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›Größtes Massensterben der Erdgeschichte war hausgemacht‹

Der »Wolfe Creek Crater« liegt im Nordwesten Australiens. Der Krater hat einen Durchmesser von 850 m und eine Tiefe von 50 m. Er soll vor ca. 300.000 Jahren durch den Einschlag eines großen Meteoriten entstanden sein. In jüngster Zeit verstärken sich die Indizien dafür, dass die wichtigen naturgeschichtlichen Ereignisse auf unserem Planeten nicht ›hausgemacht‹ sind, sondern extraterrestrisch verursacht wurden.

Auf der letzten Seite von Charles Darwins epochalen Werk »Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl« findet sich eine fast religiös anmutende Beschwörungsformel: »Da alle lebenden Formen die unmittelbaren Nachkommen derjenigen sind, die lange vor der kambrischen Epoche lebten, so können wir sicher sein, daß die regelmäßige Aufeinanderfolge der Geschlechter nie unterbrochen war und daß keine Sintflut die Erde verwüstete. Wir dürfen deshalb auch vertrauensvoll eine Zukunft von riesiger Dauer erhoffen«. Heute wissen wir, dass diese Hoffnung eine gefährliche Täuschung ist, denn bereits mehrmals in der Geschichte unseres Planeten ist das Leben einer vollständigen Auslöschung nur knapp entgangen.

Darwins visionäres Heilsversprechen markiert eine der größten philosophischen Wendepunkte der Neuzeit. Etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts beherrschte die von dem französischen Naturforscher Georges Cuvier begründete Katastrophen- oder Kataklysmentheorie (nach dem griechischen kataklysmos für Sintflut) das naturgeschichtliche Weltbild. Die Katastrophentheorie war zwar schöpfungsgeschichtlich infiziert – aber keine reine Bibelwissenschaft, denn auch die stratigraphischen Befunde selbst legten den Gedanken an große Katastrophen nahe. Erstaunlicherweise gelang es den Verfechtern des verführerischen Bildes von allmählichen erdgeschichtlichen Veränderungen trotz des widersprechenden empirischen Befundes, sich gegen die Katastrophisten durchzusetzen. Und zwar so gründlich, dass noch über 100 Jahre später in einem Geologie-Lehrbuch [Beurlen 1975] so wichtige Begriffe wie »erdgeschichtliche Katastrophen« oder »Massensterben« nicht einmal erwähnt werden.

Nach der von Charles Lyell und Charles Darwin begründeten gradualistischen oder aktualistischen Geologie sind die wichtigsten Merkmale in Geschichte und Topographie der Erde fast ausschließlich auf langsame (›graduelle‹), gegenwärtig beobachtbare (›aktuelle‹) Ursachen und eben nicht wie bei der Katastrophentheorie auf sporadische, katastrophale Ereignisse wie Vulkanismus, Auffaltungen von Gebirgen, Erdbeben oder noch größere Brüche wie Meteoriteneinschlägen zurückzuführen. Die von Lyell propagierte, kühnste Form dieses neuen Weltbildes, die uniformitaristische (›gleichförmige‹) Geologie, besagte sogar, dass die Welt im großen und ganzen in der gesamten erdgeschichtlichen Vergangenheit dieselbe war wie in der Gegenwart. Beispielweise glaubte Lyell, dass die Hauptgruppen der Tiere (Fische, Weichtiere, Säugetiere usw.) immer schon da waren, und nur von Zeit zu Zeit innerhalb dieser Gruppen neue Arten entstünden, während andere ausstarben [Olderoyd 1998].

Von Beginn neigten auch die Anhänger gradualistischer Vorstellungen dazu, ihre Theorie bis hin zur Lächerlichkeit überzustrapazieren. So vermutete ein Wissenschaftler, der Darwins zweifelsfrei vernünftige Theorie über die Entstehung der Korallenatolle gelesen hatte, dass auch die Mondkrater nichts anderes als Korallenatolle seien [Gould 2003]. Mit dieser schon damals ziemlich abstrusen Hypothese wollte er die katastrophentheoretische Interpretation widerlegen, es handele sich um vulkanische Erscheinungen. Tatsächlich sind Mondkrater zwar keine Vulkane aber noch viel weniger Korallenatolle: Sie sind durch noch katastrophalere Ereignisse als Vulkanismus, nämlich durch Meteoriteneinschläge entstanden.

