. Tatsächlich habe ich aber in meiner Replik unmissverständlich klargestellt, »dass ich die evolutionsbiologisch engagierten Anhänger des Schöpfungsglauben gerade, wenn es um Evolution geht, zwar für höchst
interessante Gesprächspartner halte, selbst aber ihren Schöpfungsglauben nicht teile«. Dies alles muss Kutschera natürlich unterschlagen, weil es nicht in seine hetzerische Antikreationismus-Kampagne und schon gar nicht unter seine verleumderische
Kapitelunterschrift (kreationistische) »Infiltration anderer Fachzeitschriften« passt.
»eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen Illig und Kutschera«
Aber warum bleibt unserem Herausgeber der eigentliche Skandal in dieser Geschichte verborgen? Allein aus Selbstgefälligkeit? Nein, da scheint noch mehr im Spiel zu sein! Zum Einen fehlt unserem evolutionistischen Wiederkäuer Illig schlicht die
Primärliteratur, um auf die wahren Untiefen der Geschichte zu stoßen. (Und selbst wenn sie ihm vorliegen würde, hätte er wegen seiner vielfältigen Verpflichtungen an den Phantomzeit-Fronten kaum Zeit, sie sorgfältig auszuwerten). Zum Anderen
scheint es da, eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen Illig und Kutschera zu geben. Beide dulden nämlich keine Kritik an ihrer (fachlichen) Person und neigen dazu, diese in ihren Texten großzügig herauszuschneiden oder gleich ganz zu
eliminieren. Solche Be- oder Empfindlichkeiten verbinden, trüben aber den klaren Blick und das Selbstreflexionsvermögen. Der Großinquisitor Kutschera geht als Zensor allerdings erheblich skrupelloser als Illig vor. Bei Kutschera hat die
vorsätzliche Verstümmelung von kritischen Texten – wie das angeführte Beispiel zeigt – schon Züge angenommen, die den Tatbestand der Verleumdung erfüllen, während entsprechende Zensurmaßnahmen bei Illig eher unbeholfen und ehrenrührig wirken.
»wo die legitime Zweitverwertung ihre verschwiegenen Grenzen hat«
So zitiert Illig in seinem Evolutionismus-Artikel ziemlich ausführlich seine ursprünglich in der Zeitschrift »Erwägen Wissen Ethik« veröffentlichte und mit »Kippt die naturwissenschaftliche Weltsicht?« übertitelte Stellungnahme zu den alterswirren
Einlassungen des Prähistorikers Müller-Karpe über die angeblich »nicht evolutiv« entstandene »Geistbefähigung« des Menschen. Dies geschieht sicherlich nicht nur aus reiner Eitelkeit, sondern auch aus legitimen Gründen der Zweitverwertung, d. h. hier,
um auch die braven Zeitensprünge-Leser an seinen emsigen ›externen‹ chronologiekritischen Aktivitäten teilhaben zu lassen. Illigs Mitteilungsbedürfnis hat allerdings Grenzen und die fangen dort an, wo es ihm extern an den Kragen geht. Erheblich weniger
ausführlich zitiert unser Herausgeber nämlich aus Müller-Karpes Replik zu seiner Stellungnahme. Die entscheidende – für ihn offenbar kritische – Passage unterschlägt er der geneigten Zeitensprünge-Leserschaft. Ich darf sie hier ergänzend
anführen: »Illigs Bemerkungen zur Aussagekraft paläolithischer Hinterlassenschaften [...] zeigen, dass er mit diesem Denkmälerbestand in seiner archäologischen Erforschung und kritischen Interpretation nicht hinreichend vertraut ist«.
»halbumfängliche Vertrautheit verbiegt den geradesten Verstand«
Die verbreitete Strategie, kritische Texte zu unterschlagen oder zu verstümmeln, ist zwar für den informierten Leser relativ leicht zu entlarven ist, bringt aber häufig durchaus den gewünschten Erfolg. Dies zeigt auch die Rezension
von Kutscheras »Streitpunkt Evolution« in dem ansonsten erfrischend kritischen Laborjournal, einem Service-Magazin für Medizin und Biowissenschaften. Der Autor der Rezension, der Redakteur Hubert Rehm gehört zweifellos zu den von
der konservativen Professorenschaft am meisten gefürchteten Kritikern des deutschen Wissenschaftsbetriebes. Weil er aber wie Illig mit der Evolutionismus-Kreationismus-Debatte nur ›halbumfänglich‹ vertraut ist, kommt er in seiner
Rezension von Kutscheras Machwerk zu dem überraschenden Ergebnis: »Kutschera bleibt immer fair. Bei allem Engagement lässt er die Gegenseite zu Wort kommen. Er verteufelt nicht, er bleibt kühl – [...]«. So ein hanebüchener Unsinn!
Das genaue Gegenteil trifft zu. Kutschera bleibt nicht »fair«, sondern agiert inquisitorisch. Und »kühl« ist er nur bei der Verstümmelung und Unterschlagung kritischer Textpassagen, wie ich zuvor und auch schon in meiner
Rezension von Kutscheras Lehrbuch »Evolutionsbiologie« zeigen konnte. (Ich habe Herrn Rehm – leider ohne jegliche Reaktion – darauf
aufmerksam gemacht, dass er für mich der lebendige Beweis dafür ist, dass es auch noch dem aufrichtigsten Kritiker den Verstand verbiegt, wenn ihm Hintergrundinformationen zu einem Themenbereich fehlen.)