Der Lyell-Darwinsche Gradualismus hat bis weit ins späte 20. Jahrhundert die naturgeschichtliche Forschung bestimmt und behindert. Noch in den 1960er Jahren ließ sich der renommierte deutsche Geologe Helmut Hölder in der Debatte über die Impakt-Entstehung des Nördlinger Ries zu folgender Äußerung hinreißen: »Ein Meteoritenschlag ist für die erdgeschichtliche Forschung ein Schlag ins Gesicht, denn die Erdgeschichte bemüht sich ja gerade, die irdisch-historischen Voraussetzungen für den Eintritt eines erdgeschichtlichen Ereignisses aufzuzeigen« [zit. nach Engelhardt & Zimmermann 1982]. Heute weiß man, dass ein gewaltiger Meteoritenschlag für die Entstehung des Nördlinger Ries verantwortlich ist. Die Äußerung Hölders war daher ein Schlag ins Gesicht eines jeden Forschers, der sich mehr für Fakten als für Ideologien interessierte.

Es ist kaum mehr zu verheimlichen, dass der spöttisch auch als »Allmählichismus« [Heinsohn 2000] bezeichnete Gradualismus die erdgeschichtliche Forschung um 150 Jahre zurückgeworfen hat. So wurden für das endkreidezeitliche Massensterben, dessen prominenteste Opfer die Dinosaurier sind, nahezu hundert gradualistische Theorien und Hypothesen entworfen. Zu den klassischen Ursachen zählen große Meeresspiegelschwankungen infolge von ›langanhaltenden‹ Klimaveränderungen, Kontinentalbewegungen, Veränderungen im Salzgehalt der Ozeane, riesige aus der Erde quellende vulkanische Basaltmassen und nicht zuletzt die ›Dummheitstheorie‹, die besagt, dass die Saurier sterben mussten, weil die evolutionäre Entwicklung ihres kleinen Gehirns hinter ihrer enormen Körpergröße zurückgeblieben wäre.

Alle diese gradualistischen Thesen werden heute nicht mehr oder nur noch als Folgewirkungen von extraterrestrischen Ursachen diskutiert. Inzwischen liegen so viele Belege für die These vor, dass das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren durch ein kosmisches Geschoss verursacht wurde, dass sie als Standardwissen Eingang in die geologischen Lehrbücher gefunden hat. Nur die dümmste aller gradualistischen Theorien, die »Dummheitstheorie«, hat überlebt, weil sie in der ›grünen‹ Umweltbewegung unter Schlagworten wie »Dinosauriertechnik« oder »small is beautifull« eine zweifelhafte Karriere gemacht hat. Aber noch geben sich die Gradualisten, für die jegliche Form des Katastrophismus immer noch einen unwissenschaftlichen Beigeschmack hat, nicht geschlagen. Sie versuchen, den endkreidezeitlichen Bolideneinschlag als einmaligen kosmischen »Ausrutscher« darzustellen. Alle anderen Massensterben seien nämlich »hausgemacht«.

Der aktuellste Streitfall ist das große Massensterben am Ende des Perm. Vor 250 Millionen Jahren fielen dieser ernstesten biologischen Krise in der Geschichte unseres Planeten etwa 90 % der damaligen Lebewesen zum Opfer, darunter die bekannten dreilappigen Krebse, die Trilobiten. Bis erste Indizien für eine Impaktkatastrophe gefunden wurden, reichten auch hier die Theorien von ›langanhaltenden‹ Veränderungen der globalen Klimabedingungen und fallenden Meeresspiegeln über die Reduzierung des Sauerstoffgehaltes in den Ozeanen bis hin zu massiven Vulkanismus. In 1996 wurden dann von amerikanischen Forschern in Gesteinen an der Perm-/Trias-Grenze mikroskopische Quarzkörnchen mit Schockspuren, wie sie typischerweise bei einem Meteoriteneinschlag entstehen [Kerr 1996].

Dann passierte, was schon aus der schon aus der Diskussion um den endkreidezeitlichen Bolideneinschlag bekannt war. Zwar konnten sich die gradualistischen Paläontologen nicht mehr – wie noch in den achtziger Jahren – als Inquisitoren aufführen, aber die Solidität der Ergebnisse wurde über die Maßen angezweifelt, und es wurden stereotyp zusätzliche Belege gefordert. Wieder einmal zeigte sich, dass katastrophische Theorien besonders argwöhnisch beurteilt werden, während bei gradualistischen Theorien und mögen sie auch noch so abwegig sein, jede Spekulation akzeptabel ist. In 2001 wurden dann in Gesteinsproben aus dem späten Perm auch extraterrestrische Fullerene gefunden [Becker et al. 2001]. Fullerene sind Käfigmoleküle (»Fußbälle«) aus Kohlenstoff, in denen extraterrestrische Edelgase eingeschlossen sind. Sie gelangen mit Meteoriteneinschlägen auf die Erde. Und in 2004 fanden Becker und Mitarbeiter sogar einen geeigneten Kandidaten für einen Einschlagskrater an der Nordwestküste Australiens.

Noch ist die Frage, wer für das größte Massensterben in der Geschichte des Lebens verantwortlich ist, nicht endgültig entschieden. Aber vieles spricht für eine kosmische Katastrophe. So zeigen Untersuchungen, die sich detailliert mit der Geschwindigkeit der Artensterben befasst haben, dass die großen Massensterben nicht – wie man früher annahm – in Zeiträumen von einigen Millionen Jahren, sondern in nur wenigen tausend Jahren abliefen. Für gradualistische Szenarien ist dies schlicht zu schnell. Darüber hinaus lassen sich die meisten gradualistischen Hypothesen, wie z. B. der massive Vulkanismus, als indirekte Folgewirkung einer Impaktkatastrophe deuten. Auch bei einer wissenschaftshistorischen Betrachtung liegt der Eindruck nahe, dass die Verfechter eines Bolideneinschlages den Streit gewinnen. Es fällt auf, dass gegen die Identifizierung des Einschlagskraters an der Nordwestküste Australiens genau die selben Argumente vorgebracht, wie in den 1980er Jahren gegen die Entdeckung des endkreidezeitlichen Chicxulub-Kraters im Golf von Mexiko. All diese Argumente haben sich später als zahnlos erwiesen.

Dieser Beitrag beginnt mit einem beschwörenden Zitat, in dem Charles Darwin den Lesern seines berühmten Werkes versichert, dass die »regelmäßige Aufeinanderfolge der Geschlechter nie unterbrochen war«, keine »Sintflut die Erde verwüstete« und dass wir deshalb »vertrauensvoll eine Zukunft von riesiger Dauer erhoffen« dürfen. Das glaubt heute kaum noch jemand! Schon seit einigen Jahren sprudeln uns aus den »Tickern« der Online-Wissenschaftsmagazine Überschriften wie »Die Sintfluten am Ende des Perm«, »Todbringender Komet« oder »Einschlagender Erfolg: Schnelles Ende der Dinosaurier« entgegen. Leider wird aber viel zu wenig darüber berichtet, was getan werden muss, damit wir zukünftig nicht selber die massenhaften Opfer eines verheerenden Anschlages aus den dunklen Tiefen des Weltalls werden.

Dies mag u. a. daran liegen, dass viele Forscher immer noch versuchen, den Katastrophismus zu verunglimpfen und sich mit gradualistischen Hypothesen zu profilieren. Sie nehmen dabei leichtfertig in Kauf, die Öffentlichkeit mit ihren terrestrischen Ursachenkomplexen in falsche Sicherheit zu wiegen. Ein unrühmliches Beispiel ist der österreichische Geologe (und Impaktforscher!) Christian Köberl, der sich im Dezember 2004 mit der Schlagzeile »Größtes Massensterben der Erdgeschichte war hausgemacht« in die Medien katapultierte. Wie schon in der Diskussion um das endkreidezeitliche Sauriersterben sollen es wieder einmal – einzig und allein – gigantische Vulkanausbrüche gewesen sein, die das Massensterben an der Perm-/Trias-Grenze verursacht haben. Es ist zu befürchten, dass es einer rezenten Impaktkatastrophe bedarf, damit nicht nur massiver Vulkanismus, sondern auch kosmische Bolideneinschläge als normaler Bestandteil einer anscheinend unbelehrbar uniformitaristisch interpretierten Naturgeschichte akzeptiert werden.

Literatur

Becker, L. et al. (2001): Impact Event at the Permian-Triassic Boundry: Evidence from Extraterrestrial Noble Gases in Fullerenes. – In: Science 291, 1530

(2004): Bedout: A Possible End-Permian Impact Crater Offshore of Northwestern Australia. – In: Science 291, 1469-1475

Beurlen, K. (1975): Geologie – Die Geschichte der Erde und des Lebens. Stuttgart

Darwin, Ch. (1998, zuerst 1859): Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl. – Stuttgart

Engelhardt von, W. & Zimmermann, J. (1982): Theorie der Geowissenschaft. – Paderborn

Gould, St. J. (2003): Die Lügensteine von Marrakesch – Vorletzte Erkundungen der Naturgeschichte. – Frankfurt/M.

Heinsohn, G. (³2000): Wie alt ist das Menschengeschlecht? Stratigraphische Gliederung der Paläoanthropologie und der Vorzeit. – Gräfelfing

Kerr, R. A. (1995): A Shocking View of the Permo-Triassic. – In: Science 270, 1441-1442

Olderoyd, D.R. (1998): Die Biogeographie der Erde. – Zur Wissenschaftsgeschichte der Geologie. – Frankfurt/M.

G.M., 15.12.04

 

 
   


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