»weithin das übliche chronologiekritische Standardgequatsche«
Illig der sich – wie zu Beginn dieses Beitrages angedeutet – durch die Anfrage der Zeitschrift »Erwägen Wissen Ethik« (EWE) wohl arg hofiert gefühlt hat, ist in der Replik von Müller-Karpe nicht ganz zu Unrecht der Unkenntnis der Materie bezichtigt worden.
Schon ein Blick in das Literaturverzeichnis von Illigs in EWE veröffentlichter Originalstellungnahme zeigt das bereits bekannte Bild: Dreimal »Der Spiegel« (einmal als Leserbrief), zweimal »Illig« (einmal sogar über Darwin-Finken!), einmal der »Rheinische Merkur«,
einmal »Bild der Wissenschaft« und wie immer, einmal »Blöss/Niemitz’ »C14-Crash« und einmal Heinsohns »Wie alt ist das Menschengeschlecht?«. Darüber hinaus nur zweimal so etwas wie Fachliteratur; ansonsten fast ausschließlich populäre Sekundärliteratur und
zwischenzeitlich reichlich in die Jahre gekommene chronologiekritische ›Inzucht‹-Literatur. Den Inhalt von Illigs mit »Kippt die naturwissenschaftliche Weltsicht?« übertitelter Stellungnahme kann zumindest ein Zeitensprünge-Leser anhand dieser Literaturliste
schon fast konstruieren. Weithin das übliche chronologiekritische Standardgequatsche über verdrängte katastrophische Ereignisse, unzureichend verstandene Evolutionsmechanismen und gravierende Datierungsirrtümer im Allgemeinen sowie wissenschaftliches
Intrigantentum im Speziellen.
»sensationelle Speerfunde zerstören das ›dumpfe‹ Bild vom Homo erectus«
Illig hätte gut daran getan, sich mit Bezug auf frische Fachliteratur auf die eigentliche Thematik, die Menschheitsgeschichte und Menschwerdung im Paläolithikum zu konzentrieren und schonungslos die Schwächen von Müller-Karpes alterswirrer Argumentation aufzudecken.
Anderen von EWE angefragten Autoren, wie dem Frühgeschichtler Thomas Terberger ist dies mit ›bestechendem‹ Hinweis auf die sensationellen altpaläolitischen Speerfunde im Braunkohletagebau bei Schöningen gelungen. Diese Speere passen nicht ins
konventionelle ›dumpfe‹ Bild vom Homo erectus, weil sie in ihrer Aerodynamik den Vergleich mit modernen im Hochleistungssport verwendeten Speeren nicht scheuen müssen. Und der Geologe Karl Dietrich Adam fragt erkennbar irritiert, weshalb Müller-Karpe es in
seiner »inhaltschweren« und »axiomatischen« Studie eigentlich versäumt hat, den Neandertaler zu erwähnen, der zweifelsfrei ebenso wie die modernen Menschen über eine »Geistbefähigung« verfügte. Demgegenüber meint Illig, die ›gute Sache‹ der
Chronologiekritik voranbringen zu können, indem er in seiner Stellungnahme neben einigen sachbezogenen Anmerkungen als ›übergroßen Rucksack‹ die Chronologiekritik von Immanuel Velikovsky über Alfred de Grazia hin zu Blöss/Niemitz und Gunnar Heinsohn und
natürlich nicht zu vergessen sich selber gleich mittransportiert.
»moralisierend dahinplätscherndes ›Wort zum Sonntag‹«
Selbst für einen ›paläolithischen Laien‹ ist unschwer zu erkennen, dass Müller-Karpe einen Text zur Diskussion gestellt hat, der sich in seinen ›faktischen‹ Teilen in (chronologischer) Unschärfe verliert und der in seinen ›weltanschaulichen‹ Teilen fast ungekürzt als moralisierend
dahinplätscherndes »Wort zum Sonntag« veröffentlicht werden könnte. Originalton Müller-Karpe: »Vielmehr ist von Anbeginn an eine menschliche Identität gegeben, da die elterlichen Ei- und Samenzellen von Menschen [von wem denn wohl sonst?, G. M.] stammen.
Diese (im pränatalen Zustand allein die Mutter) verwalten treuhänderisch [!] in der frühen Entwicklungsstadien des Heranwachsenden dessen vollwertiges [!] Menschensein, so lange dieses nicht von ihm selbst wahrgenommen werden kann«. Wie sollte Müller-Karpe auch wissen, dass die
Vorstellung von einer pränatalen Harmonie zwischen Mutter und Embryo nach den neusten Erkenntnissen der Genforschung zutiefst erschüttert wurde, wenn dies nach Matt Ridley nur den wenigsten Evolutionsbiologen bekannt ist? Tatsächlich stellt sich Schwangerschaft dem
Genetiker heute als Schlachtfeld zwischen elterlichen und kindlichen Genen dar. Auch von der neuen ›Biologie des Geistes‹ (vgl. z. B. Eric Kandel) scheint Müller-Karpe entweder noch nie gehört oder wie viele Menschen schlicht verstört zu sein. Deren Experimente liefern
gute Gründe dafür, dass unser Geist und unsere Spiritualität von nichts anderem als einem physischen Organ (gemeinhin »Gehirn« genannt) erzeugt werden.
»willkommene Legitimation für dreiste Eigenpropaganda«
Den letzten Teil seines Evolutionismus-Artikels widmet Illig der Frage nach der Organisation und dem Sinn des Lebens. Hier zeigt er – sich auf den umtriebigen Biophilosophen Franz M. Wuketits berufend – einmal mehr, dass er dazu neigt, den fachlichen Nährwert von Autoren falsch einzuschätzen.
Dies ist mir erstmals in 2001 bei Illigs Rezension von Zillmers Bestseller »Irrtümer der Erdgeschichte« aufgefallen. Ich habe damals eindringlich versucht, ihn davon abzuhalten, Zillmers in weiten Teilen aus chronologiekritischen Versatzstücken zusammengeschustertes Werk,
auf eine Stufe (oder gar noch darüber) mit Immanuel Velikovskys »Erde im Aufruhr« zu stellen. Ferner habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er der ›guten Sache‹ der Chronologiekritik mit Verbündeten vom Kaliber Zillmers nur Schaden zufügen könne. Solche zum ungezügelten ›Spektakulieren‹
neigende, aber durchaus erfolgreiche Außenseiter sollten dort brillieren, wo sie der Chronologiekritik keinen Schaden zufügen, nämlich z. B. im P.M.-Magazin. Knorrig-gekränkt teilte Illig mir daraufhin mit, ihm sei es bisher noch nicht vorgekommen, dass eine Rezension schon
vorab, d. h. vor der Veröffentlichung (aus-)gebremst würde. Stur und unbelehrbar wie unser Herausgeber nun mal ist, fiel seine Besprechung dann (trotz oder auch wegen meiner Warnung) so positiv aus, dass Zillmer keine Bedenken hatte, sie ungekürzt auf seiner Internetseite zu
veröffentlichen. Dort kann man sie bis heute als aus Zillmers Sicht willkommene Legitimation für seine dreiste Eigenpropaganda nachlesen.
»Kritik, die im selbstgefälligen Lamentieren verflacht«
Erst drei Jahre später scheint Illig seine Fehleinschätzung erkannt und bereut zu haben. Sein durchaus lesenswerter Veriss von Zillmers »Kolumbus kam als Letzter« (ZS 3/2004) endet wie folgt: »Insgesamt wirkt der Versuch eines Autors, der bislang praktisch nicht zu historischen Zeiten publiziert hat, allzu
ambitioniert. Ob der strittig voranschreitenden Chronologiekritik mit diesem überaus eiligen ›großen Wurf‹ Hilfestellung oder ein Bärendienst geleistet worden ist, wird sich zeigen«. Der pfiffige Selbstvermarkter Zillmer hat diesmal natürlich darauf verzichtet, Illigs Rezension auf seine Website zu stellen,
bedankt sich aber »recht herzlich« bei Illig (u. anderen) für die »Unterstützung zur Erstellung dieses Buches und für konstruktive Hinweise«. Tatsächlich hatte sich Zillmer großzügig bei diversen Autoren (und diesmal eben auch bei Illig) bedient, ohne dies im Text angemessen kenntlich zu machen.
Im Nachhinein ist zu bedauern, dass sich Illigs zweifellos vorhandener kritischer Sachverstand immer erst dann einschaltet, wenn er bemerkt, von einem vermeintlichen Mitstreiter plagiiert zu werden. Illigs Kritik geht dann aber nicht in Selbstkritik über, sondern verflacht in einem selbstgefälligen Lamentieren.
Auf diese Weise muss ihm verborgen bleiben, dass auch seine ›Versuche‹ über evolutionäre oder geologische Sachverhalte häufig reichlich bemüht und »allzu ambitioniert« sind.
»schwer fassbare, unglaublich erfinderische Evolutionsmaschinerie«
Nach Zillmer hat Illig in seinem neuen Evolutionismus-Aufsatz den Wiener Biologietheoretiker Franz M. Wuketits entdeckt. Wuketits hatte in der Oktober-2005-Ausgabe der Zeitschrift »Aufklärung und Kritik« zu einer Diskussion Stellung bezogen, die durch einen kurzen, in der New York Times veröffentlichten Artikel des konservativen
Wiener Kardinal Christoph angezettelt worden war. Schönborn hatte in seinem kurzen »Finding Design in Nature« überschriebenen Artikel zwar eingeräumt, dass die Evolution im Sinne einer gemeinsamen Abstammung der Lebewesen richtig sein könnte. Die neodarwinistische Vorstellung eines ungeplant, ungerichteten Evolutionsprozesses sei
aber falsch, weil hinter der komplexen Organisation und großartigen Zweckhaftigkeit des Lebens unzweifelhaft Design durch einen Schöpfer stünde. Wuketits hat sich darauf hin, ähnlich wie zuvor Mayr, Kutschera und wie die evolutionsbiologischen ›Übergrößen‹ alle heißen, relativ vergeblich darin versucht, die unglaublich
erfinderische Evolutionsmaschinerie sprachlich so zu umschreiben, dass sie nicht als Resultat einer »Organisationskraft« oder einem (höheren) »Plan« erscheint. Diese Bemühungen amüsieren auch Illig und so zitiert er abschließend den offenbar doch noch über ein Mindestmaß an wienerische Ironie verfügenden Wuketits mit der
(allerdings auf den begeisterten Neodarwinisten Michael Ruse zurückgehenden) Bemerkung: »Die Evolution schreitet nirgendwo hin – und das ziemlich langsam«.
»Katastrophenbeschleuniger und evolutionäres Auslaufmodell«
Dieser Wuketits ist mir erstmalig in 1999 begegnet, als ich mir – auf seine Einschätzung des endpleistozänen Massensterben gespannt – sein frisch erschienenes Buch »Die Selbstzerstörung der Natur – Evolution und die Abgründe des Lebens« gekauft habe. Mir kamen schon erste Zweifel als ich angesichts des abgründigen Buchtitels
im Literaturverzeichnis vergeblich nach Ulrich Horstmanns heimlichen Untergangsklassiker »Das Untier« suchte. Nach kurzer Lektüre des Kapitels über das endpleistozäne Massensterben bestätigten sich meine schlimmsten Befürchtungen: Wuketits gehört zu der Sorte von Philosophen, deren Werke nicht ideologiekritischer und
stichhaltiger Überlegung entspringen, sondern die weithin – wissenschaftshistorisch und sprachlich etwas aufgepeppt – nachbeten, was sie im Mainstream gelesen haben. Schlussendlich erfahren wir über unser Verhältnis zur Natur, was wir in jeder einfältigen ›Naturschutzveröffentlichung‹ schon x-mal über das ›pessimistische
Bild vom Umgang des Menschen mit der Natur‹ gelesen haben: »Der Mensch ist zum größten Katastrophenbeschleuniger in der Natur geworden und schon jetzt ein evolutionäres Auslaufmodell«. Aus Verärgerung habe ich die Postkarte, auf der man höflich gefragt wird, wie man auf das Buch aufmerksam geworden ist und ob man mehr über
das Verlagsprogramm erfahren möchte, gleich dazu genutzt, den Verlag auf Wuketits’ Neigung, auf der Ebene des Mainstreams Herumzuschwadronieren aufmerksam zu machen. Natürlich ohne jegliche Reaktion...
»›Zigeuner-am-Rande-des-Universums‹-Metaphorik«
Jetzt hat Illig, der - in »einer guten [!], strikt der ›Aufklärung und Kritik‹ verschriebenen und deshalb so benannten Zeitschrift« - auf Ratgeber Wuketits gestoßen ist, mir eine Gelegenheit gegeben, noch mal nachzulegen. Im Kapitel »Vom Sinn« zitiert Illig erneut Wuketits und zwar diesmal als wichtigen Hilfesteller
bei der Sinnsuche. Einem Sinn, der den Menschen laut Illig als unerwünschte Nebenwirkung der Evolutionstheorie abhanden gekommen ist. Wuketits geht den ziemlich erbaulich formulierenden Joachim Kahl zitierend (der wiederum an Jacques Monods originelle »Zigeuner-am-Rande-des-Universums«-Metaphorik anknüpft)
davon aus, dass die darwinistische Evolutionstheorie dafür gesorgt hat, dass es »keine unzerstörbare, ideale Sinnstruktur der Welt, der wir uns vertrauensvoll, gläubig, einzufügen hätten und darin geborgen wären« mehr gibt. Schon hier stutzt der Laie! Gab es da nicht schon vor Darwin Aufklärer, die
diese »ideale Sinnstruktur der Welt« mit Hohn und Spott überschüttet haben? Denken wir z. B. nur an einen Voltaire, der weder einen Darwin kannte, noch einer darwinschen Evolutionstheorie bedurfte, um die damalige ›religiöse Werterepublik‹ zu karikieren. Aber damit nicht genug, der Darwinismus
hat laut Wuketits nicht nur das Potenzial falsche Sinngebung zu zerstören, sondern soll uns auch noch Hilfestellung bei der Sinnsuche geben.
»Marionetten eines letztlich undurchschaubaren Designers«
Wuketits an die Philosophie des Ultra-Darwinisten Richard Dawkins angelehnte Argumentation lautet wie folgt: »Wäre nämlich die Evolution geplant, jeder einzelne Mensch das Ergebnis eines umfassenden Plans, dann wäre es um unsere Individualität schlecht bestellt. Wir wären Marionetten eines in seinen Absichten
letztlich undurchschaubaren Designers. Hingegen gibt uns die Annahme einer sinnlosen Evolution die Möglichkeit, unseren Sinn – gemäß unseren individuellen Neigungen, Vorstellungen und Wünschen – selbst zu suchen (und zu finden) und uns dabei (selbst wenn's eine Illusion ist) frei zu wähnen«. So ein Quatsch!
Wenn uns erst die Ultra-Darwinisten ermöglicht hätten, unseren Lebenssinn frei und individuell suchen können, dann hätte ich ja auch die Möglichkeit, wieder an einen großen Designer zu glauben und den Evolutionismus zu verteufeln. Womit die freiheitliche Sinnsuche ja irgendwie wieder hin wäre... Da beißt
sich doch die Katze in den Schwanz, d. h. die Evolutionisten müssen sich entscheiden, ob sie nun wahrheitssuchende Naturwissenschaftler oder sinnspendende Befreiungstheologen sein wollen. Im Übrigen liest, wer auf der Suche nach einem tragfähigen Sinn ist, in der Regel weder Darwin, noch Dawkins oder gar
einen Wuketits, sondern schlicht gute Romane über die Abgründe und Höhenflüge des Lebens. Alternativ kann man sich natürlich auch gleich gezielt bei lebenserfahrenen und lebenstüchtigen Philosophen, wie z. B. Schopenhauer informieren.
»keine mildernden Umstände für das Pestbakterium«
Völlig abstrus wird Wuketits Argumentation als er behauptet, dass »Evolutionsdenken« sei auch deshalb eine der »tragenden Säulen« eines »säkularen, humanistischen Weltbildes«, weil das Wissen um den »gemeinsamen Ursprung« dazu beiträgt, uns von »rassistischen Parolen nicht blenden zu lassen«. Gibt es da im Protokoll der
berüchtigten Wannsee-Konferenz, in der die »Endlösung der Judenfrage« dokumentiert ist, nicht eine sich explizit auf das »Evolutionsdenken« beziehende Passage, in der die Ausmerzung des »widerstandsfähigsten«, »verbleibenden Restbestandes« der Juden gefordert wird, damit diese nicht »eine natürliche Auslese darstellend,
bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues« fungieren können? Und ist die »natürliche Auslese« für Darwinisten nicht der zentrale Mechanismus, der den evolutiven Wandel und damit letztlich auch den »gemeinsamen Ursprung« bewirken soll? Und verbindet die Menschheit nicht auch mit dem Pestbakterium
ein »gemeinsamer Ursprung«, ohne dass dies irgendwelche mildernden Umstände für unser ausgesprochen feindlich gesinntes Verhältnis zu ihm hat? Der Gedanke an den »gemeinsamen Ursprung« kann es also nicht sein, der uns zu friedlichen Wesen werden lassen könnte, dann schon eher die christliche Angst vor jüngstem
Gericht, die jüdische Botschaft der Brüderlichkeit oder die laut »Kritischer Theorie« speziesneutrale, d. h. auch (Wirbel-)Tiere einbeziehende Wertsetzung eines quälbaren Körpers‹(vgl. Susann Witt Stahl).
»offenbar nie einen deutschen Biologieunterricht besucht«
Illig, der ja zumindest mit geschichtlichem Wissen bestens vertraut sein sollte, kommentiert Wuketits naive Sinnstiftungs-Philosophie in seinem Evolutionismus-Artikel ziemlich ›blauäugig‹ und ahnungslos wie folgt: »Solche sinnstiftenden Hilfestellungen muss die Evolutionsbiologie leisten, sonst
wird sie im Wettbewerb mit anderen Erklärungen unterliegen oder ein in der Schule nicht weiter beachtetes Schattendasein führen«. Kann es sein, dass Illig nie einen deutschen Biologieunterricht besucht hat und daher nicht wissen kann, dass die Biologie aufgrund ihrer lebensweltlichen
Anschaulichkeit schon jetzt zu den sinnstiftesten naturwissenschaftlichen Schulfächern zählt? Und kann es sein, dass er sich deshalb von der unter Evolutionsbiologen grassierenden Paranoia hat anstecken lassen, kreationistische Sinngebungs-Metaphorik würde deutsche Schulen infiltrieren?
Erinnern wir uns, dass Illig in seinem Evolutionismus-Artikel auch die empörte Rüge des Evolutionisten Kutschera an den leider viel zu früh verstorbenen Anglisten, Philosophen und Sachbuchautor Dietrich Schwanitz kommentiert. Schwanitz hatte in seinem Bestseller »Bildung – Alles, was
man wissen muss« kurz und knapp bemerkt: Naturwissenschaftliche Erkenntnisse tragen »einiges zum Verständnis der Natur, aber wenig zum Verständnis der Kultur bei«. [...] Sie »müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht«. Illig kommentiert Kutscheras Rüge
mit der Bemerkung, dass heftige Kritik am Überbringer der Botschaft nicht viele ändere und die Biologie gut beraten wäre, sich stärker darauf zu besinnen, »nun einmal sehr starke Überschneidungen mit den Aussagen der Religionen zu haben«.
»die Wirklichkeit verzerrende, weltanschauliche Überfrachtungen«
Wieder so ein verbrämter, aus Stückwerkwissen zusammengezimmerter Illigscher Unsinn! Von den naturtheologischen Wurzeln der Biologie einmal abgesehen, kann ich überhaupt keine Überschneidungen zwischen Religion und Biologie erkennen. Offenbar ist Illig hier mangels fundiertem naturwissenschaftlichem Wissen erneut
den Ultra-Darwinisten auf den Leim gegangen. Bereits vor 20 Jahren hat der begeisterte Neodarwinist Michael Ruse deren disziplinären Größenwahn unverblümt formuliert: »With a growing number of distinguished evolutionists - including Ernst Mayr, Edward O. Wilson, and Francisco F. Ayala - I believe that Darwinism is
more than just a scientific theory. It is the basis for a full world view, a Weltanschauung«. Auch der Ultra-Darwinist Richard Dawkins bezeichnet in seinem bekannten Buch »Der Blinde Uhrmacher« das darwinsche Erklärungsmodell als eine Theorie, »die es Wissenschaftlern ermögliche, intellektuell erfüllte Atheisten zu sein«.
Da kein Zweifel daran besteht, dass auch der Atheismus eine Weltanschauung ist, missbraucht Dawkins hier offenbar die Evolutionstheorie zur Absicherung einer weltanschaulichen Grundeinstellung. Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen: Ein solch fundamentales weltanschauliches Interesse an einer Theorie hat
keinen günstigen Einfluss auf eine möglichst unbefangene Prüfung ihrer Tauglichkeit. Offenbar leiden Kreationisten wie Evolutionisten an der gleichen, die Wirklichkeit verzerrenden weltanschaulichen Überfrachtung.
»kaum zu entschlüsselnde, kryptische Zitierverweise«
Ein paar randständige Bemerkungen zur Zitierweise im Zeitensprünge-Bulletin, auf deren korrekte Beachtung (wie jeder ZS-Autor weiß) unser Herausgeber einen besonders großen Wert legt. Allein in dieser Bulletinausgabe finden wir diverse Zitiervarianten: Nur den Autorennamen, den Autorennamen mit Jahresangabe oder
mit Seitenangabe sowie den Autorennamen mit beiden Angaben. Dies alles gibt es dann noch in einer weiteren Variante mit ›verstümmelten‹ Autorennamen. Im Kapitel »Kippt die naturwissenschaftliche Weltsicht?« seines Evolutionismus-Potpourri hat Illig schließlich selbst den Überblick verloren. Hier führt Illig in
gekürzter Form seine Stellungnahme zu Müller-Karpes ›Altersfrömmeleien‹ an und weist vieldeutig auf eine »geänderte Zitationsweise« hin. Wie sieht diese nun tatsächlich aus? Alle von ihm in eckige Klammern gesetzten, zum Teil höchst kryptischen Zitierverweise etwa »[K.-W. ((11))]« sind im Literaturverzeichnis
ohne Gegenstück. Ohne Rückgriff auf die als Einzelheft 23,00 Euro teure EWE-Zeitschrift ist die Zitation nicht zu entschlüsseln. Auch diese Posse wird der Herausgeber als lässliche Verfehlung mit Hinweis auf seine übermenschlichen Anstrengungen als Redakteur, Autor und Dienstbote in eigener Sache aussitzen.
Auf eine professionelle numerische, im Literaturverzeichnis alphabetisierte Zitation werden wir wohl weiterhin verzichten müssen.
»Autorennamen gleich Reihenweise verhunzt«
Es gibt noch ein weiteres, eher formales Indiz dafür, dass Illig sich mit seinem evolutiven »Kessel Buntes« übernommen hat. Unser Herausgeber ist nämlich nicht nur für sein starres Festhalten an der einmal eingeführten Zitationsweise bekannt, sondern auch dafür, ausgesprochen viel Wert, auf eine korrekte Orthographie
in den Bulletin-Artikeln zu legen. Da überrascht, dass er diesmal Höchstselbst gleich Reihenweise die Autorennamen verhunzt: Aus einem »Franz M. Wuketits« wird durchgängig und sogar in den Überschrift ein »Franz Wuketis«, aus einem »Niles Eldredge« ein »Niles Eldridge« und aus einem »Dietrich Schwanitz« wird
ein »Dieter Schwanitz«. Im Editorial kündigt Illig schon fast rituell, d. h. hier wie immer ziemlich unbescheiden an, dass sein Bulletin dieses Mal »vom Umfang und von seiner Beteiligung her nicht zu überbieten ist«. Im ungenierten Malle-Deutsch übersetzt, heißt das: ›Ich bin so toll, das ist mir klar, so
toll wie ich noch niemals war...!‹
»das Recht des ›Contributing Editors‹ auf den ersten Beitrag«
Noch ein Wort zum »Contributing Editor« Prof. Dr. phil. Dr. rer. pol. Gunnar Heinsohn (das »pol.« ist dabei kein ›ehernes‹ Kürzel für ›Polska‹, der Heimat seine Gattin, sondern für ›politicarum‹...). Weil er im Wissenschaftsbetrieb gut aufgestellt ist, hat er neben dem ›contributen‹ vor allem die Funktion, das akademische Ansehen des Bulletins zu steigern.
Da kann er sich schon mal – ohne Sanktionen befürchten zu müssen – erlauben, unserem Herausgeber ziemlich dahingeworfene Artikel (z. B. »Kopflaus und Hominiden-Chronologie« in ZS 3/2004) anzudienen. Mit seinem aktuellen »Tyrannosaurus rex«-Beitrag hat er dieses Mal anständige Arbeit abgeliefert. Aber muss Illig deshalb dem kaum fünf
Seiten ›langen‹ Artikelchen (angesichts eines über 250 Seiten umfassenden Bulletin) gleich das Titelbild widmen? So ist unser Herausgeber nun mal: Der hofierte »Contributing Editor« bekommt völlig unabhängig von der Qualität seiner Artikel entweder das Recht des ersten Beitrages, das Titelbild oder wie in diesem Fall beides.
Die Polposition hätte ich diesmal Hans-Erdmann Korths vielschichtiger »Chronologie des Abendlandes« gegönnt, die Heinsohns Kurzabriss der chinesischen Chronologie weit überragt. Wir sehen, im Prinzip herrscht in Illigs Bulletin derselbe elende Klüngel wie im akademischen Wissenschaftsbetrieb. Illig scheint hier kaum lernfähig
zu sein, denn erst kürzlich war er noch selber ›Opfer‹ eines solchen Geschachers. Während Müller-Karpe seinem ›verdienten‹ Kollegen Müller-Beck eine ganzseitige Replik widmet, wird der offenbar für Müller-Karpe innerwissenschaftlich nicht satisfaktionsfähige Illig mit einem kurzen Absatz abgefertigt.
»Tyrannosaurus rex: Sprintstarker Jäger oder feiger Aasfresser?«
Zurück zu unserem ›titelbildenden‹ Tyrannosaurus rex, dessen Bezeichnung sinngemäß soviel wie »Furchtbare Königsechse« heißt. Das Titelbild zeigt ihn in klassischer Darstellung als schnellen und brutalen Jäger. Unser omnipotenter Herausgeber meint, dazu erläuternd bemerken zu müssen: »Sprintstarker Tyrannosaurus, wie
ihn die Realität nie kannte«. Woher aber kennt Illig »die Realität>«? Wie wir zwischenzeitlich rekonstruieren konnten vor allem aus zweiter Hand in den Mund, nämlich der Süddeutschen Zeitung, dem Spiegel und dem Deutschlandfunk. Illig will uns mit seiner Bemerkung zeigen, dass er bestens über die Zweifel am Killer-Image
des T-Rex informiert ist. Gegen einen schnellen Raubsaurier spricht dabei vor allem das ungeheuer große Gewicht des elefantenschweren Kolosses. Entschieden ist die Kontroverse, ob der T-Rex ein sprintstarker Jäger oder ein feiger Aasfresser war, deshalb keineswegs. Müssen wir Chronologiekritiker und Neokatastrophisten
uns aber damit hervortun, aktuelle wissenschaftliche Diskussionen nachzubeten? Sollten wir nicht vielmehr eigene Positionen erarbeiten und z. B. hier darauf hinweisen, dass beide Seiten in aktualistischer Sichtweise davon ausgehen, dass damals die gleichen Schwerkraftverhältnisse wie heute herrschten? Schließlich hat
schon Immanuel Velikovsky über ein von elektromagnetischen Kräften beherrschtes Universum geschrieben, in dem die ›Gravitation‹ zu einer sehr variablen Größe wird.
»wissenschaftliche Intriganten und kreationistische Frühwarnsysteme«
Illig gibt sich in der Evolutionismus-Kreationismus-Debatte als ausgesprochen linientreu und mehrheitsfähig, um den zahllosen und vielfach ›widerlichen‹ Gegnern seiner Phantomzeitthese nicht noch zusätzliche Angriffsflächen zu bieten. Damit er nicht zu wissenschaftskonform wirkt, empört er sich dafür um so mehr über die unglaublichen
Eskapaden des dreist-schillernden Anthropologieprofessors und skrupellosen C14-Fälschers Reiner Protsch von Zieten. Protsch (der erst spät seine adeligen Wurzeln als »von Zieten« entdeckte und sich schon früh als Schüler des Nobelpreisträgers Libby stilisierte) hat über ein viertel Jahrhundert lang, offenbar völlig unbehelligt von
den Kontrollinstanzen des Wissenschaftsbetriebes, sein Fälscherhandwerk ausgeübt. Erst als der Skandal öffentlich ruchbar wurde, jagte man ihn als personifiziertes wissenschaftliches Intrigantentum aus den Ämtern. Als Chronologiekritiker kann man mit Illig nur hoffen: Mehr von dieser Sorte, damit bei deren »Fallen« die »komplette
Chronologie inklusive aller darauf aufbauenden Theorien in den Abgrund« gerissen wird. Wer ist diesem Protsch eigentlich als Erster mit einer gehörigen Portion Skepsis entgegengetreten? Nein, nicht der Frühgeschichtler Thomas Terberger, der sich in 2001 über die Vielzahl von Protsch datierter ›alter Schädel‹ wunderte, sondern
die (Hindu-)Kreationisten Michael A. Cremo und Richard L. Thompson in ihrem 1993 erschienenen Buch »Forbidden Archeology«. Zu Protsch’ C14-Datierung eines umstrittenen, für die Fundschicht zu modernen Homo-Skelettes, beziehen sie wie folgt Stellung: »Alles in allem scheint Protsch einen erwünschten Dienst geleistet zu haben: Er
brachte ›Licht‹ in eine problematische Entdeckung, und siehe da, jetzt paßte sie in die akzeptierte Evolutionssequenz«. Ohne Frage, die Kreationisten sind und waren das beste Frühwarnsystem und unbestechlichste Korrektiv für die Wissenschaftszunft.
Epilog über Illig und Birken
Dr. Heribert Illig schreibt im Editorial: »Die vorliegende Zeitensprünge-Ausgabe ist [...] von meiner Beteiligung her nicht zu überbieten«. Das bewahrheitet er ganz unverblümt in seinem ergänzenden Artikel »Italia praeparata« zu dem Beitrag »Italiens Phantomzeit« von Dr. Andreas Birken. Dieser hatte den unverzeihlichen
Fauxpas begangen, Illig in einem Themenbereich, in dem er bereits umfängliche Vorarbeit geleistet hatte, nur einmal im Literaturverzeichnis zu erwähnen. Illig schritt darauf hin ›lektionierend‹ ein, konnte aber offenbar den störrisch reagierenden Birken nicht überzeugen, dies gehorsamst einzusehen und selbst gebührend
zu ändern. Birken kam dem eifrigen Lektor in eigener Sache aber insoweit entgegen, als er Illig zugestand, die Literaturliste seines Beitrages nebst Anmerkungen eigenständig zu ergänzen. Dies ist nicht ohne Logik, denn keiner kennt die vielen fehlenden Illigs so gut wie Illig selber.... Es mag den ein oder anderen
Zeitensprünge-Leser überrascht haben, dass Illig dieses Ansinnen abgelehnt hat. Weshalb? Ich denke, hier ist unserem – ansonsten bekanntermaßen ziemlich hemmungslos agierendem – Herausgeber in einem Augenblick der Selbsterkenntnis klar geworden, dass eine Umsetzung von Birkens Vorschlag, seine Selbstgefälligkeit
allzu sehr bloßgestellt und einen altgedienten Autor womöglich nachhaltig vergrault hätte. Doch Illig konnte und wollte sein persönliches Anliegen dennoch nicht aufgeben und findet den Ausweg in einem umfänglichen Ergänzungsartikel. Dieser soll dem geneigten Leser ohne Eingriff in Birkens Artikel, sein Vergehen
oder genauer gesagt Übergehen Illigs in aller Deutlichkeit vor Augen führen. Und so stammen dann auch in diesem Artikel nicht weniger als 16 der insgesamt 24 Literaturtitel von Illig. Illig und kein Ende...
Literatur
Adam, Karl Dietrich (2005): Nosce te ipsum – die Sonderstellung der Gattung Homo in der menschlichen Geschichte. – In: Erwägen Wissen Ethik (EWE)16 (1), 92-95
Bär, Siegfried (2003): Die Zunft – Das Wesen der Universität, dargestellt an der Geschichte des Professorwerdens und des professoralen Liebesleben. – Merzhausen
Cremo, Michael A. & Thompson, Richard L. (1996): Verbotene Archäologie – Sensationelle Funde verändern die Welt. – Essen
Dawkins, Richard (1987): Der blinde Uhrmacher – Ein Plädoyer für den Darwinismus. – München
Heinsohn, Gunnar (2006): Tyrannosaurus rex und seine taufrischen Blutgefäße. – In: ZS 18 (1), 208-212
Horstmann Ulrich (1985): Das Untier – Konturen einer Philosophie der Menschflucht. – Frankfurt/M.
Illig, Heribert (2005): Kippt die naturwissenschaftliche Weltsicht? – In: EWE 16 (1), 119-120
– (2006): Gerät der Evolutionismus ins Abseits? Ulrich Kutschera – Hermann Müller-Karpe. – In: ZS 18 (1), 213-238
Kahl, Joachim (2001): Die Frage nach dem Sinn des Lebens. – In: Aufklärung und Kritik 8 (1), 63-71
Kampe, Norbert, Hg. (2000): Villenkolonien in Wannsee 1870 – 1945, Großbürgerliche Lebenswelt und Ort der Wannsee-Konferenz. Berlin
Kandel, Eric (2006): Auf der Suche nach dem Gedächtnis – Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes. – München
Korth, Hans-Erdmann (2006): Zur Chronologie des Abendlandes. – In: ZS 18 (1), 164-184
Kutschera, Ulrich (2004): Streitpunkt Evolution – Darwinismus und Intelligentes Design. – Münster
Mayr, Ernst (1994): ...und Darwin hat doch recht. Charles Darwin, seine Lehre und die moderne Evolutionstheorie. – München & Zürich
Menting, Georg (2001): Explosive Artbildung bei ostafrikanischen Buntbarschen. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 54 (8), 401-410
Monod, Jacques (1996 zuerst 1970): Zufall und Notwendigkeit – Philosophische Fragen der modernen Biologie. – München & Zürich
Müller-Karpe, Hermann (2005): Geschichtlichkeit des paläolithischen Menschen. Fakten und Anschauungen. – In: EWE 16 (1), 85-92
– (2005): Replik – Anthropologisches oder humanes Weltbild. – In: EWE 16 (1), 136-146
Müller-Karpe (1999): Zur frühen Menschheitsgeschichte. – In: Sitzungsberichte der wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rehm, Hubert (2006): »Spannend und amüsant aber auch anspruchsvoll« – Rezension von Ulrich Kutscheras »Streitpunkt Evolution«. – In: Laborjournal – Service-Magazin für Medizin und Biowissenschaften, H. 4, 101
Ridley, Matt (2000): Alphabet des Lebens – Die Geschichte des menschlichen Genoms. – München
Ruse, Michael (1986): Taking Darwin seriously – A naturalistic approach to philosophy. New York
Schönborn (Kardinal), Christoph (2005): Finding Design in Nature. – In: New York Times vom 07.07.2005
Schopenhauer, Arthur (1988, zuerst 1851): Parerga und Paralipomena II. – Zürich
Schwanitz, Dietrich (2002): Bildung – Alles, was man wissen muss. München
Terberger, Thomas (2005): Der Speerwerfer und Feuerhüter – Mensch oder nur biologisch determinierter Hominide. – In: EWE 16/1, 130-133
Velikovsky, Immanuel (1946 ): Cosmos without gravitation – Attraction, repulsion and electromagnetic circumduction in the solar system.– In: http://www.varchive.org/ce/cosmos.htm
Witt Stahl, Susann (2005): Kirchenkritiker Karlheinz Deschner im Interview: »Eine Revolution wäre nötig«. – In: natürlich vegetarisch H. 3, 9-12 (www.deschner.info/de/person/interviews/vebu.pdf)
Wuketits, Franz M. (1999): Die Selbstzerstörung der Natur: Evolution und die Abgründe des Lebens. – Düsseldorf
– (2005): (Un-)Intelligent Design? Bemerkungen zur aktuellen Diskussion über Evolution und Sinn. – In: Aufklärung und Kritik 12 (2), 7-17; (www.gkpn.de)
G.M., 12.06.06